Brutale Transparenz

Brutale Transparenz

Angela Merkels Handy. Hans-Peter Friedrichs Karrierefortgang. Lutz Marmors Transparenz-Offensive. Marvin Oppongs jahrelanges WDR-Abenteuer. Werner Kimmigs Bambi-Shows. Eine kleine Lanze für Frank Beckmann.

Als hätte Angela Merkel Sascha Lobo gelesen, der mit der in der Vorwoche selbst postulierten Unverdrossenheit (Lobo, Altpapier dazu) auch in dieser Woche in seiner SPON-Kolumne die Folgen des NSA-"Spähskandals" ins breite Bewusstsein zu heben versuchte (und u.a. "das Nichthandeln der abwiegelnden Postregierung Merkel" kritisierte), oder als hätte Steffen Seibert der Kanzlerin den Ausdruck in Abwandlung der gewohnten Reihenfolge ganz nach vorn geheftet, rief die Kanzlerin also gestern wegen ihrers Handys beim Präsidenten Barack Obama an. Diese Nachricht, also das Wiederaufflackern der in manchen klassischen Medien schon beendet gewähnten Megaaffäre um die US-amerikanische Ausspähung der übrigen Welt, zieht auch in der heutigen gedruckten Presse eine Menge Nachrichten, Berichte, Kommentare nach sich. Schließlich gehört zum guten Ton, dass alle schreiben, was alle schreiben.

Tatsächlich haben sie im Bundeskanzleramt zumindest diesen von Jacob Appelbaum mitverfassten SPON-Artikel bzw. eine, wie es darin heißt, diesbezüglich "aktuelle Spiegel-Anfrage im Zuge einer Recherche" gelesen; die offizielle "Stellungnahme voller Konjunktive" gibt's bei sueddeutsche.de.

Interessanter vielleicht als Nuancen in der hiesigen Berichterstattung, was die amerikanische Presse so berichtet. Die Washington Post etwa von "furious German officials" und davon, dass Merkel "an angry ally" sei, "since the extent of the American surveillance program was disclosed several months ago". Vielleicht, hoffentlich kam sie, Angie, international angrier rüber als hierzulande. Auch die in den meisten Berichten semantische Feinanalyse der Tempora kommt vor:

"White House Press Secretary Jay Carney told reporters that Obama told Merkel during the phone call - initiated by the German chancellor - that the United States 'is not monitoring and will not monitor' her phone conversations. Asked whether the statement left open the possibility that the NSA has swept up Merkel's calls in the past, Carney said he did not have an answer to that question."

Schaut man doch auf deutsche Nuancen, fällt wieder einmal auf, wie beinhart das Politikressort der FAZ kein Problem erkennt (heute enthält es nichts außer der 31-zeiligen Titelseitenmeldung "Merkels Handy möglicherweise abgehört"), wahrend das Feuilleton viel weiter hinten täglich lange Artikel dazu enthält, und auch heute einen, der wie die Faust aufs Auge passt, obwohl er den tagesaktuell exakten Anlass gar nicht kannte. Auf S. 27 sind Merkel und Obama beim Dinieren zu sehen, und im das Foto umfließenden Text appelliert das deutsch-amerikanische Duo Georg Mascolo und Ben Scott: "Gebt uns unser Grundrecht auf Privatsphäre zurück/ Der durch die Abhöraktionen der NSA angerichtete Schaden kann nur behoben werden, wenn Europa und Amerika wieder als das handeln, was sie sind: als Verbündete..." Unten drunter informiert die FAZ: "Dieser Text fasst die Schlussfolgerungen eines umfassenden Berichts zusammen, der am heutigen Donnerstag von zwei amerikanischen Think Tanks - Woodrow Wilson und New America Foundation - veröffentlicht wird." Dieser Text ist aber auch so angelegt ("Stellen wir uns für einen Moment vor, jede über das Internet verschickte Mail, jedes Dokument wäre ein Brief. Was würde mit ihm geschehen auf seiner Reise durch die blitzschnellen Glasfaserverbindungen, die die Welt umspannen?..."), dass auch Entscheider vom Kaliber eines Hans-Peter Friedrich etwas damit anfangen könnten. 

Apropos: "Wer verhandelt die Netzpolitik der Großen Koalition?" Zu dieser Frage hat Markus Beckedahl bei netzpolitik.org gestern, noch bevor die Merkel-Handy-News herumging, eine Übersicht zusammengestellt. Friedrich bleibt offensichtlich dabei:

"Und dann gibt es die Arbeitsgruppe Inneres und Justiz, die von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und wahrscheinlich von SPD-Seite der Parlamentarische Geschäftsführer Thomas Oppermann geleitet werden soll. Hier werden alle Überwachungsrelevanten Themen diskutiert, von Vorratsdatenspeicherung bis zu der Frage, ob man denn jetzt die 'millionenfache Grundrechtsverletzung' durch ausländische Geheimdienste aufklären möchte, was die SPD im Wahlkampf gefordert hat, oder nicht, was die CDU/CSU versprochen hat."

Was zur Spähaffäre dann noch auffällt: ein relativ pragmatischer Kommentar von Javier Cáceres, der ebenfalls nicht wegen Merkels Handy, sondern wegen des zuvor am Mittwoch vorm Europaparlament verhandelten und vorerst abgelehnten Swift-Abkommens nicht gleich wieder die Forderung nach einem europäisches Google erhebt, aber doch fordert, die Infrastruktur-Abhängigkeit vom datenkapitalistisch-militärischen Komplex der USA zu mindern oder zumindest nicht noch krasser werden zu lassen:

"Aus datenschutzrechtlicher Sicht bleibt nur zu hoffen, dass die Staats- und Regierungschefs der europäischen digitalen Wirtschaft einen spürbaren Impuls verleihen. Vor allem muss die Europäische 'Cloud' endlich Realität werden, ein eigener europäischer Datenspeicherplatz."

Woraus man, übelmeinend, der SZ fast schon wieder einen kleinen Strick drehen könnte; enthält sie doch heute auf Doppelseite 24/ 25 (nur durch die Todesanzeigen von der Medienseite geschieden) eine "Anzeigensonderveröffentlichung" zum Thema "Cloud-Computing". Den braucht man aber nicht zu drehen, schon weil Cáceres' in Brüssel geschriebener, online erschienener Kommentar in der gedruckten Zeitung gar nicht steht.

[+++] Harter Schnitt. Brutale Transparenz. Zumindest verblüffte der auch nicht unkompliziert strukturierte Komplex der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) gestern mit einem Vorstoß. Bzw.:

"Was die ARD mit dem #Rundfunkbeitrag macht? Wir zeigen es euch... @OpenARDZDF #Transparenz #ARDinZahlen"

Tatsächlich, nachdem der amtierende ARD-Vorsitzende Lutz Marmor schon ziemlich oft ziemlich allgemein von Transparenz geredet hat, die im Besonderen dann doch unterblieb, überraschen die cent-genauen Angaben, die ard.de hier mit Grafik und Glossar sowie in einer mit lächelnden Mitarbeiterinnen und Fußballerbeinen ansprechend illustrierten Aufschlüsselung nach Programmgenres und Ressorts nun bereitstellt. Der EPD (BLZ) fasst so zusammen:

"... Für Talksendungen zahlt der einzelne Beitragszahler zehn Cent pro Monat, für 'Tatort' und 'Polizeiruf' 15 Cent. Pro Jahr wendet die ARD nach dieser Rechnung 62,25 Millionen Euro für ihre Sonntagabend-Krimis im Ersten auf. 4,32 Euro werden pro Monat für die Gemeinschaftsaufgaben der ARD aufgewendet, 8,49 Euro fließen durchschnittlich an die insgesamt neun Landesrundfunkanstalten..."

Usw. Und die Medienredakteure waren so überrascht, dass sie den Inhalt online ungefähr genauso zusammenfassen (kress.de, dwdl.de verweist aufs eigene Marmor-Transparenz-Interview, meedia.de hebt hervor, wieviel teurer "die Klangkörper (Orchester)" im Vergleich zu den Sonntagskrimis seien) bzw. in den Zeitungen bloß die EPD-Meldung bringen (auch SZ, FAZ). "Die Berechnungen der ARD beziehen sich auf die Jahre 2011 und 2012. Die angegebenen Werte sind Durchschnittswerte und können je nach Landesrundfunkanstalt variieren", fügt der Tsp. hinzu. Den Michael-Hanfeld-Kommentar, demzufolge die ARD verschweigt, was genau ihre selbstständigen Subunternehmer wie etwa die ihre eigenen Shows produzierenden Talker und Talkladies verdienen, aber gibt's heute noch gar nicht.

####LINKS####

[+++] Doch den Eindruck, im teuren öffentlich-rechtlichen Rundfunk sei alles transparent, konterkarieren manche Zeitungen. Allen voran Hanfelds FAZ-Medienseite, die heute mit der großen Marvin Oppong-Reportage "Wie ich einmal vom WDR Auskunft haben wollte/ Die Geschichte einer Recherche-Odyssee" aufmacht, illustriert von einem tollen Architektur-Avantgarde-Foto (diesem ungefähr) der WDR-Arkaden in der Kölner Innensstadt. Die Reportage selbst ist so groß, dass sie mit den Worten schließt: "Ihnen raucht der Kopf? Mir auch. Sieben Jahre hat die Recherche gedauert. Doch ich möchte sagen: Es hat sich gelohnt. Vielleicht bekommen andere jetzt etwas schneller und umfassend Auskunft vom Westdeutschen Rundfunk."

Was zuvor darin passiert: Oppong beschreibt in ich-Form, wie er anno 2006 auf der Webseite des WDR-Rundfunkrats auf den Lebenslauf von dessen Mitglieder Horst Schröder stieß, der (noch immer Rundfunkratsmitglied ist und) damals angab, "seit 1998 'Medienberater für Banken und Medienunternehmen'" zu sein. Daraufhin wollte Oppong wissen, für welche Unternehmen genau und ob diese Geschäftsbeziehungen zum WDR unterhalten, und begann damit, Anfragen an den WDR zu stellen. Wie es weiterging, haben regelmäßige Medienbeobachter schon mancherorts mitbekommen haben, z.B. in seinem "Blog zur WDR-Klage", und hat Oppong nun also durchaus instruktiv für die heutige FAZ zusammengefasst. Die Auflösung:

"Doch - heureka - wir schreiben den Sommer 2013, und ich bekomme Antwort. Die 2006 begehrte Auskunft des WDR liegt mir vor. Und sie fällt überraschend aus: Zwar war Horst Schröder nicht für den WDR geschäftlich tätig, doch hat der WDR zahlreiche Aufträge an Firmen vergeben, die Verbindungen zu anderen Rundfunkräten aufweisen. Laut WDR gab es in dem von mir angefragten Zeitraum 2002 bis 2006 zum Beispiel 'jährlich' Zahlungen für Stromlieferungen von 6,8 Millionen Euro an den Kölner Stromversorger Rheinenergie AG. Gleichzeitig gehört der CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul sowohl dem WDR-Rundfunkrat als auch dem Aufsichtsrat von Rheinenergie an."

Der Umstand, dass wir am 24. Oktober eigentlich nicht mehr den Sommer 2013 schreiben, könnte darauf hindeuten, dass der lange Text länger bei der FAZ herumgelegen hat und vielleicht gerade deswegen heute erschien, weil er die ARD-Transparenzoffensive konterkariert oder relativiert. Was natürlich nicht gegen den Text spricht.

[+++] Auf andere, ebenfalls legitime Weise, relativiert sie die Berliner Zeitung. Dort erläutert Ulrike Simon noch mal das "undurchsichtige System der Geldbeschaffung", das der frühere MDR-Unterhaltungschef Udo Foht einst betrieben hat, und zwar aus dem aktuellen Anlass des "Strafbefehls in unbekannter Höhe", der nun aus Foht-Gründen gegen den Fernsehproduzenten Werner Kimmig erlassen oder zumindest beantragt worden ist. Ursprünglich stammt die News, wie Simon auch schreibt, aus der Stuttgarter Zeitung, die im baden-württembergischen Oberkirch offenbar Kimmigs Lokalzeitung ist. Folglich berichtete diese gestern (auf dem Onlinefoto Kimmig dabei leicht grimmig vor einer Menge Goldener Schallplatten zeigend):

"Vier Jahrzehnte ist Kimmig inzwischen im Unterhaltungsgeschäft, mit Produktionen wie 'Verstehen Sie Spaß', 'Immer wieder sonntags' oder der Bambi-Verleihung gehört er zu den Schwergewichten der Branche. Jedes Jahr liefert seine Kimmig Entertainment GmbH bis zu 130 Sendungen für öffentlich-rechtliche und private Sender. Natürlich habe er auch Fehler gemacht, gestand Kimmig im Rückblick. 'Aber ich bereue sie nicht länger als 24 Stunden.' Nun wird der Produzent von einem möglichen Fehler eingeholt, der ihn länger beschäftigen dürfte..."  

Ein Update unter der Onlineversion des Stuttgarter Artikels informiert dann:

"Der Beitrag wurde am 23. Oktober um 15.25 Uhr aktualisiert, nachdem das Amtsgericht Leipzig frühere Angaben gegenüber der Stuttgarter Zeitung korrigiert hatte. Der Strafbefehl sei bisher nur beantragt, aber noch nicht erlassen worden, und werde derzeit geprüft, erklärte ein Gerichtssprecher. "

In der BLZ ist indes noch vom "erlassenen" Strafbefehl die Rede. Andererseits hat Simon im Impressum von kimmig-entertainment.de gesehen, dass inzwischen Werner, sondern Ursula Kimmig die Geschäfte führt, wovon die Stuttgarter wiederum nichts schreiben. Interessanter und auch aktuell: die zumindest noch guten Geschäfte der Kimmigs. Im November gehört dazu traditionell die bereits auf 135 Minuten angesetzte Bambi-Verleihung im sog. Ersten (am Tag nach der "Tribute-to-Bambi-Gala" ebenfalls um 20.15 Uhr im MDR-Fernsehen).

So etwas, wieviel Cent im November Gebührenzahler für Burda-Bambi-Shows gezahlt haben werden, könnte etwas sein, das die ARD in künftigen Transparenz-Offensive-Vorstößen noch offenlegen könnte.
 


Altpapierkorb

+++ Die TAZ-Medienseite konter-konterkariert sozusagen Öffentlich-Rechtlichen-Kritik. Zumindest bricht Altpapier-Autor René Martens eine kleine Lanze für den häufig, vor allem im MDR/ Kika-Zusammenhängen kritisierten NDR Programmdirektor Frank Beckmann (siehe z.B. dieses Altpapier). Der Quoten-Erfolg des von Beckmann verantworteten Dritten NDR-Fernsehprogramms beruhe "keineswegs nur auf den für sämtliche Dritten so typischen Sendungen für Seniorenheimbewohner. In Beckmanns Amtszeit entstanden etwa die Dokureihe '45 Min' und der Politmagazinableger 'Panorama 3'. Außerdem ist unter seiner Ägide beim NDR das 'Team Recherche' entstanden, eine redaktionsübergreifend arbeitende Gruppe, die bei größeren Themen mit der Süddeutschen Zeitung kooperiert." Außerdem "dürften" die 30.000 Euro, durch deren Zahlung Beckmann die Einstellung eines Verfahrens der Staatsanwaltschaft Erfurt gegen ihn erwirkte, "für Familie Beckmann allerdings kein kleiner Brocken sein. Der Vergleich mag hergeholt klingen, aber Exbundespräsident Wulff hat im Frühjahr den Deal ausgeschlagen, gegen die Zahlung von 20.000 Euro das Verfahren gegen ihn einzustellen." +++

+++ Hubert Burda, eben oben erwähnt, "kritisierte, dass Google in Europa kaum Steuern zahlt. So könne man nicht zu gleichen Bedingungen gegeneinander antreten. 'Wir haben alle weniger Geld, weil die anderen Steuern nicht bezahlen', sagte er. Zudem attackiere das Angebot von ARD und ZDF die freie Presse. 'Die Gefräßigkeit der öffentlich-rechtlichen Sender ist gewaltig', sagte Burda" - und unterstrich damit vermutlich die hier eben erhobene Forderung. Das Zitat stammt aus dem FAZ-Wirtschafts-Bericht (S. 14) vom Verlegergipfel "Publisher's Summit" in Berlin, der (übrigens die G+J-Vorstandsvorsitzende "Julia Jäckel" nennt,) aber auch ein Bonbon für Papier-Verleger bereit hält: "Der Handelskonzern Edeka will seine bisher überschaubaren Online-Ausgaben zurückfahren und stärker in Zeitschriften werben. Deren Läden spüren direkt, wenn gedruckte Werbung fehlt. 'Wenn wir keine Anzeigen mehr schalten, machen wir in der Woche 10 Prozent weniger Umsatz', sagte der Vorstandsvorsitzende Markus Mosa." +++ "Blaue Augen, furchtloser Blick – Chefredakteure im Angriffsmodus" - so die Überschrift des Tagesspiegel-Berichts vom Podium der "fünf Print-Schwergewichte" ebd. Blaue Augen bezieht sich nicht darauf, wie gut die Chefredakteure aussahen (was sie taten, wie das Foto belegt), sondern darauf, dass man sich solche manchmal holen sollte, wenn man an seine Geschichten glaubt. Ein Begriff, den man sich merken könnte: "Zerweiterung" (Spiegels Wolfgang Büchner wohl über das, was andere "Markenfamilie" nennen würden). +++ "Konkrete Beispiele für Überschreitungen und Konformitäten in der Branche", von denen außerdem geredet wurde, nannten leider weder Büchner noch Giovanni di Lorenzo (meedia.de). "Die fünf Print-Schwergewichte wechselten zwischen Beobachtung von der Metaebene und dem Plaudern aus dem Nähkästchen" (kress.de also), "die positive Auflagenentwicklung der Wochenzeitung sei darauf zurückzuführen, dass man in der Redaktion und im Verlag 'tief in den Abgrund' geschaut habe, um hauseigene Fehler auszumachen", sagte di Lorenzo auf dem Verlegergipfel. +++

+++ "Was Leser bei Nachfrage einfordern ('Qualität', 'journalistische Tiefe', 'Wahrheitsgehalt'), entspricht nicht dem, womit sie sich in einer freien Minute locken lassen (Gerüchte, Boulevard, schlüpfrige Überschriften, Listen mit Katzenfotos)", "Viele Texte werden nur deshalb publiziert, weil Redaktionen ihre Publikationsquoten und damit verbundenen Seitenaufrufe erreichen wollen". ... "Niemand weiß wirklich, wie es weitergeht" (drei von zehn Sätzen, in die Martin Weigert von netzwertig.com bemerkenswert konzise die aktuelle Journalismuskrise fasst).+++

+++ "Mag Oberspringer Mathias Döpfner mit dem Selbstbewusstsein des Agendasetters die baldige Querfinanzierung journalistischer Arbeit prognostizieren - 'Das frühere Randgeschäft wird das Kerngeschäft' -, hier wird eine alternative Route aus der Printkrise gesucht", so schwungvoll lobt Moritz Scheper in der TAZ das Architekturmagazin Arch+, das "sich immer wieder neu (erfindet): mal Monografie, mal Katalog". +++

+++ Nachklang zur gestern hier erwähnten NDR-Kritik an einer Stefan-Aust-Reportage über Aserbeidschan: "Dieselbe Kritik könnte der NDR übrigens an seine eigene Berichterstattung über den Song Contest in Baku anlegen, dort ist auch nicht in jeder Übertragung auf Menschenrechtsverletzungen hingewiesen worden", sagte der ehemalige Spiegel-Chef zu meedia.de. +++ Doch "bleibt also in jedem Fall ein fader Beigeschmack", schließt dwdl.de eine Betrachtung der Verwertungsketten, mit denen Aust als TV-Produzent nun arbeitet. +++

+++ "Hört man sich im Umfeld der Redaktionen um, scheint 'Widerstand' allerdings ein zu dramatisches Wort zu sein" (Stefan Kuzmany bei SPON über die Neon/ Nido-Umzugs-Frage). +++

+++ "Eine verwilderte Brachlandschaft beim Berliner Ostbahnhof. Wo der Asphalt endet, schauen sandiger Boden und Gras in den Himmel. Drahtzäune umstellen eine Fabrikruine aus Backstein. Im analogzeitlichen Westdeutschland waren solche Orte beliebt als Proberäume für brotlose Bands, als improvisierte Unterkünfte der Subkultur. Hier, im Berlin des Jahres 2013, hat jemand mitten im Bauch der Ruine ein nagelneues Raumschiff landen lassen, in dem der TV-Sender Joiz sitzt", leitet Claudia Tieschky ihre Reportage über diesen Sender ein. Die Onlinefassung bei jetzt.de zeigt bloß ein ödes Foto der sog. o2Arena. Die Idee für den Online-Sender sei dem Schweizer Gründer Alexander Mazzara in den USA gekommen: 2008 nahm er "eine Auszeit und ging für fünf Monate nach Silicon Valley. 'Da war mir eigentlich dann klar, dass Online und TV zusammenschmelzen und auch Facebook und Apple mehr in Richtung Video gehen, und dass das eigentlich eine Riesenchance ist, selber was zu machen.' Am Tag nach seiner Rückkehr kündigte Mazzara..." +++ Susanne Lang war für SPON auch da. +++ So wie "FEMEN-Aktivistinnen: 'Feminismus ist für jeden da!'" und "Gewinne mit SEAT einen Testdrive in Barcelona!" gleichrangig nebeneinander stehen, wirkt die joiz.de-Seite ziemlich HuP-artig. +++

+++ "Kunden wie Nokia, der deutsche Sparkassenverband und IBM haben sich bereits für die 'Huffington Post' Deutschland als Werbeplattform entschieden", schreibt kress.de zum natürlich positiven Zwischenfazit des deutschen HuP-Vermarkters Tomorrow Focus. +++ Gewisse Diskrepanzen (Matthias Daniel via Twitter: "Die #huffpostde spricht von 'bis zu 300.000 Visits pro Tag'. Laut Website hat der meistgelesene Blogbeitrag heute bis jetzt 1.715 Views") erklären sich vermutlich dadurch, dass den meisten Klickern die Startseite ausreicht (Dorin Popa via Twitter). +++

+++ Außerdem auf der SZ-Medienseite: "das Ende eines Stücks Fernsehgeschichte", nämlich des "Wer wird Millionär?"-Originals. +++ Die Autorenkrise vor allem der englischsprachigen Wikipedia: "Eine Studie, die vor Kurzem im Fachjournal American Behavioral Scientist erschien, erklärt den Aktivitätsrückgang so: Die erfahrenen Autoren wollen Schaden vorbeugen, den unerfahrene User verursachen, und lassen deshalb deren Beiträge häufig nicht zu. Jeder Neuling steht also nicht nur der ungewohnten Benutzeroberfläche gegenüber, sondern auch umfassenden Regeln und Kontrollmechanismen der Wikipedia-Community. ... Die Folge ist, dass sich der Nachwuchs in der Hierarchie nicht durchsetzen kann und deshalb längerfristig außen vor bleibt." +++

+++ Ruft ein europäischer Staatenlenker ärgerlich bei Obama an, ruft gleich noch einer an. Soll eine erzählerisch ambitionierte Fernsehserie über das Berlin der 1920er Jahre produziert werden, soll gleich noch eine produziert werden: "Der Regisseur Tom Tykwer und sein Kompagnon Stefan Arndt von der Produktionsfirma X-Filme Creative Pool wollen eine Fernsehserie in Angriff nehmen, von der sie sich internationalen Zuspruch erhoffen: 'Babylon Berlin' fußt auf den im Berlin der zwanziger Jahren angesiedelten Kriminalromanen von Volker Kutscher", meldet exklusiv die FAZ. "Stelle sich die Produktion in die Nachfolge von Serien wie 'The Wire', 'Mad Men', 'Breaking Bad', 'Six Feet Under' und 'Boardwalk Empire', sei dies 'genau das, was ich mir für diesen Stoff immer gewünscht habe'", wird Tykwer zitiert. +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.
 

weitere Blogs

In einer Kirche hängt links neben dem Altar ein Schild mit der dreisprachigen Aufschrift No pasar - Überholverbot - no passing
In Spanien gibt es ein Überholverbot am Altar.
G*tt ist Körper geworden. Was für eine Gedanke! Birgit Mattausch geht ihm nach.
Heute erscheint der sechste und vorerst letzte Beitrag unserer Themenreihe Polyamorie. Katharina Payk fragt: Wo kommt Polyamorie im Kontext von Kirche und Pfarrgemeinde vor?