Kaum sind so viele Texte darüber gedruckt worden, dass man ein Buch damit füllen könnte – schon läuft Götz Georges Dokufiktion "George" über seinen Vater im Fernsehen. Wir waren mal im Zeitungsarchiv... Außerdem: Kurt Krömer bewirbt seine Show, indem er Matthias Matussek einlädt. Ein Abgesang auf die Village Voice. Die Zukunft eines Berliner Stadtmagazins. Und Journalisten-Tarifverhandlungen.
Mindestens 200.000 Zeichen wurden bislang anlässlich der Ausstrahlung des Fernsehfilms "George" geschrieben, die Agenturmeldungen und alles, was nicht in einem Printarchiv gelandet ist, nicht eingerechnet. Man könnte also locker ein Buch füllen mit den Reportagen, Vorberichten, Kritiken und Interviews, und man hätte Schwierigkeiten, es auf einer Zugfahrt zu lesen. Im Vergleich zu "Unsere Mütter, unsere Väter", ebenfalls eine Teamworx-Produktion, segelte "George" also zwar regelrecht unter dem Radar durch, aber man kann trotzdem sagen, dass es möglich ist, sich einigermaßen informiert zu fühlen.
Am gestrigen Sonntag erschienen in Welt am Sonntag und Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung noch einmal ausführliche Kritiken und jeweils auch Interviews mit Götz George, der in "George" nicht nur als Sohn herumläuft, sondern auch seinen Vater Heinrich spielt. Man kann aber sagen, dass die "George"-Feierlichkeiten tendenziell beendet sind, seit zu den großen Themenaufbereitungen, Drehberichten und Familienporträts auch Rezensionen kommen. Sehr gelungen findet den Film Nikolaus von Festenberg im Tagesspiegel, aber zum Teil fallen die Kritiken wenig euphorisch aus. Angefangen mit der Stuttgarter Zeitung, deren Rezensent seine Kritik zum 1. Juli, nach dem Filmfest in Ludwigshafen, schrieb ("Dass Götz George in den Spielszenen seinen eigenen Vater spielt, erweist sich wegen der markanten Unterschiede der beiden in Aussehen und Sprechweise ... als weiteres Manko eines konventionell inszenierten Fernsehdramas"), weitergehend mit Ekkehard Knörers Einordnung des Films im Freitag (Disclosure: an deren Entstehung ich redaktionell beteiligt war), endend heute mit dem Verriss Hans Hoffs in seiner DWDL-Kolumne ("Götz röchelt, heisert und nuschelt sich durch die Szenen. Ohne eine besondere Variation im Ausdruck bleibt er immer der Götz George, der sich bemüht, jemand anders zu sein"). Der Film-PR kann man dennoch gratulieren: Los ging die Berichterstattung mit mehreren Meldungen im September 2012, im 17. Oktober gab es in ausgewählten Medien längere Reportagen vom Set, Mitte/Ende Juni 2013 kamen die ersten Ausstrahlungshinweise und vor allem erste Großinterviews mit Götz George, die jeweils neue Nachrichten abwarfen, und schubweise wurde die Berichterstattung bis zur heutigen Erstausstrahlung verlängert.
Was bisher geschah, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
- TAZ, 22. Juli, Seite 17, "Im Dienste der Macht", 5999 Zeichen
- TAZ, 22. Juli, Seite 18, "Ehre sei dem Vater", 3981 Zeichen
- Welt am Sonntag, 21. Juli, Seite 11, "Diese Georges – eine schrecklich nette Familie", 6930 Zeichen
- Welt am Sonntag, 21. Juli, Seite 42, "Die Fallhöhe ist riesig", Interview mit Götz George 14.099 Zeichen
- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21. Juli, Seite 43, "Der unsichtbare Dritte", 9507 Zeichen
- Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 21. Juli, Seite 45, "Ich bin jetzt ein freier Mensch", Interview mit Götz George, 17347 Zeichen (plus Infobox "Vater, Mutter, Sohn: Die Schauspielerfamilie George", 1592 Zeichen)
- Bild am Sonntag, 21. Juli, Seite 12, "Götz, ich umarme dich!", 1088 Zeichen
- Tagesspiegel, 21. Juli, "Götz George spielt seinen Vater" (Onlinefassung); 8194 Zeichen
- Hamburger Abendblatt, 20. Juli, Seite 1, "Sohn spielt Vater", 1263 Zeichen
- Hamburger Abendblatt, 20. Juli, Seite 26, "Ein Pakt mit dem Teufel", 6763 Zeichen
- Frankfurter Neue Presse, 20. Juli, Kulturseite 1, "Spielen, nur spielen!", 12240 Zeichen
- Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19. Juli, Seite 43, "Endgültige Wahrheit kann sehr vorläufig sein", 10471 Zeichen
- Bild der Frau, 19. Juli, Seite 77, "Happy Birthday, Schimi!", 947 Zeichen
- Der Freitag, 18. Juli, Seite 18, "Er wollte nur spielen", 7992 Zeichen
- Stern, 18. Juli, Seite 34, "Menschlich nicht fair", 895 Zeichen
- Bunte, 18. Juli, Seite 86, "Ein sehr prominenter VATER-SOHN-Konflikt", 3384 Zeichen (inklusive Glückwunsch zum 75. Geburtstag am 23. Juli von Christiane Hörbiger, Veronica Ferres und Nico Hofmann)
- Süddeutsche Zeitung, 13. Juli, Seite 3, "Lebenswerk", 18152 Zeichen
- Die Zeit, 11. Juli, Seite 39, "Das Leben ist schön", 9887 Zeichen
- Tagesspiegel, 5. Juli, "Wir leben in einer leeren Zeit", 2374 Zeichen
- Berliner Zeitung, 3. Juli, "George – ein deutsches Schicksal", 1856 Zeichen
- TV Spielfilm, 3. Juli, "Mein Vater wird immer der Größte sein", Interview mit Götz George, 11769 Zeichen
- Stern, 27. Juni, "Ich will den Vater schützen", Interview mit Götz George, 15068 Zeichen (plus Infokasten, 1653 Zeichen)
- Spiegel, 24. Juni, Seite 112, "Man muss den Tod zulassen", Interview mit Götz George, 13159 Zeichen
- Welt, 22. Juni, "Die Rolle seines Lebens", 8618 Zeichen
- Tagesspiegel, 12. Juni, "Götz George spielt seinen Vater Heinrich George" (Onlinefassung), 1979 Zeichen
- Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Oktober 2012, "Ich interpretiere ihn nicht, das wäre unwürdig" (Onlinefassung), 6607 Zeichen
- Süddeutsche Zeitung, 17. Oktober 2012, "In den Schuhen seines Vaters" (Onlinefassung), 7435 Zeichen
Hinzu kommen die Artikel im Internet. Da wäre etwa dieser, der da, jener, dieser, da noch einer, und hier ist einer, da auch, dann hätten wir den und den da und den hier und natürlich den, außerdem diesen, jenen dort, diesen, den da und den da, natürlich den, diesen, jenen, diesen überraschenden da, das da, nicht zu vergessen diesen, diesen, jenen, den folgenden, den da, den hier, dort ist auch noch einer, dann hier einer, wo noch? ach ja, hier, ach, da auch?, den sollten wir wahrlich nicht vergessen, ebenso wenig den, der muss wirklich noch mit, dann gäbe es diesen, diesen, den hier, den sowie natürlich diesen und jenen. Um nur einige wenige zu verlinken. Meistgeschriebener Satz der vergangenen vier Wochen dürfte der sein: "George" läuft am Montag, 22. Juli, um 20.15 Uhr auf Arte und am Mittwoch, 24. Juli, um 21.45 Uhr in der ARD. Insgesamt also: Viele gute Texte, aber das Thema ist kein Fall für die Initiative Nachrichtenaufklärung.
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+++ Eines der nächstgrößeren Medienmedienthemen, rein aufkommenstechnisch betrachtet, sieht man vom Querschnittsthema digitale Überwachung/Spionage ab, dem zum Beispiel Der Spiegel den dritten Titel in vier Wochen widmet, ist Kurt Krömers toller Trick, die neue Staffel seiner "Late Night Show" ins Gespräch zu bringen: Er hat Matthias Matussek bei einer Live-Aufzeichnung ein "hinterfotziges Arschloch" und "Puffgänger" genannt, wogegen der sich wehre und womöglich auch juristisch wehren wolle, wie es heißt; und wenn zwei so Leute sich streiten, wird die Quote am Ende selten schlechter. Ob Matussek gute Karten hat, aus der Sendung geschnitten zu werden, wird vielleicht davon abhängen, ob er so gut im Sender vernetzt ist wie seinerzeit Cherno Jobatey, der die Ausstrahlung einer "Zimmer frei"-Folge für längere Zeit verhindert hat. Besonders viele Verteidiger in den berichtenden Medien hat er erstmal nicht. Krömers Verteidigungslinie, dessen Anwalt (Christian Schertz) im ziemlich neutral zusammenfassenden Tagesspiegel zitiert ist, ist diese:
"Der Dialog auf der Bühne zwischen Matussek und Krömer ist von der Kunst- und Satirefreiheit gedeckt und muss als Ganzes betrachtet werden. Da kann man nicht einzelne Passagen herausschneiden".
Und dass Henryk M. Broder in der Welt nicht nach Zensur verlangt, davon muss man vielleicht auch nicht überrascht sein, das ist ja nun nicht seine Art. Er findet es "uncool"; sich hinterher zu beschweren. Überraschend auch nur für alle, die keine Autorenzeilen lesen, ist, dass Broder auch diese Geschichte nutzt, um ein paar seiner weiteren immerwährenden Kämpfe auszufechten, etwa mit Leuten, die den Klimawandel nicht anzweifeln, obwohl er ihnen ja womöglich gar nichts bringt:
"Während der soziokulturelle Mainstream, also die Volksgemeinschaft der 'kritischen Intellektuellen', an den Klimawandel glaubt und die Energiewende predigt, hält Matussek an seinem christlichen Glauben fest".
Und apropos, was ja auch auffällt: Während manche Leute gerne Kaffee trinken, spielen andere gerne Fußball.
+++ Nicht weniger wichtig sind die Verschiebungen auf dem Printmarkt, und da gäbe es welche in den USA und in Deutschland, die heute Thema sind. Von Willi Winkler steht zunächst einmal ein Abgesang auf die Village Voice, "(d)ie Heimstatt der Irren und Genies, der spinnerten Fachleute und Eiferer", in der Süddeutschen:
"Die neuen Eigentümer haben zwar den Nimbus gekauft, aber sie fürchten offenbar nichts mehr als das bohemistische Flair. Das Blatt soll nicht mehr anstößig sein, sondern vor allem den Anzeigenverkauf nicht behindern. Die Verleger versprechen, dafür zu sorgen, dass sich die Zeitung weiter trägt, aber dafür soll sie sich 'besser den langfristigen Geschäfts- und redaktionellen Interessen des Gesamtunternehmens anpassen'. Deshalb wurden legendäre Autoren wie der Filmkritiker J. Hoberman und der Klatschfeuilletonist Michael Musto entlassen. An ihrer Stelle werden Leichtlohnkräfte für die 'dynamische Ausgeh-Kultur New Yorks' gesucht. Gesegneten Appetit aber auch!"
Und dass der Berliner Verlag, der zu M. DuMont Schauberg gehört, sein Stadtmagazin Tip verkauft, ist zunächst einmal eine Berliner Geschichte; überregional interessant wird sie vor dem Hintergrund der Spargeschichte, die der Verlag seit Jahren erlebt. Erst dieser Tage waren bei der Berliner Zeitung Abfindungen ausgelobt und angenommen worden (Altpapier), nun also "kehrt DuMont" weiter "durch" (Horizont). Dass der Besen nicht mal kaputtgeht, bei dem ganzen Zeug, das der schon weggekehrt hat – auch interessant.
Dass Stadtmagazine nicht das leichteste Geschäft sind, leuchtet ein; das Kinoprogramm steht halt nun mal auch im Internet. Andererseits: Das Fernsehprogramm steht da auch, und die Fernsehzeitschriften existieren trotzdem wie verrückt. Dass der Raufeld Verlag des ehemaligen Berliner-Zeitungs-Redakteurs Jens Lohwieser den Tip übernimmt, macht die Lage für das Magazin wohl kaum schlechter – Lohwieser verspricht jedenfalls ein "Ende des Sparkurses" (Berliner Morgenpost) und plant laut Spiegel Online, statt Terminkalender abzudrucken solle Tip künftig auch stadtpolitische Themen beinhalten. Einen Versuch wird es wert sein.
+++ Eine völlig verrückte, aber absolut vorzügliche Idee hat Zeit Online: eine werktägliche Morgenkolumne – wie genial ist das denn? Aber warum sollen die nur Männer schreiben? Oder halt, nee, diesen Absatz ziehe ich zurück +++
+++ Die US-amerikanische Journalistin Helen Thomas ist gestorben. Dazu der US-Präsident: "Obama äußerte sich am Sonnabend betrübt über den Tod und nannte Helen Thomas eine 'wahre Pionierin', die Barrieren für Frauen im Journalismus heruntergerissen habe. Thomas sei von der leidenschaftlichen Überzeugung beseelt gewesen, 'dass unsere Demokratie am besten funktioniert, wenn wir harte Fragen stellen und unseren Führungspersonen Rechenschaft abfordern'" (Berliner Zeitung; siehe auch FAZ, Tagesspiegel und SZ, die schreibt: "Helen Thomas war schnippisch, schlagfertig, sehr ironisch und, wie man in den USA so schön sagt, durchaus auch 'full of herself'. Als Journalistin gehörte sie zum Rahmenpersonal jener Zeit, die als das amerikanische Jahrhundert allmählich in die Geschichte eingeht") +++ Was völlig anderes: "Seien Sie einfach froh, frei Ihre Meinung sagen zu können" – die Kanzlerin reagiert am 18. Juli in Aschaffenburg auf Buh-Rufe +++
+++ Der früher China- und Russland-Korrespondent Gerd Ruge hat dem Spiegel ein Interview gegeben und spricht über die Langsamkeit des Korrespondentendaseins früher und die Geschwindigkeit heute, außerdem über Eingriffe der Redaktionen in die Themen und über Überwachung durch den KGB – etwas nostalgisch zwischendurch, aber lesenswert +++
+++ Gewerkschaften und Zeitungsverleger verhandeln: Letztere möchten Journalistengehälter "fortan auch an die wirtschaftliche Situation ihrer Region gekoppelt sehen, berichten die Gewerkschaften Ver.di und Deutscher Journalistenverband vom Verhandlungsauftakt über einen neuen Flächentarifvertag am vergangenen Freitag in Frankfurt. Eine solche Regionalisierung der Einkünfte hieße vor allem: Verzicht im Osten der Republik. Hier, sagen die Verlage, liefe schließlich auch das Geschäft mit den Anzeigen schlecht". Das schreibt die TAZ +++
+++ Missverständlich scheint zu sein, was TAZ-Geschäftsführer Kalle Ruch mitgeteilt hat: Die ganze TAZ werde auf TAZ.de publizieren, schrieb er, was sowohl hier (Textintern) als auch da (Meedia) zur Meldung führte, alle TAZ-Redakteure würden Online-Redakteure. TAZ-Redakteur Sebastian Heiser stellt im Kommentar bei Meedia allerdings klar: "Wenn unser Geschäftsführer sagt, nun werde 'die ganze taz auf taz.de publizieren', dann meint er damit nicht, dass wir alle zu Online-Redakteuren werden. Er bezieht sich darauf, dass neben den Inhalten aus der Redaktion vermehrt Inhalte aus dem Verlag auf die Seite kommen" +++ Thomas Middelhoff, der frühere Chef von Bertelsmann und Arcandor, kündigt im SZ-Interview an, er werde Chef eines internationalen Medienunternehmens +++
+++ Im Fernsehen läuft "die story: Töten per Joystick" (ARD, 22.50 Uhr) über Drohnen (Tagesspiegel), und die SZ schreibt über die alte BR-Serie "Monaco Franze", die von heute an wieder gezeigt wird – mit dem Hinweis dürfte sie vielen ihrer Münchner Lesern einen Gefallen tun: "Unten wird gestrampelt, um nach oben zu kommen, oben wird gestrampelt, um nicht nach unten zu fallen. Dazwischen der Franze, der es per Heirat nach oben geschafft hat und jetzt feststellt, dass er einen hohen Preis zahlen müsste, um ganz dazuzugehören – den Preis seiner Freiheit" +++ Die FAZ schreibt über "Die Wagners und Bayreuth" (23.35 Uhr, ARD) +++ Und dass Rudolf Scharping sich die Tour de France zurück bei ARD und ZDF wünscht, wäre eine Meldung, wäre er nicht Präsident des Bunds der Radfahrer +++ Anke Engelke spricht mit dem Spiegel über ihre neue Talkshow "Anke hat Zeit", die aber keine Talkshow sei, sondern "eine Kultursendung mit Überraschungen", was schon mal total groovy klingt +++
+++ Der Berliner Piraten-Abgeordnete Christopher Lauer schimpfte in einem Podcast mit Holger Klein aka @holgi, der, wie so viele Podcasts, 75 Minuten zu lang ist (er dauert 104 Minuten) auf Journalisten: Als die Piratenpartei bei 12 Prozent gestanden habe, "wurde man zu jedem Scheiß irgendetwas gefragt". Nun, da sie bei 4 Prozent stehe, würden sich Journalisten nicht einmal mehr für die Selbstzerfleischung der Piraten interessieren. Zitieren ließe sich aus der Veranstaltung, was Medien angeht, noch das: Blablabla, "weil wir durch die Bank weg Journalisten haben, die berichten halt eher fünf Mal darüber, dass Du irgendso ne Pseudo-Vetternwirtschaftsgeschichte hast, als sich nur ne Minute lang auch nur mit einem politischen Konzept auseinanderzusetzen" +++
Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.