Die Welt, wie sie uns gefällt: Reunion von Mascolo und Blumencron bei der FAZ? Was wird nach dem Liebes-Aus zwischen Marc und Jan bei der Tagesschau? Wer kriegt den nächsten Henri-Nannen-Online-Award? Droht dem Format Günter Grass das Schicksal der Lottoziehung – Absetzung? Reichen Ideen nicht mehr aus? Ein Tag mit der Regenbogenpresse der Herzen.
Georg Mascolo, schrieb diese aufmerksam die Lage verfolgende Medienkolumne am Mittwoch, "ist wieder da". Da hatte der Ex-Spiegel-Chefredakteur mit einem Aufmacher im FAZ-Feuilleton von sich Reden gemacht.
Das tut nun auch sein Ex-Spiegel-Chefredaktionskollege Mathias Müller von Blumencron, den die FAZ für ihr Internetangebot faz.net verpflichtet hat. In der dies verkündenden Erklärung heißt es:
"'Wir freuen uns sehr, mit Mathias Müller von Blumencron einen renommierten Journalisten und sehr erfahrenen Online-Kenner für unser Haus gewonnen zu haben, der unser Verständnis von Qualitätsjournalismus teilt', sagt Berthold Kohler, Vorsitzender des Herausgebergremiums der F.A.Z.
Was, wir müssen das so deutlich sagen, journalistisch natürlich eine Enttäuschung ist: Die Tatsache, dass Blumencron erfolgreich auf den "Qualitätsjournalismus" vereidigt werden konnte, kann bei einem qualitätsjournalistisch allerhöchst stehenden Blatte wie der FAZ doch ernsthaft keine Nachricht sein. Neuigkeitswert hätte dagegen eine Formulierung gehabt wie, er werde konsequent den Drahtseilakt zwischen Boulevardisierung und Anspruch wagen.
Aber damit begeben wir uns auf den glitschigen Grund der fiktiven, möglichen oder auch nur wünschenswerten Nachrichten. Der naheliegenste Ausrutscher in dieser Hinsicht wäre die Frage, ob Mascolo und Blumencron bei der FAZ nun fröhlich Reunion feiern. Der Tagesspiegel hat sie dankenswerterweise gestellt und erfahren müssen:
"'Wir haben momentan nicht vor, Georg Mascolo einzustellen', sagte Kohler dem Tagesspiegel. Selbstverständlich aber werde er als kluger Autor wie auch andere kluge Autoren von der Zeitung geschätzt."
Mit dem Wissen, dass Walter Ulbricht um 1961 herum auch nicht vorhatte, eine Mauer zu bauen, ließe sich daraus nachrichtentechnisch noch was machen. Man müsste eben in die Trickkiste des Regenbogenjournalismus greifen, der ja permenant versucht, die Wirklichkeit so zu inszenieren, dass sie sich wie das immergleiche Drama liest, das der sogenannte Leser haben will: "Georgie und Mathi – together again?"
Wer Regenbogenpresse sagt, kann vom eigentlichen Drama unserer Tage nicht schweigen: "Marc und Jan – So kaputt ist ihre Beziehung wirklich!"
Auch hier kann man sich in der Frisörs-Darling Tagesspiegel auf Stand bringen – nach dem, was bis gestern schon geschehen war:
"Bator reagierte prompt: „Ich kann viel Kritik vertragen, aber der Lüge lasse ich mich nicht bezichtigen."
Man kann es aber auch lassen beziehungsweise das Ding weiterdrehen durch Hinzuziehung von außenstehdenen Eheberatern:
"Der frühere Chefsprecher der 'Tagesschau', Jo Brauner (75), will derweil die Wogen glätten. Der Programmzeitschrift 'Auf einen Blick' sagte er: 'Die beiden sollten sich vertragen. Solche Streitigkeiten gehören nicht in die Öffentlichkeit. Wenn schmutzige Wäsche gewaschen wird, bleibt immer auch etwas an der ,Tagesschau' hängen.'"
Das wird noch eine Weile beschäftigen, wobei das eigentlich Spannende ist, wie man solchen einen Zickenkrieg qualitätsjournalistisch aufbereitet. Tagessieg, ohne Diskussion, geht an das Handelsblatt, das die einzig adäquate Erzählform für den Bator-Hofer-Beef gefunden hat: die Bildergalerie!
Zum einen wird der Leser durch das gezielte Anklicken des nächsten Bildes auf den seriellen Charakter der Story aufmerksam gemacht. Zum anderen erinnert die Klickstrecke damit an die Feuilleton genannten Fortsetzungsromane der frühen Ära of Newsdeskmanagement. Zum dritten arbeiten bei der Tagesschau nur schöne Menschen, die man gerne anschaut – persönlicher Favorit: Jan H., 63 (oder 61?), auf der vierten Folie. Zum vierten führt der aktuelle Streit geschickt in die Geschichte der Sendung, wenn es andeutungsreich heißt:
"Die Auseinandersetzung zwischen Marc Bator und Jan Hofer ist aber nicht der erste Vorfall, der bei der ARD für Gesprächsstoff sorgte..."
Denn dahinter geht nun wirklich alles an Pannen und Versprechern, was man von der Tagesschau auf Youtube finden kann. Das korrespondiert mit dem in unserer Zeit so erfolgreichen Listenprinzip. Und über die Schönheits-OPs von Dagmar Berghoff kann man nebenher auch noch mal nachdenken – das, liebe Erstsemester von Prof. Lilienthal, kriegen tatsächlich nur "Proffis" (Ottmar Hitzfeld) so hin. Wenn das Handelsblatt für diesen Beitrag den dringend fälligen qualitätsjournalistischen Preisen (Henri-Nannen-Online-Award) bekäme, ich könnte die Laudatio übernehmen.
Aus Spaß kann auch ernst werden: Anna Thalbach ist, wie gestern auch schon hier gemeldet, im russischen Fernsehen als angeblich bezahlte Pussy-Riot-Likerin missverstanden worden. Was einer Theorie des Regenbogenjournalismus einen weiteren Baustein hinzugibt: Wirklichkeitserfindung fällt mit Abstand vom Gegenstand leichter, was so ausgesprochen kein günstiges Licht auf das Geschäft des Auslandskorrespondenten wirft.
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Interessant ist nun am Fall von Anna Thalbach und dem ZDF (das in Teilen der russischen Öffentlichkeit so dasteht, als zahle es Geld für gewünschte Meinungen), dass das ZDF nicht wartet, bis ein russischer Journalist sich die Mühe macht, Satire von Ernst unterscheiden zu wollen, es sendet eigentlich selbst auf russisch!
"Damit nun alle Missverständnisse beseitigt werden, will sich 'Aspekte' in der Sendung am Freitag in einem kurzen Beitrag auf Russisch an die russischen Kollegen wenden: 'Liebe Kollegen, Ihr handelt mit alten Witzen.' Sollte es wieder zu Missverständnissen kommen, kann dann zumindest nicht an der Sprache liegen."
Schreibt der Tagesspiegel. Zu beachten wäre freilich, dass der Beitrag sich nicht selbst depubliziert, bevor ihn auf youtube.ru alle gesehen haben. Aber im Grunde ist das Wasser in den Ententeich des Perlentauchers, der ja immer für die Herstellung einer internationalen, europäischen Öffentlichkeit geworben hat.
Und das so umstandslos, dass dem neuen Spiegel-Chefredakteur, der noch nicht Ex-dpa-Chefredakteur ist, ahnt, wie überflüssig die Presse werden kann, wenn das ZDF seine Sicht nicht irgendwelchen Zwischenhändlern mit auf den Weg geben muss, die die dann quasi diplomatisch in Moskau vermitteln versucht, sondern einfach selbst und direkt an den russischen Rezipienten herantritt.
"Büchner: 'Im Jahr 2013 werden die klassischen Massenmedien immer weniger gebraucht, um Öffentlichkeit herzustellen. Sie werden noch gebraucht, aber es ist ein Szenario denkbar, in dem alle relevanten Personen und Organisationen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mit Hilfe von Plattformen wie Twitter, Facebook, Google+ etc. direkt miteinander und mit dem Publikum kommunizieren, ohne den Umweg über die klassischen Medien.'"
Schreibt Christian Meier, Chefredakteur des zur Verlagsgruppe Handelsblatt gehörenden Internetportals Meedia.de, über eine Keynote-Speech des upcoming Spiegel-Chefredakteurs am Montag, die einem Bericht der Berliner von gestern folgend erst heute durchkolportiert wird.
Besonders toll ist die Meldung, die die TAZ drausgemacht hat:
"Laut einem Bericht der Berliner Zeitung sagte Büchner, der Spiegel müsse nachrichtenträchtiger werden."
Und toll auch nur, weil wir da im ersten Moment – es war sehr früh, da kommen Fehlleistungen noch häufiger vor – gelesen hatten, "... sagte Büchner, der Spiegel müsse niederträchtiger werden."
Das wäre doch mal eine Botschaft! Als qualitätsboulevardjournalistische Medienkolumne würden wir glatt eine Überschrift drausmachen.
+++ Apropos Medienkolumne: Jörn Kruse bilanziert in seiner Kolumne in der TAZ das Gewesene im beliebten, wenn auch enger getakteten Bilanzierungsformat à la "Willemsens Quartal", das man ja immer schon drei Monate lang im Zeit-Magazin kaum erwarten kann. Kruse: "Nun behauptet Fuchs [Oliver, Unterhaltungschef des ZDF, AP], die Zusammenarbeit [zwischen aus Marzahn, Cindy und ZDF, genauer Lanz, Markus in dass, Wetten..?] sei eh nie zeitlich festgelegt gewesen. Klingt wahnsinnig überzeugend. Naja, für Focus Online hat's gereicht: Die setzten gleich mal drei Redakteure daran, einen Artikel mit der Überschrift 'ZDF wollte nie mehr als eine Saison mit Komikerin Cindy aus Marzahn' zusammenzukloppen. Hätten sie doch lieber nochmal die Volontärin mit dem Stefan-Raab-Duschkopf losgeschickt, um sich abzubrausen und dabei filmen zu lassen." +++
+++ Zur NSA-Arbeit und den Folgen schreibt CCConstanze Kurz in ihrer Maschinenraum-Kolumne in der FAZ (Seite 34): "Sichtlich unangenehm ist den Regierenden im Westen das Schlaglicht, das auf die schattige Welt der globalen Telekommunikationsspionage und der systematischen Computereinbrüche ihrer Geheimdienste geworfen wurde. Galt bisher bei jedem größeren Angriff auf die Daten von Unternehmen immer der Glaubenssatz 'Die Chinesen waren’s!', so ist nun unbestreitbar, dass es auch die angeblichen Verbündeten sein könnten – die sich der Tarnung halber eines Servers in China bedienen." +++ Eine Konsequenz aus dem Wissen über die Beobachtung aller digitalen Moves gibt es schon – man liest diesen längeren Absatz aus Karen Krügers Lagebeschreibung des Medialen in der Türkei der Proteste wie ein Ammenmärchen (FAZ, S. 39): "Schwieriger gestaltet sich der Zugriff auf die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter. Die türkische Regierung setzt deshalb nun auf Angst vor Verhaftungen, die zur Selbstzensur führen soll. Und so behauptete der türkische Kommunikationsminister Binali Yildirim einfach, Facebook habe zugestimmt, der türkischen Regierung die Daten von Nutzern zu geben, die Einträge über die Proteste geschrieben haben. Wie zu erwarten, löste die Meldung Panik unter den türkischen Facebook-Nutzern aus. Später dementierte Facebook jedoch, jemals einer solchen Anfrage der türkischen Regierung zugestimmt zu haben. Auch bei Twitter lief eine entsprechende Bitte offenbar ins Leere. In Washington sagte Dick Costolo, der Vorstandschef von Twitter: 'Unsere öffentliche Plattform ist dazu da, zu sagen, was man denkt. Genau das machen die Nutzer in der Türkei.' Eine Meinung zu den Protesten rund um den Gezi-Park habe das Unternehmen überdies nicht." +++
+++ Günter Grass hat immer gesagt, was er dachte, oder zumindest erfolgreich so getan, was ihm einen medial bedeutsamen Platz eingebracht hat. Das dieser mit ihm selbst jetzt verwaist, findet Tobias Rüther in der FAZ gut, wie sich anlässlich eines Steinbrück-Grass-Abends feststellen ließ: "Eine der Antworten auf die Frage, warum kein junger Schriftsteller Grass von seinem Nagelbett stoßen will, das in Wirklichkeit doch ein Thron ist, könnte lauten: Weil die Selbstgewissheit fehlt, von sich selbst so zu reden, wie Grass das tut – Bürgerschreck, Querdenker, Wellenbrecher. Es liegt nicht an der Ironie, die angeblich alles so vergiftet, dass kein Mensch von heute sich mehr auf irgend etwas festlegen will, im Gegenteil: Genau sie ist es, die verhindert, dass man glaubt, von sich selbst so reden zu dürfen. Das ist ein Fortschritt." +++ Hans Monath im TSP berichtet eher nüchtern. +++ Die Welt spielt ihre Kritik an Grass über die Bande des SPD-Manns Reinhold Robbe: "Robbe rät seiner Partei dringend von Veranstaltungen mit Grass ab: 'Wer sich mit Grass einlässt, muss immer damit rechnen, dass so etwas passiert.'" +++
+++ Müsste Filmfest München eigentlich Fernsehfilmfest heißen? Es werden dort nämlich, auch aus Kostengründen, viele Fernsehfilme gezeigt. Schreibt die FAZ (Seite 39), beruhigt aber auch, dass auch Standards gelten. Jörg Michael Seewald schreibt: "Die Reihe ist denn auch ein zuverlässiger Seismograph der aktuellen Fernsehmoden: Krimis massenhaft. Starke Bilder seien das entscheidende Kriterium, nach dem die Festivaljury die Filme auswähle. 'Einfach eine gute Idee reicht nicht. Der Film muss eine besondere Form haben', sagt Diana Iljine. Vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender sorgten für Qualität." +++ In der SZ hat Katharina Riehl unter anderem Günter Schütter gesprochen, der das Drehbuch zum neuen Münchner Polizeiruf geschrieben hat: "Doch ohne grundsätzlich systemkritisch zu werden, gibt es dort auch keine gebührenfinanzierten Redakteure, von denen – sagt Schütter – viele Angst haben, ihren Abteilungsleitern Drehbücher vorzulegen, 'die nicht schon vollkommen entkernt sind'. Die klassische Frage an Autoren gehe so: 'Könntest du dir vorstellen, diese Szene hier rauszunehmen?' Schönste Bedenkenträgerprosa." +++
+++ Lotto ist over, Heike Maurer beim ZDF raus. Claudia Fromme sehr informativ in der SZ (S. 29): "Es gab am Mittwoch Schnittchen und Sekt, und als Heike Maurer um kurz nach 20 Uhr noch einmal in den Sender wollte, erzählt sie, war ihre Karte schon gesperrt. 'Ein Schock nach 24 Jahren beim ZDF.' Am Tag danach ist kein Gram zu spüren, auch wenn sie gegen ihre Kündigung vorgeht, eher eine gewisse Ratlosigkeit. 'Nachprüfbarkeit ist doch etwas sehr Schönes in der heutigen Zeit', sagt sie." +++ Tim Renner in der TAZ über seine neue Sendung "Playlist"(-Raten) auf TELE 5: "90 Prozent der Leute beginnen solch eine Liste mit Liedern aus ihrer Kindheit. So hat man ziemlich schnell das Alter raus. Auch ob Mann oder Frau, errät man meist schnell. Nur bei Sportlern ist das schwierig, die achten fast nur auf Rhythmik." +++ Annika Leister lobt im KSTA Küppersbuschs Tagesschaum: "Beißende Satire auf hohem Niveau, die ihren Informationsauftrag – häufig – ernst nimmt." +++ Toni Keppler will via Carta die Reportage retten. +++
Der Altpapierkorb füllt sich Montag wieder