Hilfe, wo ist Guido Knopp?

Hilfe, wo ist Guido Knopp?

Zu Inka Bause und Christian Rach gesellt sich die einstige Fernsehhegemonialmacht Johannes B. Kerner: Er geht zurück zum ZDF. Die Süddeutsche Zeitung macht aus einer 50 Tage alten Nachricht eine Seite Drei. Die Kanzlerin toppt ihren eigenen Sprecher. Eine Abhörsicherungs-App von Peter Sunde. Fußballfernsehrechte in Zahlen. Und die Frage, in welchem Ministerium das Internet sitzen soll.

Wenn die Bild-Zeitung Medienkritik übt, will sie sich in den meisten Fällen entweder selbst ins Licht setzen. Oder sie schimpft auf Rundfunkgebühren und Fernsehprogramm, weil das wahrscheinlich gut ankommt. In jedem Sommer steht, eigentlich recht verlässlich, eine große "Was für ein Mistprogramm bezahlen wir braven Deutschen eigentlich von unseren hart erarbeiteten GEZ-Euros?"-Geschichte an. Wir warten diesen Sommer aber auch gerne noch ein paar tausend Jahre länger darauf.

Erst einmal wurde am Samstag eine andere für die Bild-Zeitung zentrale These von der Bild-Zeitung bekräftigt: "Wir" – also Deutschland – sind wer. Darin fand sich auch eine verstohlene Kritik an der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung, mit der sich die Bild-Zeitung dann nebenbei auch selbst lobte:

"Deutschland ist das beliebteste Land der Welt! Was wir schon lange wissen, hat eine Umfrage der britischen BBC bei 26000 Menschen in allen Erdteilen bestätigt. Bild (und andere Medien) haben darüber bereits im Mai berichtet, gestern widmete die 'Süddeutsche Zeitung' dem Thema noch einmal eine ganze Seite drei."

Im Anschluss nennt die Bild-Zeitung 100 Gründe, warum Deutschland so geil sei ("Ja, ja, ja"). Sie greift also eine steinalte Nachricht im Wissen um ihr Alter deshalb auf, weil die Süddeutsche sie verspätet aufgreift: So, liebe Journalistenschüler, funktioniert Journalismus – ein Anlass, um Deutschland zu feiern, muss nicht vorhanden sein, er sollte aber doch jederzeit konstruiert werden können. Um alle beiden Aussagen der 100-Gründe-Geschichte, für die der Bild-Chefredakteur am Freitag noch via Twitter um Vorschläge ersuchte, auf den Punkt zu bringen: Erstens, Deutschland ist super. Und zweitens, die SZ nimmt eine 50 Tage alte Geschichte auf die Seite Drei.

Mit dem zweiten Punkt hat die Bild-Zeitung recht: Die Seite Drei der Freitags-SZ handelt von Deutschlands Verhältnis zu sich selbst. Eingangs beschreibt die Reporterin eine Szene im Auto von Guido Westerwelle, in dem sie sitzt, als ihn die Nachricht erreicht, dass laut einer BBC-Umfrage Deutschland 2013 das populärste Land sei. Der NRW-Außenhandelstag in Düsseldorf, zu dem Westerwelle in dem Moment laut SZ unterwegs gewesen sei, fand am 23. Mai statt; am selben Tag erschien die besagte BBC-Studie, und natürlich berichtete auch die Bild-Zeitung tatsächlich umgehend. Mit einer gut abgehangenen Szene beginnt also eine große Reportage in der SZ, die in der Unterzeile das Ergebnis der BBC-Befragung vom Mai referiert, ohne irgendwo einen klaren Hinweis darauf zu geben, wie alt die Geschichte ist.

Die Reportage selbst kann man kaum anders lesen denn als Plädoyer für Patriotismus und die amtierende Bundeskanzlerin. Tolles Regierungshandeln und toller Fußball, Mülltrennung und Riester-Rente, Aussagen französischer und Texte britischer Journalisten und Kritik an deutschen vermeintlich deutschlandskeptischen Medien werden zu einem Bild eines richtig guten Landes verschmolzen. Dass es ein Unterschied ist, ob man lobend über einen anderen spricht oder über sich selbst, weiß jeder, der mal einem Schauspieler, über den gerade viele Gutes sagen, dabei zugehört hat, wie er sich selber ungehemmt preist. Selbst die Zeile "Deutschland über alles" wird hier mit einem Verweis auf ihre ursprüngliche Bedeutung und die englischsprachige Wikipedia rehabilitiert. Und wo wir schon beim Arzt sind, wird das Land am Ende auf die Couch gelegt und mit dem Lehrbuch der Individualpsychologie therapiert:

"Wäre das Land (...) ein Mensch, würden die Psychologen jetzt sagen: (...) Erst muss der Augenblick kommen, in dem die anderen sagen: Du bist rehabilitiert, wir akzeptieren dich, du hast es toll gemacht seither, du gehörst dazu, wir mögen dich. Und dann erst, später, bald, kommt der für die Heilung noch viel wichtigere Moment, in dem der Patient endlich sagen kann: ja, vielen Dank. Ich mich auch."

Nur ist das Land halt kein Mensch, und ebenso könnte man sagen, wäre das Land die Melkkuh, als die es der eine oder andere deutsche Journalist beschreibt, würden auch Veterinärmedizinstudierende ihre Arme hinten reinstecken. Wenn also in der SZ eine "Mischung aus Minderwertigkeitskomplex und Größenwahn" diagnostiziert wird, so kann man an den 100 Gründen, Deutschland geil zu finden, aus der Bild-Zeitung ("Ja, ja, ja") und an dieser SZ-Geschichte sehen, was passiert, wenn der Minderwertigkeitskomplex aus der Rezeptur fällt: nämlich so etwas.

####LINKS#### +++ Wir sind ("ja, ja, ja": ich bin) jetzt ein wenig abgekommen vom Eigentlichen dieser Kolumne, die sich doch mit Medien in den Medien beschäftigt? Ja und nein. Der Altpapier-Gegenstand ist unerschöpflich. Aber ja: Medienmediengeschichten klassischen medienmedialen Zuschnitts gibt es auch. "Das ZDF, dieser Teufelskerl unter den Rundfunkanstalten, dem das deutsche Fernsehen ein gerüttelt Maß seiner Weltgeltung verdankt, hat wieder aufregenden Nachwuchsnachschub in seiner Moderatoren-Pipeline", schrieb Christian Bartels am Mittwoch an dieser Stelle. Nun ist zu vermelden: Zu Inka "Ausrufezeichen" Bause und Christian Rach, dessen Sendung heißen soll wie diese Headline auf deutschland.de, gesellt sich noch die einstige Fernsehhegemonialmacht Johannes B. Kerner.

Hilfe, wo ist Guido Knopp? Wenn Knopp noch beim ZDF wäre, wäre nicht nur Deutschlands Psychohistorie, sondern auch das ein Fall für ihn, schließlich ist Kerners Rückkehr zum Sender auch aus historischen Gründen bemerkenswert. Weshalb nach den Meldungen mittlerweile auch größere Lesestücke erschienen sind bzw. heute erscheinen, im Tagesspiegel, in der Berliner Zeitung, in der Süddeutschen Zeitung und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, dort mangels Montagsmedienseite im Feuilleton.

Laut Spiegel Online (Freitag) soll er beim ZDF "unter anderem die neue 'Terra X Show' und die Sendung 'Superchampions'" moderieren. Mehr erstmal nicht, was die Berliner Zeitung auch ganz okay findet: "(E)ine Weile konnte man das ZDF anschalten, wann immer man wollte: Kerner war schon da. Ihn erneut als Sportmoderator einzusetzen, sei nicht geplant, versprach das ZDF am Wochenende. Na wenigstens was." Wobei die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung allerdings warnt: "Wer jetzt aufatmet, dem sei gesagt: Das Engagement ist 'langfristig' angelegt."

Die Frage, zu der man am trefflichsten interpretieren kann, ist die, wie Kerner und ZDF intern zusammenpassen. Der Tagesspiegel schreibt, Kontextparagraph inklusive:

"Kerners Comeback hängt direkt zusammen mit dem 'Moderatoren-Notstand', in das das Zweite geraten war, als Jörg Pilawa seine Rückkehr zur ARD verkündet hatte. Im ZDF wird plötzlich nur Gutes über 'JBK' gesagt, Unterhaltungschef Oliver Fuchs lobpreist den Rückkehrer als 'perfekte Besetzung'. Vor vier Jahren war das Tischtusch zerschnitten. Der Überall-Moderator Kerner – Talkshow, Quiz, Fußball, Kochen – hatte bei Vertragsverhandlungen überzogen, der damalige Programmdirektor (und heutige Intendant) Thomas Bellut war alles als unglücklich über Kerners Wechsel zum Privatsender Sat 1."

Hans Hoff liest in der SZ die Lobesworte aus dem ZDF auf Kerner dagegen kritisch:

"Man muss solche Worte nicht sonderlich ernst nehmen. Worte wie 'journalistisch', 'spannend' und 'perfekt' sind mit Bezug auf Kerner auf sehr dünnem Pergament geschrieben. Letztlich sollen sie ohnehin nur verschleiern, dass es beim ZDF vor allem in der Disziplin 'Über den eigenen Schatten springen' gut läuft."

Und auch Peer Schader nimmt sich die Freiheit, Fuchs' Worte in der FAZ noch zu deuten:

"Das ist zwar freundlich gemeint. Aber längst kein Beleg für eine Aussöhnung. Dass Sender und Moderator sich überwunden haben, um wieder zusammenzuarbeiten, ist vielmehr eine Vernunftentscheidung: Johannes B. Kerner braucht das ZDF, und das ZDF braucht Johannes B. Kerner."

+++ Das größte Thema bleibt derweil alles, was mit Daten zu tun hat. Die FAS fragt, wie gefährlich es sei, dass Big Data keine Ahnung vom Wollen, vom Wünschen, von der Subjektivität habe. Die FAZ weist unter der hübschen Überschrift "Small Data in Afrika" und unter Verweis auf einen Essay des Historikers Morten Jerven darauf hin, dass es auch andere Probleme als zu viele Daten gibt – zu wenige: "Was taugen die Statistiken und Zahlen zu ökonomischen Entwicklungen in den Ländern südlich der Sahara? In den meisten Fällen gar nichts." Und dann wäre da an der Schnittstelle zu unserer Kolumne hier auch alles, was mit Abhörpraktiken zu tun hat. Die SZ – nochmal – schreibt über Peter Sundes (Flattr) neue Smartphone-App Heml.is:

"Den Erfolg von Heml.is kann man auch als politische Reaktion auf die Nachrichten der vergangenen Wochen sehen. Was früher nur für Unternehmen relevant war, wird nun auch für Privatpersonen bedeutsam: Verschlüsselung und abhörsichere Kanäle."

Dass Edward Snowden laut Guardian-Journalist Glenn Greenwald quasi als Lebensversicherung Informationen deponiert haben soll, die den USA schaden würden, wenn Snowden etwas zustieße, ist die neueste Wendung der Geschichte, abgesehen von Innenminister Friedrichs Besuch in den USA (ohne Stimmen der Opposition siehe etwa Carta; und mit der Frage nach dem eigentlich ja auch involvierten Kanzleramtsminister Ronald Pofalla: Deutschlandfunk).

Und um die ganze Geschichte an dieser Stelle für heute zu einem runden Abschluss zu führen: Stefan Niggemeier ärgert sich über das Interview, das Angela Merkel neulich der Wochenzeitung Die Zeit gegeben hat, konkret darüber, dass sie ihren Sprecher ausweichtechnisch noch toppt, bzw. eigentlich darüber,

"dass es so normal geworden ist, dass eine Kanzlerin sich systematisch und dreist der kleinsten inhaltlichen Festlegung verweigert, dass so ein Interview wie das in der 'Zeit' gar keinen Schluckauf in dieser Hinsicht mehr auslöst".

Was würden eigentlich die Psychologen dazu sagen?


ALTPAPIERKORB

+++ Dass ARD und ZDF bei den Verhandlungen um die Fernsehrechte für 20 Fußball-Qualitfikationsspiele der Nationalmannschaft knapp 20 Millionen Euro unter dem Angebot von RTL geblieben seien, berichtet der Spiegel +++ Der auch schreibt, was die Umstellung des Rundfunkgebühreneinzugs koste, nämlich 39,6 Millionen Euro allein für den Abgleich mit den Datensätzen aller Einwohnemeldeämter, plus weitere 40 Millionen für die Überführung der bestehenden Konten von Gebührenzahlern in Wohnungs- und Betriebsstättenkonten. Die Öffentlich-Rechtlichen gingen davon aus, die Kosten würden am Ende geringer ausfallen als derzeit angenommen (siehe auch Focus Online) +++

+++ Braucht es ein Internetministerium? Wiederum SZ (Samstag) und Carta verhandeln darüber. Die SZ traf dafür Peer Steinbrücks Fachfrau Gesche Joost und die CDU-Netzpolitiker Peter Tauber und Michael Kretschmer, am Ende macht Johannes Boie gefühlt einen Punktvorteil für Joost als Quereinsteigerin aus +++ Bei Carta plädiert die Linken-Abgeordnete Petra Sitte dafür, den Bereich Internet dem Innenministerium zumindest wegzunehmen +++

+++ Der Focus meldet eine weitere Panne bei der Vergabe von Journalistenplätzen zum NSU-Prozess +++ Der Tagesspiegel stellt das russischsprachige Berliner Magazin Europa Ekspress vor +++ Und die TAZ schreibt über türkische Journalisten bei den Protesten und die Pressefreiheit, die durch die Regierung Erdogan unterdrückt werde +++ Stefan Niggemeier wundert sich außer über die Kanzlerin auch erneut über die VG Wort +++

+++ Rund ums Fernsehen: Noch sieben Tage bis zur Erstausstrahlung des Fernsehfilms "George" über Heinrich George mit Götz George bei Arte. Ich mache mir Sorgen, dass kommenden Montag, wenn der Film auch an dieser Stelle groß abgefeiert werden will, niemand mehr darüber schreibt – die Seite-3-Geschichte der SZ ist seit Samstag auch schon durch +++ Götz George wird nächste Woche 75, Otto Waalkes wird 65, der Spiegel porträtiert ihn +++ Tagesspiegel und Spiegel Online haben den "Dittsche"-Imbiss besucht +++ Im Fernsehen läuft "Unser Wirtschaftswunder: Die wahre Geschichte" (ARD, 23.50 Uhr), die FAZ schreibt: "Deutschland verdankt sein Wirtschaftswunder vor allem der Tatsache, dass es 1953 die Hälfte seiner Schulden erlassen bekam und seine ehemaligen Kriegsgegner – zum Beispiel Griechenland – auf Reparationsforderungen verzichteten. Wenn wir heute Griechenland die Schulden erließen, so der Schluss, wären wir quasi quitt. Den Spieß umzudrehen zwischen Deutschland und den Krisenländern ist das unausgesprochene Hauptanliegen des Films – und seine größte Schwäche. Mit einer Handvoll Gesprächspartner exakt auf dieses Ziel zuzusteuern und vermeintlich alles, was jemals über das Wirtschaftswunder gesagt wurde, ins Reich der Legenden zu schicken funktioniert nur durch Zuspitzung und Verkürzung" +++ Gestorben ist der kanadische Schauspieler Cory Monteith, bekannt aus "Glee" (z.B. TSP) +++

Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

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