Can we fix it? Yes we can!

Can we fix it? Yes we can!

Die Krautreporter sammeln 900.000 Euro, um den Online-Journalismus zu reparieren. Mathias Döpfner bekommt von einem EU-Kommissar Nachhilfe in Kartellrecht. Und das Quizduell wird Opfer eines Hackerangriffs (meint zumindest Jörg Pilawa).

Falls Sie sich gefragt haben sollten, was in den letzten Wochen eigentlich mit diesem Online-Journalismus los war, von dem man immer so viel hört: Der war kaputt.

„Weil vielen Medien Klicks wichtiger sind als Geschichten. Weil niemand mehr den Überblick behalten kann, wenn die Welt nur noch in Eilmeldungen erklärt wird. Weil Werbung nervt, die umständlich weggeklickt werden muss. Weil sich auch in seriösen Online-Medien der Boulevard ausbreitet.“

Aber es gibt gute Nachrichten:

„Wir kriegen das wieder hin.“

Trotz der ähnlichen Argumentationsstruktur (Can wie fix it? Yes we can!) will das aber nicht Bob, der Baumeister übernehmen, sondern Krautreporter – diesmal nicht in seiner bereits bekannten Form als Crowdfunding-Plattform für journalistische Projekte, sondern Krautreporter, das tägliche Magazin im Internet, das ohne Werbung auskommen möchte und jetzt noch gecrowdfundet werden muss. (Und von dessen Seite die schönen Zitate hier stammen.)

Seit heute morgen, 6.06 Uhr, wird gesammelt. Einen Monat lang ist nun Zeit, insgesamt 900.000 Euro zusammenzubekommen. Bezahlt werden sollen damit 25 Journalisten, die ab September jeweils eine gut ausgeruhte Geschichte pro Woche liefern sollen – mit dabei etwa Stefan Niggemeier, Richard Gutjahr, Theresa Bäuerlein, Jens Weinreich und Theresia Enzensberger. Den Chefredakteur macht Alexander von Streit. „Wir alle arbeiten seit Jahren als Journalisten mit großem Engagement für die etablierten Medien. Und wir glauben: Jetzt ist es Zeit für etwas Neues“, lassen sie ausrichten.

Schon nachdem am Sonntag nach einer Vorabmeldung des Nachrichtenmagazins Spiegel die Idee in der Welt war, brachten sich diejenigen in Position, die hinterher sagen können wollen, sie hätten es vorher schon gewusst. Nämlich, dass das mit den 900.0000 Euro für ein Online-Magazin, das noch niemand gesehen hat, schwer würde.

„Stimmt es, dass die Inhalte für alle frei verfügbar sein sollen (so SpOn), fragt sich, ob die restlichen Anreize reichen, Abonnenten zu werben“, schreibt etwa Lorentz Matzat in seinem Blog datenjournalist.de. „Ist der Netzfokus zu stark, droht das Ganze in der ,Filterbubble’ haften zu bleiben.“

Dieses Problem sieht auch Jens Rehländer, der früher für Geo und heute für die Volkswagenstiftung kommuniziert.

„Nun wird man den Initiatoren zweifellos soviel Realitätssinn zubilligen können, dass diese nicht ernsthaft glauben, mit Medienkritik allein ein journalistisches Angebot ins Leben rufen und langfristig am selben erhalten zu können. Im Raum steht der deklarierte Anspruch, ,Qualitätsjournalismus’ zu liefern. Der aber benötigt Aktualität, Relevanz, inhaltliche Tiefe und vor allem eine teure und langwierige Vor-Ort-Recherche. Bissige Medienschelte, ein paar Technik-News und Tagungstweets mögen Blog-Autoren treue Fans bescheren. Aber auch dies in der Regel nur solange, wie Unterhaltung und Belehrung kostenlos sind“,

schreibt er in seinem Blog.

Das wird das versammelte Team an Zeit-, FAZ-, SZ- und NZZ-Autoren (kleine Auswahl) sicher freuen, dass man ihnen nicht viel mehr zutraut als ein paar Tagungstweets.

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„Mutig und edel“ nennt Rehländer zudem die Honorarsätze von 2000 bis 2500 Euro pro Monat, von denen freie Zeitungsjournalisten sonst nur träumen könnten.

Man möchte dagegenhalten, dass es doch verdammt traurig wäre, wenn der neue Journalismus mit der gleichen Drückerkolonnen-Mentalität ans Werk ginge wie derzeit manch alteingesessenes Verlagshaus. Und fragen, welcher Spiegel-Redakteur (oder, sagen wir es ruhig: VW-Sprecher) sich wohl morgens aus dem Bett quälte, müsste er jede Woche eine ausrecherchiere Geschichte liefern (er, ganz alleine, ohne Hilfestellung und Dokumentation und so) und bekäme dafür nur 2000 Euro brutto?

Doch hier wird man ja nicht für die Analyse von Blogtexten von Sonntag bezahlt, sondern für die Präsentation der frisch gedruckten Medienthemen von heute. Allein, die so-called etablierte Presse hält sich – mit Ausnahme des Spiegels, siehe oben – bislang zurück. Ein Text von Daniel Bouhs bei taz.de ist von der Seite wieder verschwunden (Stand 8.17 Uhr). (Und jetzt, 8.55 Uhr, wieder online, sodass wir noch vermelden können, dass Bouhs den Werbeclip für das Projekt unsäglich findet, das Projekt selbst aber wecke "im Kern große Hoffnungen".) (Und, mittlerweile ist es 9.28 Uhr, Kai Biermann von Zeit Online ist auch recht angetan.) 

[+++] Was diese gedruckten Medien stattdessen beschäftigt? Zumindest im Fall der FAZ ist es die Diskussion um die Vorherrschaft von Google. Einen Monat ist es her, dass sich Mathias Döpfner per offenem Brief an den „Lieben Eric Schmidt“ bitterlich über die Marktmacht Googles beschwerte („Warum wir Google fürchten“Altpapier). Da müsse doch zum Beispiel die Europäische Kommission dringend etwas tun.

Genau das mache sie längst, schreibt dem „sehr geehrten Herrn Döpfner“ nun Joaquín Almunia, Kommissar für Wettbewerb der Europäischen Kommission auf Seite 11 des FAZ-Feuilletons. (Hier die Zusammenfassung bei faz.net.)

Schon 2010 habe die Kommission ein kartellrechtliches Verfahren gegen Google eingeleitet; nun ständen drei Verbesserungen im Raum:

„Erstens würde der Nutzer klar darüber informiert werden, welche Links von Google vermarktet werden, und nicht das Ergebnis der normalen Suchmaschine sind. Zweitens gäbe es eine deutliche Trennung auf Googles Website zwischen Googles spezialisierten Dienstleistungen und den normalen Suchergebnissen. Drittens würde Google dann, wenn es eigene Dienstleistungen vermarktet, auch die spezialisierten Dienstleistungen von drei Wettbewerbern auf eine Weise präsentieren, so dass sie deutlich für den Nutzer zu sehen sind. Diese konkurrierenden Links würden zudem in einem vergleichbaren visuellen Format dargestellt werden.“

Das führt Almunia dann noch etwas genauer aus, um Döpfner im Anschluss einen kleinen Kurs in ausgerechnet Kartellrecht und Marktwirtschaft zu geben.

„Was verboten ist, ist der Missbrauch, aber nicht das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung. Die Kommission ist nicht befugt, von einem Unternehmen zu verlangen, dass es jeglichen Forderungen seiner Wettbewerber nachgibt, nur weil es den Markt dominiert.“

Und weiter:

„Unsere Rolle ist es nicht, Google davon abzuhalten, Neuerungen einzuführen und zu versuchen, den Bedürfnissen der Nutzer gerecht zu werden, indem es neue Dienste entwickelt und anbietet. Dies wäre nicht im besten Interesse der Nutzer. Unsere Rolle ist es sicherzustellen, dass Google Wettbewerber nicht davon abhält, dasselbe zu tun.“

„Ich diszipliniere Google“ ist der Brief überschrieben. Was auf jeden Fall mal eine selbstbewusste Antwort ist auf Döpfners Furcht vor Google.

[+++] Etwas mehr Furcht, und sei es nur Ehrfurcht, hätte vielleicht auch das Erste gestern Abend vor der Sache mit diesem Internet haben sollen. Da wollte man mal eben das Konzept einer erfolgreichen App ins Fernsehen übertragen und – zwei Fliegen, eine Klappe – Jörg Pilawa als vorabendlichen Quizzonkel reaktivieren. Und dann machte beim „Quizduell“ die Technik die Grätsche, die den Zuschauern per App das Mitraten ermöglichen sollte. Pilawa selbst machte direkt mal einen Hackerangriff dafür verantwortlich; Das Erste sprach später von einem technischen Problem. Fazit: Aus technischer Sicht blamiert, aus Aufmerksamkeits-Sicht alles richtig gemacht. Und Aufmerksamkeit hat das Sorgenkind Vorabendprogramm ja dringend nötig (zum Beispiel faz.net, Berliner Zeitung, DWDL).


Altpapierkorb

+++ Auch in Israel haben es gedruckte Zeitungen schwer, schreibt Hans-Christian Rössler auf der Medienseite der FAZ. Unter die Arme greifen soll den gebeutelten Verlegern nun ein Gesetz, dass die Veröffentlichung von kostenlosen Tagszeitungen mit großer Reichweite verbietet. Allerdings gibt es davon nur eine, die „Israel Hajom“. +++

+++ Ebenfalls in der FAZ befasst sich Michael Hanfeld mit den Vorwürfen, Günther Wallraff sei mit Burger King nur so hart ins Gericht gegangen, weil er sich vorher von Mc Donalds’s bezahlen ließ. So steht es zumindest im aktuellen Spiegel. Um es kurz zu machen: Hanfeld glaubt das nicht, sondern Wallraff, der sagt: „,Das eine hat mit dem anderen null zu tun’ (...) Persönlich hält er von Fastfood generell nichts. Auch nicht von schnell aufgebrutzelten, halbgaren Geschichten.“ +++

+++ Gestern lief die vorerst letzte Folge von „Team Wallraff“. Diesmal hat er sich unter Sicherheitsdiensten umgesehenen, und wieder ist das Aufgedeckte so anders, als wir es uns wünschen würden, schreibt Peter Berger in der Berliner Zeitung. „Und es entsetzt einen, wie leicht es offenbar in Deutschland ist, als Sicherheitsmann nach einer dreitägigen Schulung in schrottreifen Geldtransportern Hunderttausende Euro durch die Gegend zu transportieren. Mit einer scharfen Waffe und einem Waffenschein, den man in einem 72-Stunden-Crashkurs erworben hat und von dem selbst der Ausbilder sagt, dass ihn angst und bange wird, wen er da auf die Straße schickt.“ Auch Joachim Huber vom Tagesspiegel ist von dem Format überzeugt: „Das Jobwunder in Deutschland hat seine sehr dunklen Ecken. Was immer von den verdeckten Aktionen und der Vorspiegelung falscher Absichten zu halten ist, die junge Reportertruppe mit Mentor Wallraff hat Wirkung erzielt. Bei ,Burger King’ soll künftig nach Tarif bezahlt werden.“ +++

+++ Da ist er wieder, der Klassiker: In ein Portrait einsteigen mit den Sätzen, dass der Portraitierte ja eigentlich nie Interviews gibt. Diesmal zieht Michael Bitala die Sache auf der Medienseite der SZ durch, und der Portraitierte ist – nein, nicht Karl „Aldi-Bruder“ Albrecht, dann wäre das Brimborium ja gerechtfertigt. Sondern Richy Müller, Hauptdarsteller des Bankräuber-Dramas „Ein todsicherer Plan“, das morgen Abend in der ARD läuft. Müller merke man, Überraschung, seine Medienscheu gar nicht an, meint Bitala, und dann sei der Teufelskerl („in: ausgewaschenem T-Shirt und Jogginghose (...) goldumrandete Brille, hat ein goldenes iPhone und sieht etwas anders aus als im Fernsehen. Er ist nicht ganz so klein, und seine Nase ist nicht ganz so groß. Und seine 58 Jahre sind kaum zu glauben.“), auch noch wandlungsfähiger als Jürgen Vogel, Mario Adorf und Armin Rohde. +++ Für die FAZ hat Oliver Jungen derweil den Film gesehen. Sein Fazit: „Ins Zentrum des eigentlich gut konstruierten Thrillers drängt sich so linkspolitisches deutsches Erklärfernsehen, das auch noch mit deutscher Soap-Dramaturgie einhergeht (...). Das ist einfach nur schade. Spannend bis zum Schluss ist dieser Film trotzdem.“ +++

+++ In den USA verkünden die Fernsehsender in dieser Woche, welche Serien in eine weitere Staffel gehen. Für Marlene Halser eine gute Gelegenheit, für die taz die Redaktion der Serienjunkies in Berlin Friedrichshain zu besuchen. +++

+++ Besonders gut auszusprechen ist der Name zuio.tv zwar nicht gerade. Aber dafür umso besser anzusehen, findet David Denk. Für die SZ hat er sich das Angebot der ersten zwölf Absolventen der „Frank Elstner Masterclass“ für Moderationstalente an der Axel-Springer-Akademie mal angesehen. Und für gut befunden. „Die Seite ist wie ZDF Neo, nur ohne die öffentlich-rechtlichen Bedenkenträger“, meint Denk. +++

+++ Rupert Murdoch organisiert sein Imperium mal wieder um, und davon könnte auch der deutsche Pay-TV Sender Sky betroffen sein, schreibt der Tagesspiegel. Die britische Sendergruppe BSkyB, die schon zu 39,5 Prozent zu Murdoch gehört, soll Sky Deutschland sowie Sky Italia von Murdochs 21st Century Fox übernehmen und damit die drei Skys bündeln (es ist kompliziert). „In den britischen Medien wird der jetzt verkündete Plan zur Formierung eines europäischen Pay-TV-Riesen als Zeichen eines neuen Anlaufs zur Übernahme der vollständigen Kontrolle über BSkyB gedeutet.“ Laut DWDL versucht die britische Medienaufsichtsbehörde Ofcom aber alles, genau das zu verhindern. +++

+++ „Es wird ernst für den Rundfunkbeitrag und seine Profiteure, die öffentlich-rechtlichen Sender“, beschwört es Joachim Huber im Tagesspiegel. Dort berichtet er über die zwei heute und Donnerstag anstehenden Verhandlungen zum Rundfunkbeitrag, gegen den sowohl ein Straßenbauunternehmen als auch die Drogeriekette Rossmann geklagt haben. Ersteres muss für jedes Fahrzeug zahlen, letztere für Mitarbeiter pro Filiale. „ARD, ZDF und das Deutschlandradio können die Urteile relativ gelassen abwarten. Bei bisherigen Urteilen hat sich der Rundfunkbeitrag als gerichtsfest erwiesen. (...) Allgemein wird erwartet, dass der Rundfunkbeitrag bis zum Bundesverfassungsgericht hochwandern wird.“ +++

+++ Leser mögen Werbung, diese überraschende Erkenntnis aus einer Befragung verkündet Miriam Meckel in der NZZ. „Die Nutzer wissen besser als erwartet, wie Medieninhalte und Werbung zusammenhängen, und sie akzeptieren diese Verbindung. Sie haben keine grundsätzlich negative Einstellung zur Werbung, vielmehr eine wohlwollend-neutrale. Knapp achtzig Prozent der Befragten sehen zum Beispiel, dass Werbung die Zeitung preisgünstiger macht.“ Diese Krautreporter, um noch einmal darauf zurückzukommen, machen also alles falsch, wenn Sie auf Werbung verzichten? Nö, denn: „Online-Werbung wird als deutlich störender empfunden, ihre Vorteile sind in der Wahrnehmung der Nutzerinnen und Nutzer durchwegs schwächer ausgeprägt als die der Print-Werbung.“+++

+++ Und in der NZZ-Medienkolumne fragt sich Rainer Stadler diesmal, ob die Kommentare und Likes unter den Artikeln eigentlich noch von Lesern stammen, oder von Organisationen mit Agenda, auf der etwa steht, den Wladimir Putin besser dastehen zu lassen? Stadler sieht zwar ein, dass es den Medien zu viel Arbeit macht, das bei jedem einzelnen Kommentar oder Like nachzurecherchieren. „Doch was geschähe, wenn herauskäme, dass die Leserspalten der Online-Medien tatsächlich ausgiebig von Interessenorganisationen manipuliert werden? Der Image-Schaden wäre beträchtlich. Darum erstaunt es, wie wenig die Redaktionen dieser Frage bis jetzt Beachtung schenken.“

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.

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