Der Siegeszug der Palo-Alto-PR von Springer nimmt kein Ende und steuert auf den kommenden Montag zu, wenn das Online-Bezahlsystem vorgestellt wird. Der Siegeszug von @tatortwatch als digitalaffine Parteienwerbung muss noch erkannt werden. Horst Königstein ist beerdigt worden.
Die Disclosure (zu der wir immer Disclaimer sagen wollen, weil das technologisch-praktischer klingt) ist ein Darling des Tages. So steht unter einem Text auf Meedia.de der Hinweis, der der aufmerksame Medienfreak natürlich nicht eigens braucht:
"MEEDIA gehört zur Verlagsgruppe Handelsblatt"
Schützt die Disclosure nun vor Eigenwerbung aka Selbstlob? Urteilen Sie selbst:
"Zu diesem Thema sagte Diekmann in dem Interview, das heute in der Handelsblatt-Live-App zu lesen war und morgen in der gedruckten Ausgabe veröffentlicht wird, nur so viel: "Es wird in unserem Angebot frei zugängliche und bezahlte Informationen nebeneinander geben."
Manche würden sagen, saubere Quellenangabe, kann man machen. Andere neigen wohl der Meinung zu, dass der detaillierte Hinweis, wann das Handelsblatt was wo releaset den Schritt vom Wege der Information auf den Acker des Werblichen bildet. Immerhin, der Grund steht dann drunter.
Dieses Thema, man kann es sich zusammenreimen, meint das neue Online-Bezahlsystem, das Springer nächsten Montag vorstellen soll. Man darf gespannt sein. Sonst erzählt Diekmann kurz vor Rückkehr aus den USA, dass kein fast kein Stein mehr auf dem anderen bleiben wird bei Springer, wenn erst die mitgebrachten Erkenntnisse aus dem Silicon Valley ausgepackt werden in Berlin.
Was soll er aber auch anderes erzählen: Diese Springer Post-Hippie-WG-Sause (auf dem Meedia-Foto zieht Diekmann ins Big Lebowski-hafte) hat ja vor allem auch den Zweck von PR. Das kann man sehen am heutigen Bericht der TAZ-Kriegsreporterin, in dem California schon runtergerockt ist auf die modische Sinnfindungsdestination, die nun alle buchen:
"Das ist ja jetzt SO en vogue! Silicon Valley ist das neue New York für Medienleute. Ging man früher nach NY, um sich inspirieren zu lassen, geht man heute in die Wüste. Das ist so chic! Da es jetzt sogar schon Stern-Leute machen, ist es allerdings auch schon wieder kurz vor uncool."
Wie die PR im Sinne Springers wirkt, zeigt dagegen Meedia.de, das über das Interview im mütterlichen Handelsblatt quasi münchenhausenlike feststellen muss:
"Gute PR für die Axel Springer AG hat der Journalist auf jeden Fall geliefert. Die deutschen Journalisten drängelten sich geradezu, um Interviews mit Diekmann zu führen, ihn besuchen oder sonstwie in neuer Umgebung befühlen zu dürfen. Dem Handelsblatt teilte Diekmann nun sein neues Credo mit: 'Wir müssen alle Überzeugungen überprüfen.'"
Wowinski! Alles überprüfen, im Baumarkt nennen sie es Inventur.
Als gelingende Onlinestrategie empfiehlt Christian Zaschke heute in der SZ das Modell der britischen Daily Mail:
"Die amerikanische Klatsch-Journalistin Jo Piazza sagte der BBC: 'Viele amerikanische Klatschblogs und Gossip-Webseiten schauen sich an, wie Mail Online Promi-News aufbereitet, weil das so gut gemacht ist. Besonders gut sind sie darin, knackige Schlagzeilen zu finden. Niemand betitelt Promibilder so gut wie die Mail.'"
Und nicht nur das. Das Geheimnis der Seite findet sich hier:
"Diese rechte Spalte hat Mail Online zur erfolgreichsten Zeitungswebsite der Welt gemacht."
Tatsächlich ist diese rechte Spalte beeindruckend allein ob ihrer Länge: Man steigert die Verweildauer auf der Seite, indem man den Visitor einfach vor einen Tendenziell-Endlos-Scroll setzt. In dem geht's gar nicht so sehr, wie in den deutschen Klatschzeitungen (siehe gestern), um falsche Drama-News, sondern um Bilder von schönen Menschen, die gut aussehen.
"Könnte man das Web ausrollen, wäre diese Titelseite vermutlich einige Kilometer lang."
Schreibt Zaschke treffend, der sich den – oder kommt uns das nur so vor? – Seitenhieb in Richtung des Guardian nicht sparen kann:
"Derzeit schauen sich jeden Monat rund 100 Millionen Menschen in aller Welt die Seite der Mail an. Mail Online lässt, was Nutzerzahlen angeht, die Website der New York Times ebenso hinter sich wie die der BBC oder die des Guardian, der das Experiment versucht, sämtlichen redaktionellen Inhalt kostenlos ins Netz zu stellen und mit dieser Strategie mehr als 30 Millionen Pfund im Jahr verliert."
100 Millionen Menschen jeden Monat, klingt viel, ist aber, da war doch was, eine Zahl die Bild.de und Spon mit deutschen Menschen in aller Welt auch schaffen, wenn wir jetzt nicht Punkte und Kommata verwechseln. Große Erfolge hätten wir uns noch größer vorgestellt, mindestens so groß wie die Steuern, die Apple nicht zahlt. Thank God, werden sie bei Springer durchatmen, war Diekmann in Kalifornien und nicht auf dieser Loser-Insel zur Weiterbildung.
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[+++] Stichwort: Seitenhieb, Stichwort: SZ – voll auf die Zwölf gibt Christoph Hickmann der hier auch schon mehrfach diskutierten @tatortwatch von bürgerrechtsinteressierten Grünen heute auf der Medienseite (Seite 31) der Süddeutschen.
An sich läppisch, in seiner totalgereizten Verbiestertheit aber auch wieder sagenhaft: Wenn es in der allgemeinen Wahrnehmung immer heißt, die FAZ sei konservativ und die SZ irgendwie liberal oder jedenfalls was, was links von der FAZ kommt – dieses redundante Gemaule, das sich die gleichen scheinverwunderten Fragen ("Wer sich so was fragt und solche Antworten gibt?"/"Gibt es nicht?") in zwei aufeinander folgenden Absätzen stellt, damit wirklich alles raus kann, was zum Thema quer im Magen liegt, ist es definitiv nicht.
Wie immer, wenn man keine Argumente hat, aber ein Problem bedeuten muss, das den Leser anhaucht mit dem faulen Mundgeruch von Stalins Resurrection, wird das Schimpfetool "politische Korrektheit" eingebaut:
"Gibt es doch, weil es bei den Grünen, was politische Korrektheit als Extremsportart angeht, so ziemlich alles gibt."
Die Vorstellung, dass die Grünen nur relativ zeitgemäße Parteiarbeit betreiben, wenn sie den Tatort, dieses Synonym von deutschem Fernsehen überhaupt, als Gegenstand betrachten, an dem ihre politischen Forderungen für jedermann anschaulich werden können (was man davon hält, steht auf einem anderen Blatt) – die Vorstellung also, dass @tatortwatch geschickt gedacht ist als politische Werbung, kommt Hickmann nicht.
Für die enge Stellung der Scheuklappen bei ihm spricht, dass er, einmal in Fahrt, den selbstironischen Schlenker übersieht, mit dem die sonntäglichen, diesmal österreichischen Twitterer schlossen, wo doch in der Logik der "Korrekt-Inkorrekt"-Vordenker der Humor immer auf Seiten der "Inkorrekten" seinen Platz hätte. Schließt also @tatortwatch mit:
"Zusammenfassend würden wir sagen: Eisner u. Fellner haben nicht immer gesetzeskonform ermittelt. Spannend wars trotzdem."
Jammert Hickmann:
"So sind sie, die Grünen: Am Ende auch noch großzügig."
Und wie kommen wir da jetzt wieder raus?
Lob der SZ, die unter Stefan Ulrichs Text über ein Vorfall in Paris, bei dem sich ein rechtsextremer Homo-Ehen- und Fremden-Hasser selbst getötet hat, als Disclosure schreibt:
"Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Selbsttötungen zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Die Berichterstattung gestalten wir deshalb bewusst zurückhaltend, wir verzichten weitgehend auf Details. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide."
Der Text geht gar noch weiter – mit einem Hinweis auf die Telefonseelsorge.
+++ Wahre Größe lässt sich in Nachrufen messen: Horst Königstein bekam nicht nur in der FAS vom Sonntag noch eine ganze Seite Anerkennung, wobei Harald Stauns Text über das Fernsehen, das seine Perlen aus dem Archiv auch deshalb nicht mal nachts wiederholt, weil man dann sehen könnte, wie gut es sein kann, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, immer noch nicht online ist. +++ Willi Winkler schreibt heute in der SZ (Seite 31) von der Beerdigung Königsteins: "Udo war ganz Udo mit Hut und Sonnenbrille, aber ohne die übliche Metallbegleitung seiner Band. Deshalb dimmte er die pompes funèbres zu einer freundschaftlichen Abschiedsserenade herab. Als Zeichen seiner Ehrerbietung nahm er zum Schluss sogar die Sonnenbrille ab und verneigte sich vor dem Sarg." +++
+++ Matthias Rüb orientiert in der FAZ über die AP-Abhöraffäre: "Der Zugriff auf Verbindungsdaten von Telefonaten von AP-Mitarbeitern vom April und Mai 2012 erfolgte, weil die Agentur über einen vereitelten Terroranschlag auf ein Passagierflugzeug recherchiert und berichtet hatte, der vom jemenitischen Ableger des Terrornetzes Al Qaida im Mai 2012 – aus Anlass des ersten Jahrestages der Tötung von Usama Bin Ladin – geplant worden war. Das widersprach Obamas Kampagnenbotschaft im Präsidentschaftswahlkampf 2012, wonach Al Qaida nach der Tötung Bin Ladins im Mai 2011 nicht mehr zu katastrophalen Terroranschlägen gegen Amerika in der Lage sei." +++ Was dran ist am "ESC-Stimmenklau", ist noch nicht raus. Berichte in der Welt, scheinbar hottes Material hier. +++
+++ "Die taz forciert seit einiger Zeit das freiwillige Bezahlen für seine Online-Inhalte. Auch im Print-Bereich ist sie mit aus drei Stufen wählbaren Abo-Preisen und der genossenschaftlichen Organisation finanziell anders aufgestellt und lebt stark von der Solidarität ihrer Leser und deutlich weniger von Anzeigen. Ein Modell, dass zuletzt unter anderem von Jochen Wegener, dem Chef von Zeit Online, sehr gelobt wurde." Schreibt Meedia.de über die TAZ anlässlich der Beta-Phase von TAZ.de. +++ Wie die aussieht, kann man schon mit richtigen Berichten sehen, etwa dem von Jürn Kruse über das Ende des Fußballradios 90elf durch Rechteerwerb der Konkurrenz: "Dabei hatte das Leipziger Fußballradio, das seit 2008 auf Sendung ist, zuvor so sehr dafür gekämpft, dass neben den Fernsehrechten auch die Rechte für die Audioübertragungen ordentlich ausgeschrieben werden." +++ Neu und was mit online: In der gestrigen NZZ schrieb Marc Zitzmann über die franzöische Neugründung (Print und Web) "L'Opinion", die Geld im Rücken hat, aber auch noch Beta wirkt. Über die Tablet-Version heißt es: "Dafür gibt es daselbst drei 'Ausgaben' pro Tag, deren Inhalt sich freilich weitgehend deckt, und auf dem Smartphone einen morgendlichen Newsletter, der auf dem Tablet fehlt. Wer zwischen Computer, iPad und iPhone hin und her wechselt, weiss am Ende nicht mehr, was er wo schon gesehen und was er woanders womöglich verpasst hat. Sieht so das 'bimédia' der Zukunft aus?" +++
+++ In die Vergangenheit. In Berlin hat eine Ausstellung über Zeitungen unter Hitler geöffnet. Bernhard Schulz schreibt im Tagesspiegel: "Die Kontinuität der Berufslaufbahnen ist nur ein Seitenaspekt der Ausstellung, aber für die Nachgeborenen öffnet sich der Zugang am leichtesten über jene, die von einem System ins andere wechselten und, wie Höfer 1987, nichts Anstößiges darin finden konnten. Dass das in der DDR nicht anders war, verschweigt indessen der Katalog, und man muss annehmen, dass das keine fahrlässige Einäugigkeit ist." +++ Regina Mönch in der FAZ (Seite 31): "Bedauerlich, dass sich auch diese kritische Analyse auf den Westen beschränkt und die durchaus bekannten Beispiele von einflussreichen DDR-Journalisten mit NS-Vergangenheit ausblendet." +++
+++ Im Fernsehen: "Der Vollgasmann" mit Uwe Ochsenknecht. Für die FAZ (Seite 31) meint Morten Freidel: "Abgesehen davon, zeigt der Film aber, wie Eisblöcke und Katzen in eine Talkshow geraten können." +++ Für die TAZ Marlene Staib: "Schön nicht gelöst bleibt der Konflikt, da zum Ende hin nicht irgendwie versucht wird, einen moralischen Kompromiss zu basteln." +++ Tom Peuckert gibt im Tagesspiegel Hörtipps. +++
+++ Vermischtes: "Die 'Bild'-Zeitung berichtet in ihrer Mittwochausgabe von einem Exklusiv-Vertrag zwischen RTL und Thomas Gottschalk. Den Vertrag kann auch DWDL.de bestätigen." +++
Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder