Do ut DoS

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Peer Steinbrück hat in seinem Buch ein Blog gelobt, an dem Karl-Heinz Steinkühler beteiligt war – der Betreiber des Peerblogs, das gestern offiziell vom Netz genommen wurde. Offizieller Grund: "Hackerangriff". Die inoffiziellen Gründe sind der Talk des Tages. Einziger Verteidiger des Peerblogs heute: einer seiner Autoren. Dazu im Altpapier: die WDR-Intendanz, das Ende der Gerichtsfernsehshows, und der Merkur fordert: "Werdet Blogger!"

Es mangelt nicht an Leuten, die sich am gestrigen Donnerstag gut bis hervorragend amüsiert haben.

Teresa Bücker etwa, Referentin für digitale Strategie und soziale Medien bei der SPD-Bundestagsfraktion, schreibt über das Ende des Peerblogs über, für und letztlich auch gegen SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: "Der #Peerblog wird vermutlich lediglich als das #Peerblog gerelauncht. #scnr". ("scnr"? – Die Älteren werden sich erinnern: "Sorry, could not resist".)

Oder das Blog netzpolitik: "Wir haben auf jeden Fall Tränen in den Augen", heißt es dort, nachdem wir, also sie, also wohl Leute aus dem Umfeld von Blogger Markus Beckedahl, die Begründung gelesen haben, warum das der sogenannte Peerblog (siehe den gestrigen Altpapierkorb) offline sei.

Dessen Ende, per Twitter verkündet, ist die Mediennachricht des Tages, schon weil sie zahlreiche Ressorts berührt, von Politik bis Panorama. Zumindest ist sie das, wenn man die Suche nach einem Kandidaten für die WDR-Intendanz per Annoncen und vielleicht noch das nahe Ende des Fernsehgenres Gerichtsshow in Deutschland nicht wichtiger findet (siehe den heutigen Altpapierkorb).

Was ist aber so witzig? Witzig ist wohl, mit welcher Begründung es er abgeschaltet wurde. Vielleicht muss man, da das an dieser Stelle wegen diverser Verhindertheiten noch nicht in aller Länglichkeit ausgeführt wurde und weil heute auch keine andere Geschichte nach vorne drängt, nochmal sagen, was das der Peerblog für ein Dingsdi war: Der Peer Steinbrück will ja Kanzler werden. So ein Kanzler ist kein WDR-Intendant, da muss man also schon so richtig Leute hinter sich kriegen. Ist also nicht schlecht, wenn auch mal jemand sagt, warum man super ist. Das Der Peerblog wollte das tun. Es Er nannte sich unabhängig, es steckten anonyme Geldgeber dahinter, der Betreiber ist allerdings bekannt; und Steinbrück war eingeweiht und hatte zugestimmt.

"Es bleibt ja auch bemerkenswert, dass die Finanziers der Kampagnen-Website für den Kandidaten, der zuletzt das Hohelied der Transparenz sang, anonym bleiben wollten",

schreibt die FAZ auf der Medienseite; von einem sechsstelligen Betrag, der dafür zur Verfügung stehe, schrieb der Spiegel; und die Linken-Abgeordnete Dagmar Enkelmann gab nun wohl der Bundestagsverwaltung den Rat, "die Heimlichtuerei unter dem Punkt: Abgeordnetengesetz zu durchleuchten", wobei die Schärfe der Formulierung vom WAZ-Rechercheblog kommt, dessen Autor David Schraven seine eigene Geschichte mit dem Betreiber des Peerblogs hat; dazu gleich. Abgeordnetengesetz?

"Jede Sachspende über 5000 Euro ist dem Bundestagspräsidenten anzuzeigen, und dieser muss die Sachspende öffentlich machen, wenn die Sachspende mehr wert ist, als 10.000 Euro. Dankenswerterweise hat der PeerBlog ja schon gesagt, wie hoch der Wert ist, den seine anonymen Hintermänner in seinen Blog verschoben haben. Einen sechsstelligen Betrag."

Anders gesagt, das der Peerblog brauchte im Grunde dringend eine Strategie, um sich selbst möglichst schadlos abschalten zu können – das ist auch der Talk of the town zum Thema heute. Und da war sie: Nachdem das der Peerblog zwischendurch so seine technischen Problemchen hatte und etwas schwerer zu erreichen war als nötig, lahmgelegt wohl durch eine DDoS-Attacke, schreibt die das Blog betreibende Politagentur "Steinkühler-com":

"Auf der Wassersportmesse boot in Düsseldorf hat unser Kunde CAYAGO erstmalig seinen neuen Wasserschlitten SEABOB F5 vorgestellt."

Sorry, could not resist. Es geht natürlich um ein anderes Posting. Das: "Firewalls gegen unerwünschte Eindringlinge auf CIA-Niveau kamen und kommen für uns nicht in Frage." Was unerwünschte Eindringlinge wohl wie eine Einladung zum Wohnzimmergespräch verstanden haben. "Jedenfalls ist nun der politische Dialog über und für Peer Steinbrück auf dieser außerparteilichen Plattform brachial zerstört worden." Nicht wegen der intransparenten Finanzierung oder möglichen Verstößen gegen Verhaltensregeln für Abgeordnete, sondern wegen irgendwelcher dahergelaufener Angriffe, die möglicherweise so schlimm nicht waren, dass man nicht irgendwann auch wieder auf Sendung... na ja, Teresa Bücker jedenfalls weist via Twitter (Update) darauf hin, dass auch andere auf "CIA-Niveau" angegriffen wurden, aber trotzdem noch da seien. "Für Steinbrück hätte das verkorkste Internet-Abenteuer unterm Strich nicht glimpflicher ausgehen können", schreibt die FAZ.

Das Twitter-Interview der Rhein-Zeitung mit den ominösen Angreifern – dem "Team Medusa" – handelt auch von der Frage, ob ihre Aktion nicht einen super Vorwand liefere, das oder den Blog abzuschalten.

Während man sich bei Twitter hier und da an der in diversen Medien selbstverständlich auftauchenden Behauptung stört, es handle sich beim Team Medusa um "Hacker", wo man doch auch viel treffender von gelangweilten Vollidioten sprechen könnte, die die Meinungsfreiheit gerne verteidigen, solange niemand seine anderen Meinungen ohne tiefere IT-Kenntnisse verbreitet, könnte man auch noch zwei weitere Aspekte für relevant halten: Hinter dem dem Peerblog steckt(e) als Betreiber der Düsseldorfer Berater und Ex-Focus-Redakteur Karl-Heinz Steinkühler, von dem der Stern (nicht der Spiegel, den die FAZ nennt) schrieb, er gehöre zum Blog "Wir in NRW", das den damaligen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers im Landtagswahlkampf 2010 "mit Interna aus der CDU-Zentrale schwer in Bedrängnis" gebracht hat (FAZ).

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Wer mag, kann sich mit der Verbindung Steinkühler-Steinbrück noch befassen – nicht nur im aktuellen Spiegel, in dem von einer engen Verbindung Steinkühlers mit Steinbrücks Berater Hans-Roland Fäßler die Rede ist, sondern auch anhand der besagten Stern-Geschichte vom Mai, zusammengefasst seinerzeit etwa bei ruhrbarone.de, die auch aufschrieb, was David Schraven von der WAZ damit zu tun hatte – er hatte auch recherchiert und war dann von "Wir in NRW" kritisiert worden, er habe, weil seine Ergebnisse so dünn gewesen seien, dass seine eigene Zeitung sie nicht veröffentlicht habe, dem Stern weitergegeben. Ein Vorwurf mit dem Ziel, die Veröffentlichung unglaubwürdig zu machen, klar, was, wie man heute weiß, nicht geholfen hat – die Stern-Version hat sich in der Peerblog-Berichterstattung quasi als Hauptlesart durchgesetzt.

Der Stern also, 2012: "Vor zwei Jahren trug das [sic!] Blog 'Wir in NRW' zum Sturz von Jürgen Rüttgers bei. Jetzt zeigt sich, wie mutmaßliche Hintermänner vom Machtwechsel profitierten". Nämlich wie? "Sie erhielten Aufträge der Landesregierung in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro" (wobei nicht erwiesen ist, dass parteipolitische Erwägungen bei der Vergabe eine Rolle spielten). Und nun eben sechsstellige Beträge von anonymen Spendern, um in Rücksprache mit Steinbrück ein unabhängiges Blog für ihn zu schreiben – für jenen Steinbrück, der in seinem Buch "Unterm Strich" Weblogs als Refugium des "professionellen Journalismus für Informationen und Recherchen" beschrieb und als Beispiel "Wir in NRW" nannte (siehe auch FAZ vom 6.2.). Na ja.

+++ Und dann stünde da noch die Frage im Raum, warum auch Steinbrück nicht Barack Obama ist, nachdem doch schon Frank-Walter Steinmeier und Hubertus Heil keine gewesen waren. "Ziel sei es, Wahlkampfhilfe nach amerikanischem Vorbild für Steinbrück zu machen, hieß es auf der Seite", also auf dem Peerblog, schreibt der Tagesspiegel. Die US-Vorbildschaft ist auch das Thema des SZ-Meinungsbeitrags:

"Hierzulande wird noch lange Zeit kein Wahlkampf im Internet gewonnen werden. 'Politische Kommunikation wie in den USA' - dazu sind weder die Politik noch die Wähler bereit, und es ist auch nicht notwendig. Notwendig aber wäre, dass das politische Personal eine angemessene Sprache für die digitalen Medien findet. Dazu vielleicht zwei Zahlen: Obama hat derzeit knapp 27Millionen Anhänger auf Twitter. Steinbrück: 14000."

Einen Verteidiger des Peerblogs gibt es übrigens: Markus Schwarzer, einen Autor des Blogs und nebenbei auch ganz unten auf der Seite des Steinkühler-Teams. Er bloggt auf einer eigenen Seite:

"Der [Peer-]Blog war nicht, wie oft kritisiert wurde, als Plattform für Steinbrück-Lobeshymnen angelegt. Er hatte den Spott im Netz nicht verdient. Natürlich wollten wir tendenziöse Berichterstattung machen. Und natürlich wollten wir die politischen Gegner kritisch betrachten. Der PeerBlog wurde nicht als neutrales Medium verkauft – da stand dick 'Peer' drauf, und das sollte auch drin sein. Aber wir wollten redaktionelle Qualität abliefern. Das tun, was Parteien nicht können."

Schwarzers Kritik an Leuten, die Sachen, die ihnen nicht passen, qua technischer Überlegenheit einfach ausknipsen, statt mal zu schauen, was der Rest der Welt dazu sagt, ist natürlich berechtigt. Der Versuch allerdings, das den Peerblog als Journalismus zu verkaufen, nur weil dort wohl auch ausgebildete Journalisten arbeiteten, wird hiermit zum Nice try des Tages gekürt:

"Wahrscheinlich hätten wir Informationen geliefert, die andere nicht haben. Und wir hätten zur Meinungsvielfalt im Wahlkampf beigetragen. Doch dazu kam es nicht. Das Projekt PeerBlog wurde gestoppt, bevor wir überhaupt zeigen konnten, was wir können. Auch ich kenne die Investoren nicht, die sind mir auch egal. Ich habe mit dem Geschäftlichen der Agentur nichts am Hut, ich bin Redakteur, ich werde dafür bezahlt, dass ich schreibe, recherchiere, berichte. Und genau das wollte ich tun."


ALTPAPIERKORB

+++ "Gesucht wird eine Persönlichkeit, die (...) den öffentlich-rechtlichen Auftrag umsetzt und vermittelt" – es geht um die Besetzung der überraschend freien WDR-Intendanz, die nun in SZ, FAZ und Zeit per Inserat ausgeschrieben ist. Ein Pirat vielleicht? Johannes Ponader? Der ist immerhin überzeugt: "Whistleblowing gehört zum Parteiprogramm" – von wegen mehr Transparenz bei den Öffentlich-Rechtlichen +++

+++ Apropos gute Witze: Altpapier-Autor Matthias Dell schreibt im Freitag über eine Veranstaltung mit Til Schweiger und FAZ-Kritiker Andreas Kilb, bei der ersterer sein Verständnis der Fernsehkritik als Serviceveranstaltung ausstellte: "Man fragt sich dann nur, wohin Gespräche führen sollen mit jemandem, der einen so indiskutablen Begriff von Öffentlichkeit hat, dass er Kritik nur als PR oder Service verstehen kann; (...) der in all seinen Äußerungen über das eigene Werk quasi ausschließt, dass man Til-Schweiger-Filme schlecht finden könnte, weil sie keine perfekten Kunstwerke sind, und nicht, weil man sich von Pressevorführungen ausgeschlossen fühlt oder mit dem 'Populären' ein Problem hat" +++ Medienstarlet Dell ist auch ungenannterweise Thema im Tagesspiegel, in dem es um jene "Tatort"-Buchreihe und eine markenrechtlich Auseinandersetzung mit der ARD geht, die an dieser Stelle schon gestern Thema war. Dell ist der Autor des aktuellen Buchs +++

+++ "Werdet Blogger!", empfiehlt im Merkur Anton Tantner – eine Replik auf den FAZ-Text des in Luzern lehrenden Historikers Valentin Groebner vom Mittwoch, der "ein Plädoyer für Papiermedien und die “Netzunabhängigkeit” der Wissenschaft hielt", so Tantner. Er erwidert: "Insgesamt mangelt es dem Beitrag Groebners leider an der konkreten Auseinandersetzung mit den bereits bestehenden wissenschaftlichen Webangeboten; stattdessen bevorzugt er es, auf Pappkameraden  (“Hippie-Kitsch”, “Erlösungsprophetie[n]“) zu schießen, die, wenn überhaupt, dann in den Anfangszeiten des Internets bei manchen NetztheoretikerInnen eine Rolle gespielt haben mögen, aber für die derzeit im Web aktive Generation von WissenschafterInnen – weder für mich noch für die Mehrzahl meiner bloggenden KollegInnen – von Relevanz sind" +++ Dazu am Rande passend: Der Tagesspiegel über den "Next Media Report" zweier Reporterinnen +++

+++ Die taz begründet im Blatt noch einmal, warum ihre zwei freien Mitarbeiter die Fotos, die von der Polizei beschlagnahmt wurden, um bei der Aufklärung einer Straftat zu helfen (und die nun angeblich nicht ausgewertet werden, wie die FAZ prominent und die taz am Rande schreibt, bis geklärt sei, ob die Fotografen vorrangig Journalisten oder vorrangig "in der linken Szene" tätig seien), nicht freiwillig herausgegeben hätte: "Wenn es das Beschlagnahmeverbot für Journalisten nicht gäbe, hätten unsere Fotografen auf der Demonstration gar nicht ungestört fotografieren können. Die Fotos, die die Polizei haben will, würden gar nicht existieren. Die Strafverfolgung der Täter würde nicht einfacher. Nur die Berichterstattung über Demonstrationen – die würde behindert" +++ Ein konkretes Angebot des türkischen Unternehmers Burak Akbay für die Frankfurter Rundschau, das dieser angekündigt hatte, liege noch nicht vor, schreibt die SZ +++

+++ Gerichtsshows sind vorbei: Am Dienstag wird die letzte Folge von Richter Alexander Hold (14 Uhr), den die Süddeutsche Zeitung zu diesem Anlass besucht hat: Die neuen Formate –  nämlich die Gerichtsshows im Vergleich zu den vorher eingesetzten Nachmittagstalkshows – "waren keine 'Fortsetzung des Talks mit anderen Mitteln', wie es damals hieß, sie waren eine Entwicklung: Lösungsorientiertes Fernsehen war das Rezept." Und nun: "Es ist der Abschied eines Genres, und an wenigen anderen haben sich die deutschen Feuilletons so ausdauernd abgearbeitet wie an diesem" +++ Jedenfalls wenn man von Til-Schweiger-Filmen und vom "Dschungelcamp" absieht, das auch heute anlässlich seiner Grimme-Nominierung wieder Diskussionsthema ist. Das heißt, eigentlich ist das Thema heute das Grimme-Institut: Der Blogger mit dem Bloggernamen Gregor Keuschnig hat das Schreiben von Grimme-Direktor Uwe Kammann gelesen und seziert: "In den Statuten des Grimme-Preises steht tatsächlich so etwas wie ein kategorischer Imperativ. Danach sollen Sendungen ausgezeichnet werden, die 'die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Fernsehen auf hervorragende Weise nutzen und dabei nach Inhalt und Form Vorbild für die Fernsehpraxis sein können.' (Es ist der einzige Satz, der mir von den Statuten ad hoc verfügbar ist. Er wird entsprechend häufig zitiert.) Das 'Dschungelcamp' nutzt demzufolge nicht nur 'auf hervorragende Weise' das Medium Fernsehen (dies kann man durchaus konzedieren, ohne ein ästhetisches Urteil abzugeben), sondern es dient auch als 'Vorbild für die Fernsehpraxis'. Jeder möge sich selber ein Urteil bilden, ob Gefurze auf Toiletten vorbildhaft für das Fernsehen sein sollte" +++

+++ Unterhaltung entdeckt die SZ im "Sportschau Club", allerdings keine gute (S. 47): "Hier bekommt das Publikum mit Netzwerkzugriff einfach die Witze vorgelesen, die es selbst gerade gemacht hat. (...) Solche über Angela Merkels Kleidung ('Wie viele Mäntel hat denn Angie übereinander an?') hat nicht mal mehr Matze Knop gemacht" +++ Mehr Fernsehen: Die taz bespricht vorab schon mal die dritte Staffel von "Kommissarin Lund" +++ Die Berliner die Anwaltsserie "Injustice" +++ Die FAZ die RTL-Nitro-Serie "Breakout Kings" +++ Die sich auch mit der Zeitgemäßheit von "Mainz bleibt Mainz" befasst; in der Generalprobe ging es auch um Herrn Brüderle, dem dabei empfohlen wurde, im Dirndl zur Faschingssitzung zu erscheinen, gnihihi +++ Und der Tagesspiegel schrieb vorab über die gestrige Berlinale-Eröffnung mit Anke Engelke +++ Ebd. befasst sich Kurt Sagatz mit Video-on-Demand-Anbietern +++

Altpapier gibt es wieder am Montag.

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