Bevor die Bundesregierung einen Kommentar zum Ende von "Wetten, dass..?" als nichtig zurückweisen kann, scheint schon der Sendetermin fürs Comeback klar. Die Planungen laufen über den Schreibtisch von Frank Elstner. Markus Lanz hat dagegen nichts aus Michael Steinbrecher gelernt. Der Elmar-Theveßen-Dualismus. Der Zeit-Chefredakteur wertschätzt einen FAZ-Korrespondenten. Und der DRadio-Intendant, der auch mal Journalist war, versucht sich die fehlende Liebe seiner Mitarbeiter zu erklären.
Natürlich ist das Ding noch nicht durch, sind die Tränen noch nicht getrocknet, sucht Verzweiflung und Leere weiterhin (siehe Altpapier von gestern) nach ihrem Ausdruck:
"Nach 16 Jahren und 181 Ausgaben soll jetzt Schluss sein, man reibt sich darob immer noch die Augen und kann gar nicht glauben, dass es jetzt wirklich so schnell gehen soll."
Schreibt Andreas Hartmann in der TAZ über das Ende von – Kenner der Fernsehszene werden die Fehler gefunden haben – De:Bug, der beliebten "Zeitschrift für Elektronische Lebensaspekte".
An dem Beispiel kann man sehen, wie bescheiden man seinen Abgang auch gestalten kann ("'... am Ende hat die Energie nicht mal mehr für eine Jammerkampagne gereicht'"). Und was außerhalb der öffentlich-rechtlichen Sphäre – believe it or not – als Lob gilt:
"Sie wirkte hermetisch, kryptisch, oft unverständlich und manchmal nervtötend besserwisserisch."
Dieses Urteil ist ein Steilpass in den "Wetten, dass..?"-KramGram. Der dauert so arg an, dass man fast geneigt wäre, die Karl-Valentin-Formel hervorzuholen (zur Abwechslung mal in alphabetischer Reihenfolge: allen, alles, es, gesagt, ist, nicht, noch, nur, schon).
"#Grimme-Direktor Kammann: Das Ende von #wettendass ist ein Zeichen dafür, dass die große Samstagabendshow sich überlebt hat"
Twitterte etwa das uns hier naturgemäß nahestehende epd medien, was dann doch aber eher dazu anregt darüber nachzudenken, wie man in einem inflationösen Meinungsmarkt überhaupt noch einen Punkt machen kann.
Anders gesagt: Die Zahl derer, die diese These zum ersten Mal hören oder die andere Leute in der U-Bahn aufgeregt anstupsen könnten ("Mensch, der Kammann, der sagt das doch auch"), ist vermutlich so gering, dass sie – in Abonennten umgerechnet – die De:Bug-Insolvenz nicht hätten verhindern können. Zumal Alfons Kaiser das mit dem Ende der großen Samstagsabendshow gestern in dem Seite-1-Kommentar in der FAZ schon schöner ausgeführt hatte als Generationade, wie wir den Zeitraum von 33 Jahren hier einmal nennen wollen.
Dietrich Leder weitet in seinem "Journal der Bilder und der Töne" in der Funkkorrespondenz den Blick auf den Sender, der "Wetten, dass..?" jetzt einstellt.
"Was für eine Woche im Leben des ZDF! Es begann am vorigen Mittwoch (2. April) mit einer weiteren Eskapade im hausintern ausgeschriebenen Wettbewerb, mit einem Live-Interview so viele mediale Aufmerksamkeit wie nur möglich zu generieren, koste es journalistische Anerkennung, was es wolle."
Dabei streift er in seinem Ritt durchs Desaströse am ZDF-Programm auch noch mal das – von Stefan Niggemeier schon durchgearbeitete – Susanne-Conrad-Interview mit Akif Pirincci, der Pocket-Variante vom Westentaschen-Märtyrer Sarrazin, das schon aussieht wie die Parodie, die Oliver Kalkofe früher einmal drausgemacht hätte: Conrads sediert-besinnungsloses Dauergutgelauntsein vs. Pirinccis Schwierigkeiten, das Wort "Institut" im ersten Anlauf fehlerfrei auszusprechen.
In den Erklärmustern, die den Anstaltsleitern zur Verfügung stehen, wäre – wie Aktuelles-Leiter, Stellv. Chefredakteur und immer schon auch noch Terrorexperte Elmar Theveßen bei einem Pressegespräch letzte Woche etwa aufsagte – das dann das "Interview mit Ecken und Kanten", das man den "rundgelutschten" vorziehe (das wäre gleichzeitig die Erwiderung von Leders Kritik).
Äh, Moment, das Conrad-Pricincci-Ding war ja eher "rundgelutscht". Womöglich müssen wir da zur näheren Bestimmung noch mal einen ZDF-Insider fragen.
Die interessanteste Stelle in Leders Text ist die historische Perspektive, die er ausgerechnet da aufmacht, wo der Theveßen-Dualismus "Ecken und Kanten" vermuten würde: auf der Grimme-Preis-Verleihung. Genauer: bei ihrem Moderator. Michael
"Steinbrecher ist der Prototyp der verlorenen Jahre des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, in denen man nur aufstieg, wenn man sich anpasste, mäßig kritische Fragen stellte und besonders gerne 'Betroffenheit' zeigte. All das packte er aus der Mottenkiste wieder aus, als er auf der Bühne des Marler Stadttheaters stand und mit dem Mikrofon in der Hand die Preisträger einvernahm. Jeder seiner Fragen hörte man das Desinteresse an den Antworten an. Jede Überleitung stand unter dem Verdikt, ja nicht überziehen zu wollen. Jeder Versuch, Begeisterung über die ausgezeichneten Sendungen zu heucheln, scheiterte an einer müden Routine, die schon das 'Aktuelle Sportstudio' zu seiner Zeit zur Schlaftablette gemacht hatte."
An dieser Stelle könnte eine Schwundstufenforschung einsetzen, die helfen würde, Markus Lanz besser verstehen ließe. Als Institutsdirektor empfiehlt sich Dieter Thomas Heck, wie u.a. auf dem Medienportal gmx.de zweitzulesen ist.
"'Er hätte auf Leute hören sollen, die mehr Erfahrung haben und es besser können als er', sagte Heck der 'Bild'-Zeitung vom Montag.
Scherz beiseite: Das Faszinierende an Lanz und "Wetten, dass..?" war doch aber – und dazu gehört kein höherer Klugscheißertum –, dass das Ende von vornherein klar war. Markus Lanz bedeutete für "Wetten, dass..?", was Philipp Rösler für die FDP war: der Moment, in dem die Funktion die Person nicht mehr nobilitiert, die Rolle den Menschen nicht mehr mit seinen Aufgaben wachsen lässt (was natürlich auch immer heißt, dass die Funktion – Samstagabendshow – obsolet ist).
Michael Hanfeld ist heute jedenfalls bester Laune und erfreut sich in seiner FAZ-Glosse (Seite 15) am weiteren Gang der Dinge:
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"Ob der vermeintlichen kulturellen Bedeutung von 'Wetten, dass ..?' wurde am Montag auch der Regierungssprecher Steffen Seibert gefragt, was man in Berlin von der Entscheidung des ZDF halte. 'Es bedarf nicht alles eines Kommentars der Bundesregierung. Schon gar nicht Veränderungen im Fernsehprogramm', sagte der ehemalige Auslandskorrespondent und Moderator der ZDF-Nachrichten."
Anderswo wird dagegen schon wieder aufgerüstet – für das Comeback!
"Wetten, dass es weitergeht? Irgendwie, irgendwo. Irgendwann. Das ist der Tenor in der Unterhaltungsbranche einen Tag nach der Meldung vom Aus für Deutschlands älteste Unterhaltungsshow. Kaum hatte sich der erste Schreck gelegt und war die Trauer der nüchternen Erkenntnis gewichen, dass das ZDF schon viel früher hätte die Notbremse ziehen müssen, da wurden die ersten Wetten abgeschlossen, wie lange es noch dauere, bis die Mainzelmänner die Show wieder neu auflegen."
Schreibt Antje Hildebrandt in Springers Welt, wo doch Springers hotteres Blatt schon Sendetermine diskutiert: "2016, 2017". Also in jedem Fall vor der Eröffnung des BER, wie ein Spaßvogel sagen würde.
Hildebrandt hat ein paar frühere Pathologen der Sendung gesprochen, aus deren Aussagen sich ein Korridor von zwei Reinkarnationsmodellen zimmern lässt:
"Diese Frage bringt die Väter von 'Wetten, dass ..?' in echte Erklärungsnot: Während Wolfgang Penk von einer schlankeren 60-Minuten-Fassung träumt, setzt Holm Dressler auf die dicke Hose. 'Die Show muss zelebriert werden. 'Wetten dass ..?' ist wie ein 100-Meter-Lauf, der nur zehn Sekunden dauert, aber eine Woche lang die Leute bewegt.'"
Holm Dressler, für die Jüngeren unter uns, ist "der Produzent, der gerade auf Mallorca für den Spartensender Goldstar TV ein Porträt zum 70. Geburtstag von Costa Cordalis dreht". Er weiß also, wovon er redet.
Es ist schon sehr beeindruckend – und erst recht für Zusammenschauer wie uns hier –, wie viel Aas so ein Kadaver abwirft: Immer wenn man denkt, nun ist er ausgeweidet, kommt wieder jemand mit einem neuen Stückchen Berichterstattung um die Ecke.
Immerhin, die mediale "Wetten, dass..?"-Affinität schenkt uns Momente unverstellter journalistischer Schönheit – wie Alexander Kühns gestern schon gewürdigtes SpOn-Lamento vom Wochenende über die entsetzliche Frage, wie heute aufwachsende Kinder Sinn in ihr Leben kriegen sollen ohne "Wetten, dass..?".
Sätze, die unter anderen Umständen als satirisch begriffen worden wären, nun aber in bitteren Ernst gekleidet sind. Sätze, wie diesen unendlich verführerischen, aufreizenden, trostspendenden, mutmachenden, herzerwärmenden aus dem TSP-Text von Marie Rövekamp und Markus Ehrenberg:
"Insider spekulieren, dass Elstner Ideen für ein Weiterleben von 'Wetten, dass..?' in der Schublade hätte."
+++ By the way: Trost. Zu Unrecht bislang kaum gewürdigt ist der Titel der gerade noch aktuellen Zeit. "Meine Firma liebt mich nicht". Im Vorstellungsvideo mit Giovianni di Lorenzo erklärt ein Autor der dazugehörigen Geschichte: "Die meisten Leute fürchten sich nicht um ihre Arbeit, sie haben alle Arbeit, die Arbeit ist in der Regel gut bezahlt, es gibt also keinen Grund zur Klage. Aber wenn man sie fragt, wie fühlen sie sich bei der Arbeit, dann sagen die meisten: Naja, eher schlecht, ein Sechstel hat sogar innerlich gekündigt." Ist es jetzt sehr gemein zu loben, wie gut die sympathische Hamburger Wochenzeitung es schafft, ihre Mitarbeitermotivation in allgemeingültige Geschichten zu transferieren? Bemerkenswert ist jedenfalls, wie in der zweiten Hälfte der Titel-Unterzeile von Verständnis ist auf Fang-mal-bei-dir-selber-an umgeschaltet wird: "Zum Teil liegt das an hohen Erwartungen. Vor allem vermissen Mitarbeiter eines: Wertschätzung". Romantische Verwechslungen im Spätkapitalismus: Es geht um Wertschöpfung, dummo! +++ Es wäre vor diesem Hintergrund jedenfalls interessant zu wissen, wie die Wertschätzung von Zeit-Chefredakteur di Lorenzo für den FAZ-Korrespondenten Dirk Schümer am Speersort so ankommt, die der Zeit-Chef in der Laudatio für einen Journalistenpreis zum Ausdruck bringt (FAZ, Seite 14, oder hier): "Doch in seinem Fall muss die F.A.Z. – wenn ich darum bitten darf – die Regeln des Korrespondenten-Karussells außer Kraft setzen. Ansonsten fehlte mir, der seit Jahren an Italien leidet, künftig jeder Trost." +++
+++ Wie so eine Veranstaltung aussähe, wenn eine Chefredakteurin einer Europa-Korrespondentin lobredete – war nicht das Thema eines Panels an der Columbia Journalism School, über die in der hauseigenen Review von Aparna Alluri berichtet wird. Es ging aber um Frauen in den Medien, etwa darum, dass Frauen in Krisengebieten eine breitere Berichterstattung ermöglichen: "Despite the recent murder of AP photojournalist Anja Niedringhaus, Nordberg said that conditions for foreign correspondents have improved over the past decade. 'Smart editors send female journalists to conservative countries and to war,' she said, mentioning a friend who was reporting in Mali who told her that it was 'all women reporters.' Since foreign women are often not bound by as many restrictions as local women, Nordberg said, they had access to both men and women." +++ Zum Tod von Anja Niedringhaus findet sich übrigens auch ein, wenn man das so sagen kann, schöner Text von Matthias Heinzel in ihrer alten Lokalzeitung, dem Göttinger Tageblatt: "Immer auf den letzten Drücker auf dem Weg zum Termin, war 'Anie' eine typische Lokaljournalistin, sagt ihre ehemalige Kollegin aus der Fotoredaktion, Hannelore Pohl. Sehr spontan, warmherzig und immer ein bisschen unordentlich, fand sie sich ganz schnell im Redaktionsteam zurecht." +++
+++ Eine Firma, die ihren Chef ("Intendantendarsteller" hieß es im Spiegel, Altpapier von gestern) nicht so sehr liebt, ist aktuell das Deutschlandradio. David Denk hat Willi Steul nun für die SZ interviewt (Seite 31) – und es gibt sicherlich Medienberater und Auftrittscoaches, die Steul dafür anders eingestellt hätten: "Es ist nicht immer das reine Vergnügen, Intendant des Deutschlandradios zu sein." Oder: "Es ist merkwürdig: Der Journalismus ist ein Beruf, in dem Veränderungen in der Gesellschaft sehr sensibel aufgenommen und abgebildet werden, aber wenn Veränderungen die Journalisten selbst treffen, reagieren sie außerordentlich konservativ und abwehrend", sind vermutlich nicht die Zitate, die sich die Radiomitarbeiter heute auf den Fluren in Köln und Berlin erleichtert zuprosten werden. Und: "Wenn im Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten jemand, der auch noch im Haus arbeitet, den Vorwurf der Millionenverschwendung erhebt, läuft jedem Journalisten – und ich war ja selbst mal einer – das Wasser im Mund zusammen." Wenn Steul kein Journalist mehr ist als Chef eines riesigen Radiosenders, was ist er dann? +++
+++ Thomas Schuler schreibt in der Berliner über den neuen Familienfrieden und Nachfolgeregelungen bei Murdochs. +++ Peter Galison skizziert im FAZ-Feuilletonaufmacher den Horror der Überwachung, heute schon (Seite 9). +++ Sonja Álvarez vermeldet höchstes Printaufkommen ever im TSP. +++ And so was ähnliches does Rainer Stadler in der NZZ. +++ Christian Meier wundert sich auf Meedia.de über gleichklingende Lego-Erfolgsgeschichten. +++ Jürg Altwegg referiert in der FAZ (Seite 15) die in der Schweiz schon ausgewertete Roger-Schawinski-Autobiografie. +++
+++ Und Rainer Stadler überrascht in seiner NZZ-Kolumne, wie uninformiert ausgerechnet Leute schreiben, deren Geschäft doch die Information ist: Da welkt ein Argument, das seit Jahren nicht mehr wächst, als wäre es ein ganz neuer Spross. Wenn ich Peer Steinbrück wär', ich würde mit Willi Steul drohen. +++
Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.