Geschäftsidee: Medienjournalismus

Geschäftsidee: Medienjournalismus

Tom Buhrow wird im WDR kritisiert für seinen Vorschlag, Valerie Weber von Antenne Bayern zur Hörfunkdirektorin zu machen. In Sachen Christian W. will unterschieden werden zwischen der juristischen und der politischen Dimension. Michael Spreng empfiehlt Medienjournalismus zur Nachahmung. Und der "Wetten, dass..?"-Regisseur hat eine Idee, wie man die Welt retten könnte. Dazu: eine neue Sitcom mit Michael Herbig, die Abhängigkeit eines Senders vom Fußball, die Freischreiber-Preise und was "verhabert sein" bedeutet.

Wenn im Hauptprogramm des ZDF mal jemand über Medienjournalismus spricht, wie am vergangenen Dienstag, als Michael Spreng bei "Pelzig hält sich" (Minute 37) zu Gast war, muss man es wohl auch zitieren:

Michael Spreng: "Natürlich gibt's im Journalismus genauso schwarze Schafe wie im Bundestag."
Erwin Pelzig: "Wird das genügend thematisiert?"
Spreng: "Ja, gut, es gibt nicht so... Es gibt, da, wie soll man... Es fehlen, es fehlen so richtig die Journalisten, die die Journalisten kritisieren, die gibt's nicht so stark."
Pelzig: "Das wär mal a Gschäftsidee, oder?"
(Applaus.)
Spreng: "Es gibt ja die Medienseiten einiger Zeitungen, leider werden immer mehr davon eingestellt, und die anderen Medienseiten stellen meistens irgendwelche Wild-West-Filme von Sat.1 vor oder sonstwas. Das heißt, da fehlt was, da kann man mehr dran tun."

Man kann es damit nun halten wie mit Texten, die weitere Thesen zur Gegenwart und Zukunft des Journalismus auflisten, man kann es aber auch ernstnehmen und sich fragen: Was haben wir denn heute wieder zugunsten eines Textes über "Wetten, dass..?" verpasst?

Kein Wort fällt etwa auf den Medienseiten oder in den Branchendiensten heute über den "Bericht aus Berlin" der ARD, der allerdings am Sonntagabend auch spät genug lief, dass die Zeitungen schon gedruckt waren. Ab Minute 2:30 zitiert die Sendung etwa relativ unverblümt die Tageszeitung Die Welt mit der Position, die CDU sei "die neue Dagegen-Partei", versäumt aber, das Zitat auszuweisen; und der Beitrag über Personalfragen der möglichen Großen Koalition leistete (worauf Politikwissenschaftler Thorsten Faas aufmerksam machte), was sonst zurecht kritisiert wird: einen affirmativen Beitrag zur Personalisierung von Politik. Seltsame Sendung, volle Punktzahl sowohl für Seriösitätsanspruch als auch für Betriebsblindheit.

Was es gibt auf den Medienseiten, abgesehen von Sat.1-Wild-West (gibt's ja wirklich) und so, sind Nachfragen zu WDR-Intendant Tom Buhrows Entscheidung, als Hörfunkdirektorin Valerie Weber von Antenne Bayern (siehe Altpapier vom Freitag) vorzuschlagen. Hans Hoff, WDR-Fachmann der Süddeutschen, hat Buhrow dazu für die Samstagsausgabe befragt:

"Glauben Sie, dass es ein gutes Signal ist, wenn Sie jemanden wie Valerie Weber holen? Also jemanden, der fast komplett im Privatradio sozialisiert wurde?"

Die Frage umreißt das Thema grob, in seiner DWDL-Sonntagskolumne führt Hoff es aus, beginnend bei der Vorgabe der Rundfunkrats, mindestens eine Frau für Fernseh- und Hörfunkdirektion zu finden, weitergehend mit dem Problem, dass Buhrows privater Freund Jörg Schönenborn für den Fernsehbereich schon gesetzt gewesen sei, weshalb nur der Hörfunk blieb. Und endend damit, dass es "etliche Absagen"  externer Radiofrauen gegeben hätte.

"Buhrow sagt, man solle Frau Weber doch erst einmal gewähren lassen. Jeder habe eine Chance verdient. Sie werde den öffentlich-rechtlichen Anspruch schon wahren und nicht verwässern. Er sagt das mit einer Leichtigkeit, die impliziert, dass sie so großen Schaden schon nicht anrichten werde. Dabei verkennt er, dass eine Hörfunkdirektorin, die einmal für fünf Jahre gewählt ist, schwer zu stoppen ist. Man schaue sich nur mal an, welchen Flurschaden die aktuelle Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff in den Pielschen Mehltau-Jahren an der Qualität des WDR Fernsehens angerichtet hat. Natürlich weiß der Intendant, dass ihn der Rundfunkrat nicht blamieren wird, weil das in seiner Kompetenz einer Schülermitverwaltung nicht unähnliche Gremium sich dann selbst blamierte. Vor viereinhalb Monaten hat es Buhrow gerade erst als Wunderintendanten präsentiert."

Wie's halt, was man so hört, so läuft. (Blöde Frage aber: warum Frau Weber und dann nicht auch Herr Buhrow?)

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+++ Die Mediengeschichte, über die heute alle reden (alle im Sinn von: die, die nicht darüber reden, reden auch nicht darüber), ist allerdings die besondere journalistische Leistung der "Frau, bei der es sich um 'Spiegel'-Reporterin Özlem Gezer gehandelt haben könnte". Spoiler Alert: Es war Özlem Gezer. Ihre Spiegel-Geschichte über Cornelius Gurlitt, den bisher nur hier mal erblickten und dort mal erhaschten Kunstsammler von München, geht möglicherweise mit dem ersten mit dem Handy gemachten Spiegel-Titelfoto einher. Die TAZ-Zusammenfassung des Gezer-Textes ist in ihrer Respektlosigkeit zwar nicht schlecht:

"Liest man über den sperrigen Spiegel-Kitsch hinweg, bleibt ein schlanker Bericht von einem – über seine vermeintliche Pflicht, das väterliche Erbe zu bewahren – zum Sonderling gewordenen Mann, der sagt: 'Freiwillig gebe ich nichts zurück, nein, nein.'"

Dennoch kann man branchentratschtechnisch festhalten, dass der Focus seinen Vorsprung mit dem heutigen Spiegel-Scoop wohl an den Konkurrenten verloren hat.

Auf das Medienressort des Spiegels allerdings, das sonst montags die Medienseiten einiger Montagszeitungen mit Nachrichtenmaterial bestückt, ist diesmal nur bedingt Verlass. Es druckt vor allem Nachrufe auf Reporter Jürgen Leinemann von Gerhard Schröder, Wibke Bruhns, Uli Hoeneß, Klaus Brinkbäumer, Cordt Schnibben usw., denen man nur schwerlich Nachrichtenwert zuschreiben kann. Die anderen Themen dort haben keine sonderlich hohe Nachrichtenpriorität. Die relativ größte Zugkraft entwickelt – irgendetwas muss man ja als Tagesspiegel am Sonntagnachmittag aus dem Spiegel zitieren – ein Interview mit "Wetten, dass..?"-Regisseur Volker Weicker, der sich – der Ärmste – über die Kritik an der Sendung ärgert. Was der besagte Tagesspiegel und DWDL weitertragen. Weicker hat, wohlwollend gesagt, Punkte, die man diskutieren könnte, wenn sie nicht von interessierter Seite kämen ("nur Polemik"). Weniger wohlwollend gesagt, ist seine Kritik an der Kritik an der Grenze zur Lächerlichkeit. Und er macht einen konkreten Vorschlag zur Verbesserung des Diskurses, der ihm wahrscheinlich nicht einmal peinlich ist:

"Twittern nur mit der wahren Identität! Es geht nicht, dass anonym über jemanden hergezogen wird, und dann tragen das die Online-Dienste weiter, der Moderator der Morningshow liest es vor, und am nächsten Morgen um neun Uhr ist die Nation auf eine Stimmung eingenordet."

Weil Morningshow-Moderatoren Quatsch aus Twitter zitierten, müsse Twitter geändert werden, das ist dann immerhin eine Idee, die zu "Wetten, dass..?" passt. Gute Unterhaltung ist sie jedenfalls nicht.

Außerdem gibt es frische Stimmen zur wohl breitesten Journalismusdebatte der vergangenen Tage, der Wulff-Debatte. Claudius Seidl schreibt in der FAS über das "Unbehagen am Prozess gegen Christian W.". Relevant ist die Beobachtung, dass es sich um eine "Vermischung der politischen mit der juristischen Dimension der Geschichte" handle, wenn sowohl die Staatsanwaltschaft Hannover als auch die Medien nun kritisiert würden, sie gingen unverhältnismäßig mit Wulff um. Das mit der Vermischung stimmt, und weil der Unterschied zwischen der juristischen und der politischen Dimension wichtig ist, ist auch Kai Diekmanns Bild-Kommentar von vergangener Woche nicht bigott, wie manche finden: Er hat selbst eine Rolle gespielt in der Affäre, und keine rühmliche, als er Wulffs Nachricht auf seiner Mailbox an die FAS und die SZ durchstach oder -stechen ließ. Aber gerade diese Nachricht ist der Beleg, dass zwischen einer politischen und der juristischen Dimension unterschieden werden muss.

Was erstaunt, mich jedenfalls, ist nur, dass man bei der notwendigen Differenziererei nicht auch unterscheiden soll zwischen der guten und der weniger guten Arbeit von Journalisten: Seidl schreibt abfällig über "jene Medien, denen die Asche vom Haupt direkt in die Tastatur der Schreibcomputer rieselt"; auch Steffen Grimberg wunderte sich im "Zapp"-Blog dieser Tage über die Selbstkritik einiger Medien. Aber was ist falsch daran, zu sagen, dass die mediale Komposition der Wulff-Affäre aus dem Ruder gelaufen war? Die Medien – ein Begriff, der nicht einzelne Journalisten bezeichnet, sondern die Gesamtheit derer, die über die Wulff-Affäre berichteten – haben seinerzeit ihre Arbeit gemacht, und Wulff ist zurecht zurückgetreten. Aber sie haben zugleich das Maß völlig verloren. Das schließt sich doch nicht aus, oder?

Spreng: "Es fehlen die Journalisten, die die Journalisten kritisieren, die gibt's nicht so stark."

Pelzig: "Das wär mal a Gschäftsidee, oder?"

Altpapier: "Na ja, schon, aber kauft halt keiner."


ALTPAPIERKORB

+++ Die Themen der SZ-Medienseite vom Montag sind die der FAZ-Medienseite vom Samstag: die ARD-Themenwoche "Glück" und Michael Herbigs neue Sitcom "Bully macht Buddy". Herr Hoff (SZ) ist von der Themenwoche nicht sonderlich begeistert: "Glück kann auch sein, wenn man die republikweit plakatierte Themenwoche der ARD einfach mal ignoriert" +++ Oliver Jungen (FAZ) lobt allerdings, statt das Gesamtkonzept zu betrachten, die einzelne Reportage "Sowas wie Glück – Eine Reise mit Anke Engelke" (heute, 20.15 Uhr, ARD): "(E)s ist eine traumhafte, absolut sehenswerte Reportage entstanden, die zwar nur findet, was immer schon gefunden war: Glücklich macht die Gemeinschaft, das aktive Suchen, die Abwesenheit von Schmerz. Aber auch hier ist der Weg das Ziel, ein arabesk verschlungener, Assoziationen folgender Erkundungsgang durch unsere getriebene, depressionsgeneigte Gesellschaft, der in der Kinderkrebsstation der Uniklinik Essen beginnt und in der Kölner Philharmonie endet" +++ Engelke wird auch in der Samstags-SZ interviewt, und sie redet dabei über das Fernsehen: "Man kann das System bestimmt von innen heraus revolutionieren. Deswegen mache ich ja immer noch Fernsehen, weil ich herausfinden möchte, ob es anders geht (...) Na ja, dann macht man's, und sie gucken nicht" +++

+++ "Der Trick, auf den alle reinfallen: Ich betüttel die Autoren die ganze Zeit. Und dann freuen sie sich so, dass sie ihren Text noch mal gegenlesen dürfen, dass ich einen Korrektor gewonnen habe, der ganz kostenlos für mich arbeitet", habe Cicero-Textchef Georg Löwisch gesagt, als er den Freischreiber-Himmel-Preis entgegennahm, so die TAZ. So so. Der Negativpreis geht an den Bonner Generalanzeiger für ein Zeilenhonorar, von dem man sich einen Lolli kaufen kann +++ Ebd.: Bei M. DuMontSchauberg in Köln gibt es Proteste gegen drohende Kündigungen +++

+++ Die Sitcom "Bully macht Buddy" mit Michael Herbig (ab heute, 21.40 Uhr, Pro Sieben): "gute Unterhaltung", findet die SZ, aber "Bully macht Buddy soll die Zuschauer für Bullys neuen Kinofilm erwärmen. Der läuft am 25.Dezember an und heißt, genau, Buddy" +++ Die FAZ betont die Eigenständigkeit: "Bullys neuer Film 'Buddy' ist längst fertig, kommt am 25. Dezember in die Kinos und zeigt den Münchner Comedian und Filmemacher in der Rolle eines Schutzengels. Die Wartezeit kann man sich nun an sechs Montagen mit der Sitcom 'Bully macht Buddy' bei Pro Sieben vertreiben: ausdrücklich kein Marketing-Gag oder der am längsten verlängerte Trailer der Filmgeschichte, sondern ein eigenständiges Werk". Wobei sich eigenständig und PR eigentlich eher weniger ausschließen +++

+++ Österreich, die sogenannte Zeitung, hat auf den offenen Brief der Fußballer der österreichischen Nationalmannschaft (Altpapier) geantwortet: "Eines sollte man freilich doch feststellen: In unserem Land war es jahrzehntelang üblich, dass Journalisten und Spieler 'verhabert' sind, also sachlich harte Kritik nicht geübt wird. Im Gegensatz zu den Medien in Deutschland, England oder Spanien sind unsere Kicker gewohnt, von den Journalisten mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Auf Kritik reagieren sie deshalb oft wie Mimoserln" – in der Wochenend-FAZ wurde die Replik der Zeitung übrigens vom Redaktionsmitglied mit dem Kürzel löw. reportiert +++ Mehr Fußball-und-Medien in der FAZ vom Montag: Europas größter Privatsender TF1 aus Frankreich, im Besitz der WM-Übertragungsrechte, hoffe, dass sich die französische Mannschaft noch für die WM qualifiziere. Aber so oder so: "Fußballrechte sind gut für die Einschaltquoten und das Prestige. Aber nicht mehr finanzierbar". Was, wenn sich diese Erkenntnis durchsetzt, auch den Fußball verändern wird +++

+++ Der Passauer Bürgerblick, am Freitag im Altpapier zitiert, arbeitet die Geschichte um einen bayerischen SPD-Landrat etwas anders auf als andere lokale Medien und Bild: "Schmutzkampagne" heißt es da +++ Zum 80. von Larry King schreibt ihm Patrick Bahners in der FAZ eine kleine Hommage: "Der Satiriker Bill Maher fand die Formel für Kings Fragetechnik der grenzenlos wohlwollenden Gesprächseröffnung: 'Was denken Sie, Al Gore?' (...) Seine Unwissenheit hält er [also King] für sein Erfolgsgeheimnis. Erst im Studio erfährt er, wer in die Sendung kommt. Die besten Fragen fallen ihm ein, wenn er keinen Wissensvorsprung vor den Zuschauern hat. Das sieht nach amerikanischem Antiintellektualismus aus. Aber in der Demokratie muss niemand Vorkenntnisse nachweisen, um mitzureden" +++

+++ Im Fernsehen u.ä.: Der Tagesspiegel schreibt über die Forderung von Landesmedienanstalten, Scripted Reality besser als solche zu kennzeichnen +++ Die SZ schreibt im Medienseitsnaufmacher über die ersten von Amazon selbst, also im Netflix-Stil, produzierten Serien, etwa "Alpha House" mit John Goodman +++ Die FAS schrieb derweil über das Faszinierende an "Verbotene Liebe" +++ Und ebenfalls im Fernsehen: ein "Spreewaldkrimi" im ZDF (20.15 Uhr), besprochen von der FAZ +++

+++ Lustig: "So You Want To Be A Journalist" +++

Neues Altpapier gibt es am Dienstag.

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