Ab 2015 Tatort auch samstags

Ab 2015 Tatort auch samstags

Gabriel wird vom ZDF immer noch komische Sachen gefragt. Wolfgang Büchner verschafft seiner Führungsrolle beim Spiegel Ausdruck und ändert den Erscheinungstermin. Wo das mit dem Tatort noch hinführen soll. Warum Beckmann, Tschirner, Heufer-Umlauf, Schöneberger und Ulli Zelle singen.

"Oh, no, not again", könnte man anstimmen: Da hat beispielsweise Stephan Hebel in der FR es gerade geschafft, seinen Senf zum Gabriel-Slomka-Gespräch abzugeben (alles im Altpapier vom gestern), da sitzt Sigmar Gabriel schon wieder im ZDF rum und muss sich den Fragen von Bettina Schausten und Peter Frey stellen, die dort hohe Ämter bekleiden.

Was sie nicht davon abhält, das Gespräch noch einmal zu thematisieren. Morten Freidel in der FAZ:

"Sie habe den Eindruck, dass die Nerven blank gelegen hätten beim Interview mit Frau Slomka, sagte Schausten. Gabriels Antwort: 'Ich bin jetzt gar nicht so sicher bei wem von uns beiden.' Man wolle hier ja kein Interview aufarbeiten, erklärte Peter Frey noch kurioserweise, und tat dann eben das. Den Nebelkerzenrauch der vorigen Woche versuchte Frey also dadurch zu verscheuchen, dass er eine weitere Nebelkerze abfackelte, getreu dem journalistisch bestens erprobten Motto: Je länger man auf einem Standpunkt beharrt, desto wahrer wird er."

Christoph Hickmann in der Süddeutschen bringt zum Ausdruck, was offenbar eine große Sehnsucht ist, wenn er fast ein wenig enttäuscht über Gabriel schreibt:

"Er grinste dabei ziemlich gelassen, und an dieser entspannten Grundhaltung änderte sich das gesamte Interview hindurch nichts mehr. Wer auf eine Art Rückspiel gehofft hatte, wurde enttäuscht."

Ehe wir uns in sinnlosen Details verlieren: Ein Höhepunkt ist zweifellos, wenn Peter Frey bei 15.40 Gabriel Namen des künftigen Kabinetts zu entlocken versucht mit der umgemein überzeugenden Begründung:

"Aber Sie wissen doch, Herr Gabriel, in der Politik macht's einen Riesenunterschied, wer welches Amt macht und ihm den persönlichen Stempel aufdrückt."

Traurig an diesem ungelenken Seriösisierungsversuch der eigenen Neugier auf Gossip ist nun, dass Frey diesen hilflosen Satz auch noch von seinem Zettel ablesen muss – solchen einen, mit Verlaub, Quatsch schreibt der Chefredakteur des ZDF sich vorher auf, dabei geht es in der parlamentarischen Demokratie doch ums Amt und nicht um die Person wie früher bei Königs.

Gabriel hat es dementsprechend leicht, seine Pointe zu machen:

"Das glauben Journalisten."

Irgendetwas stimmt nicht, wenn Politiker Journalisten daran erinnern müssen, dass über Sachfragen zu reden ist und nicht nur über Klatsch, wie dieser Tagesschaum-Schnipsel aus der Vorwahlzeit schon bilanzierte.

[+++] "Wir wollen eine neue Ära des Miteinanders starten", ist dann allerdings ein Satz, der nicht vom Mainzer Lerchenberg kommt, sondern von der Hamburger Ericusspitze (die, wie David Hugendick unlängst bemerkte, das Elbflorenz der Branchenmetaphern ist).

Der neue Chef, Wolfgang Büchner, gibt Butter bei die Fische. Er hat dem Führungszirkel Konzepte, Ideen und Planungen vorgestellte. Der Branchendienst Meedia.de hat, darin erinnert das Meedia.de besitzende Handelsblatt, zuerst rausgefunden, dass der Spiegel 2015 samstags erscheinen wird. Zur Orientierung für schnappatmende Sekundentwitterer: 2015, das wird sein, kurz nachdem Reinhold "Beckes" Beckmanns Talkshow in der ARD eingestellt wird.

Der neue Erscheinungstag ist so neu nicht, wie man in der Süddeutschen (S. 31) aus dem Claudia-Fromme/Tieschky-Hans Leyendecker-Text erfahren kann, der mit einem kurzen Geschichte in die Geschichte des Spiegel beginnt:

"Die Zeitschrift kostete eine Reichsmark und unter der Angabe '1. Jahrgang Nr. 1' stand: 'Erscheint jeden Sonnabend'. Das sollte sich ändern. Bald war Donnerstag der Erscheinungstag und dann, lange Zeit, bis Ende 1965, der Mittwoch. Am 3. Januar 1966 erschien der Titel 'Ist das Wirtschaftswunder zu Ende?'. War es nicht. Aber es war der Anfang einer neuen Zeit. Das Heft erschien fortan am Montag. Das Hamburger Magazin warb nun mit dem Slogan: 'Montag ist Spiegel-Tag' und 'Spiegel-Leser wissen mehr'."

Was sich sonst noch ändert, versucht Christian Meier von Meedia.de in einem eigenen Beitrag zu eruieren:

"Unter dem Stichwort Recherche scheint sich das aufwändigste Projekt zu verbergen. Zahlende Nutzer sollen zu jedem Beitrag zusätzliche Informationen und Rechercheergebnisse abrufen können. Büchner soll das Prinzip intern einmal 'Eisberg' genannt haben – hinter jeder Story stecken Dokumente, Bilder, andere Infos und Materialien."

Was Stefan Winterbauer dann, immer noch auf Meedia.de, äh, volley nimmt:

"Wolfgang Büchner nun baut auf der Vorarbeit seiner Vorgänger auf, was per se nicht schlecht sein muss. Man merkt der Strategie allerdings das Bemühen an, das Heft als Umsatz- und Imageträger bloß nicht zu beschädigen."

Es wird wohl darum gehen, die Stärken zu stärken, aber nicht zu sehr. Beispielhaft für den rhetorischen Spagat ist das Fazit aus der SZ:

"Vor allem aber sollen Heft und Homepage zwar stärker zusammenarbeiten - aber weiter als getrennte Redaktionen bestehen bleiben. Ursprünglich hatte Büchner beides zusammenlegen wollen. Jedenfalls war es so verstanden worden. Eine überraschende Wende."

In der FAZ hat Michael Hanfeld hat leichtes Spiel, den luftigen Ankündigungen den Blick in den, haha, Spiegel vorzuhalten, wenn er Büchner zitierend einsteigt:

"'Ich würde mich freuen, wenn wir jetzt weniger über Risiken und Nebenwirkungen reden, sondern über die Chancen, die uns die Digitalisierung bietet.' Die allerdings hatten Büchners Vorgänger beim 'Spiegel', die Chefredakteure Mathias Müller von Blumencron (der inzwischen Chefredakteur Digitale Medien dieser Zeitung ist) und Georg Mascolo auch schon recht weitgehend ausgelotet, wenn nicht weitgehender."

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Es gibt aber nicht nur weniger oder nicht ganz interessante Kaffeesatzleserei in der Medienwelt. Barbara Nolte wirft im Tagesspiegel eine eher randständig behandelte Frage auf:

"Warum sind Moderatoren, wenn sie Musik machen, nur so schwermütig?"

Zugegeben, es ist nicht von allergrößter Relevanz, sich über singende Fernsehmoderatoren wie Reinhold Beckmann, Klaas Heufer-Umlauf, Nora Tschirner, Barbara Schöneberger oder RBB-Frontface Ulli Zelle Gedanken zu machen. Aber etwas über den Betrieb sagt's wohl auch.

"Von 'Vanity Projects' sprechen die Amerikaner: Eitelkeitsprojekte, mit denen Erfolgreiche ihr Talent auf einem anderen Feld beweisen wollen. Beckmann, der Barde, hat seine Brille abgelegt. Mit einem Gitarrengurt quer über der Brust wirbt er auf Plakaten für gleich zwei Konzerte, die er am Wochenende im 'Tipi am Kanzleramt' gegeben hat."

Merkwürdig an den musikalischen Abenteuern, und da reden wir jetzt vielleicht nicht von Beckmann, ist, dass sie diffuser ausfallen, als das mediale Image ist. Oder vielleicht ist Klaas Heufer-Umlauf eben nicht so originell, wie man glauben will, wenn man von ihm als jüngster Nachwuchshoffnung für Unterhaltungsirgendwas erzählt bekommt.

"Beckmann, Tschirner, Heufer-Umlauf – warum sind sie nur so weinerlich? Oder tun sie nur so? Heufer-Umlauf betrauert Lieben, die kriseln, und Beckmann gibt den Bukowski. Das ist besonders kokett. Man kann erfolgreichen Fernsehmenschen nicht pauschal absprechen, Sorgen zu haben. Aber müsste nicht ein aufrichtiger Titel für eine Ballade eher lauten: 'Ich verlier’ vielleicht meinen Sendeplatz'?"

Vielleicht?


Altpapierkorb

+++ Ein weiterer Aufreger, den Michael Hanfeld himself in der FAZ "verarztet", wie wir Berliner Hauptstadtmedienprofis in den Mittagspausen vom "Balken" sagen: Tatort ab 2015 auch samstags wächst weiter, Heike Makatsch "soll" (eine Pressemitteilungsformulierung von Nico Hofmann'schem Format, da ist ja auch der Wunsch Wirklichkeit) das recht junge Subformat des Event-Tatorts in Freiburg beleben. Da wurde vom SWR gerade ein Orchester gestrichen, was immer dieser Zusammenhang sagt. Bedeutet das spätrömische Dekadenz für die Traditionsreihe? Hanfeld deutet an, dass es zuviel werden könne mit den Kommissaren, andererseits hält die Reihe eben auch viel aus: "Sie können mit dem Speck nach der Schwarte schmeißen. Sie müssen sich keinen Deut um Traditionen scheren – die Reihe taugt als Passepartout für so gut wie alles, und alle schauen hin: Weniger als acht Millionen Zuseher hat kaum eine Episode, mag sie noch so mäßig sein, die besseren kommen auf zehn Millionen Zuschauer, die Filme aus Münster sogar auf mehr als zwölf Millionen." Die ARD zumindest ist leicht zu verstehen: Wenn was funktioniert, dann machen wir das doch einfach immer. Hanfeld: "Den 'Tatort' als einmaliges 'Event' zu inszenieren könnte eine Show-Umdrehung zu viel sein. Eigentlich erstaunlich, dass Christine Neubauer und Veronica Ferres noch keinen eigenen 'Tatort' haben. Und irgendwann ermittelt Bernd, das Brot." Dass es womöglich ein bisschen viel wird, zeigt sich zwischen den sogenannten Jahren: Die ARD zeigt in den zwei Wochen zwischen 22. Dezember und 5. Januar sechs Tatort-Filme. +++

+++ Ein aufschlussreiches Gespräch über Inklusion aufgrund eines 3sat-Thementages heute und anhand der Dokumentation "Jonathan" führen Lea Streisand und Dennis Meier in der TAZ, die beide mit Behinderung leben aus Sicht der Leute ohne, selbst aber verständlicherweise Schwierigkeiten haben, das eigene Leben so zu sehen: "Ich erinnere mich, wie schockiert ich mit Mitte 20 war, wenn Leute mich als behindert bezeichneten. Ich habe nicht gepeilt, dass sie es als Teil von mir begriffen." +++ Sky hat sich in Berlin wohl mit den meisten Gastwirten auf moderatere Preiserhöhungen verständigt, berichtet der Tagesspiegel: "Im Sommer hatten viele Wirte beklagt, der Sender bedrohe mit Preiserhöhungen von bis zu 90 Prozent ihre Existenz. Berliner Wirte hatten die Initiative 'Rettet den Kneipenfußball' gegründet. Sky gewährt nun Rabatte, je nach Betriebsgröße, zwischen 100 und 400 Euro. Ob alle damit zufrieden ist, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen." +++

+++ Peter Praschl stellt in der Welt das Magazin Kinfolk aus Portland, Oregon vor, dass das gute Leben emotional fasst und total ästhetisiert: "In Wahrheit ist es das Zentralorgan einer Bewegung, die das Gefühlige so überschwänglich feiert, wie es lebenserfahrenen Zynikern und etablierten Medien längst nicht mehr gelingt." +++ In der NZZ denkt Martin Hitz über den Erfolg von Buzzfeed nach: "Während der Erfolg der 'Huffington Post', zu deren Mitbegründern Jonah Peretti zählt, zumindest teilweise darauf beruht, Inhalte Dritter zu paraphrasieren oder zusammenzufassen und diese so aufzubereiten, dass sie in den Resultaten von Suchmaschinen möglichst weit oben erscheinen, will 'Buzzfeed' sich vor allem durch journalistische Eigenleistungen hervortun. 'Nichts ist viraler als Nachrichten, die sonst niemand hat', sagt Peretti. 'Geteilt' werde nicht die umgeschriebene Version eines Berichts, sondern das Original." +++ Bunte Mischung als Erfolgsmodell: Marcus Bäcker hat in der Berliner Günther Jauchs RTL-Jahresshow überlebt, deren Zynismus wohl darin besteht, dass in ihr Sachen zusammenkommen, die bei Moderators zuhause als Werte fein säuberlich getrennt würden: "Menschliche Schicksale als Rohstoff für die Primetime-Show, das kleine Bürgerkriegsopfer musste auf Bitte des Moderators Rechenaufgaben lösen und das ABC-Lied singen. Warum? Keine Ahnung, aber ja: War süß, dieses ABC-Lied, und danach kam Lukas Podolski, und kurz darauf Waldemar Hartmann." +++ In der NZZ schreibt Rainer Stadler in seiner Medienkolumne über die ZDF-Serie über Frauen und Geschichte: "Die ZDF-Initiative verdeutlicht überdies die Art, wie inzwischen Service public interpretiert wird: In den klassischen Hauptkanälen des öffentlichen Fernsehens inszeniert man die grossen Gefühle, um so Zuschauermassen anzuziehen, während die Wissbegierigeren auf die digitalen Zusatzkanäle verwiesen werden, wo sie Hintergrundinformationen abrufen können. Im Gegensatz zur SRG gibt das ZDF in seinen Doku-Fictions den Experten gar keinen Platz." +++ Zum 90. Geburtstag erinnert Mathias Bröckers in der TAZ an den 1989 gestorbenen Wolfgang Neuss: "Jedes Mal, wenn in den 80er Jahren ein 'Scheibenwischer' produziert und ausgestrahlt war, pilgerten die Beteiligten in die Neuss'sche Räucherhöhle in der Lohmeyerstraße, um sich die Kritik ihres Übermeisters anzuhören. Da hockten dann die Hildebrandts, Polts, Schneyders, Beltzs auf dem Boden, denn Möbel gab es keine, und das 'Ungeheuer von Loch Neuss' (Hildebrandt) entzündete im Schneidersitz einen seiner gewaltigen Joints und feuerte maschinengewehrartig seine Kritikpointen ab." +++

+++ Chris Howland ist gestorben. Und bekommt sehr schöne Nachrufe. Dieter Bartetzko in der FAZ (Seite 29): "... dass die Spanne zwischen unserer Euro-Krisen-Ära und dem Wirtschaftswunder, das Chris Howlands „Hämmerchen-Polka“ karikierte, so weit ist wie die zwischen Steinbeil und Computer. Trotzdem reagiert man auf den Tod des Entertainers so bestürzt, als habe  er erst unlängst seinen launigen Hit geradebrecht. Denn wie beim Ableben Paul Kuhns wird klar, dass eine Epoche endet, deren vordergründig so harmlose Unterhaltung uns und unser Land nachhaltiger geprägt hat, als wir glauben möchten." +++ Hans Hoff in der Süddeutschen: "Aus heutiger Sicht war es nachgerade brav und ein bisschen naiv, was Howland als Moderator der ARD-Schlagersendung Musik aus Studio B an kecken Bemerkungen absonderte, aber für die drögen Sechziger roch es schwer nach Revolution, vor allem auch, weil in der TV-Show Stars gastierten, die man sonst hierzulande kaum zu Gesicht bekam, weil das Fernsehen zu jener Zeit lieber Orchester präsentierte." +++ Barbara Möller in der Welt: "Als Chris Howland mit 'Musik aus Studio B.' aufhörte, ließ Harald Vock, der damalige Leiter der NDR-Fernsehunterhaltung, alle Aufzeichnungen vernichten. Es war eine Auslöschung. Ein biblischer Akt. Du bist tot, hieß das. Aber was wirklich erledigt war, war die Sendung." +++ Bodo Mrozek im TSP: "Vor ihm saß Christian Törsleff, der einige Jahre zuvor versucht hatte, die Deutschen mit anglophoner Jazz-Musik zu demokratisieren – und gescheitert war. 1953 war es an der Zeit für einen neuen Versuch, denn inzwischen hatte der deutsche Rundfunk die jungen Hörer weitgehend an die alliierten Sender verloren, die mit Swing und Jazz lockten. Törsleff willigte ein und eine der eigenwilligsten deutschen Rundfunkkarrieren nahm ihren Lauf." +++ Torsten Wahl in der Berliner: "Auf seinen schrägen Witz baute er auch als Schauspieler, etwa in den Karl-May-Filmen, wo er mal als Reporter namens 'Tuff-Tuff' aufkreuzte, mal als 'Archie, der Butler'. Seit den Siebzigerjahren war er seltener zu sehen und zu hören, er betrieb ein paar Jahre lang ein Hotel auf Mallorca und war immer wieder Gast in Shows und Fernsehserien." +++ Das Handelsblatt mit Bilderschau. +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.

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