Die Gottschalk-Firma Dolce Media steht für "illegale Schleichwerbung in Reinform" in der Kritik. Die Haushaltsabgabe wird von ihren Kritikern als Steuer gedacht. Das erste Dschungelcamp nach Dirk Bachs Tod ist "zu normal". Und Götz George ist in "Schwarzenegger-Form".
Die Antwort auf die Frage, ob der Dschungel nur im Dschungelcamp stattfindet oder auch bei "Wetten, dass..?", lautet – na ja, wissen Sie selbst. Was ist schließlich schon kein Dschungel?
Da heute unter anderem der Start von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus" (RTL), vulgo: Dschungelcamp, und Schleichwerbung bei "Wetten, dass..?" (ZDF) die Medienseiten füllen, drängt es sich dennoch auf, darauf hinzuweisen, dass ein Dschungel sich nicht über dubiose Tiere definieren lässt, die im Dschungelcamp eine große Rolle spielen, egal ob Kakerlaken oder Krokodile – die gibt es auch in Savanne, Flüssen oder Küchen. Sondern über die Undurchdringlichkeit und -schaubarkeit des Wuchses.
Heute steht damit das ZDF im Vergleich zu RTL wie der eigentliche Dschungelsender da. Während bei RTL eigentlich alles ziemlich eindeutig ist – der Sender verdient Geld mit Werbung und sonstigen kommerziellen Aktivitäten, und das mag mal nerven, ist aber von vornherein klar –, "trifft das ZDF ausgerechnet auf dem Höhepunkt der aktuellen Gebührendebatte ein neuer Werbeskandal", wie der Spiegel schreibt. Der Spiegel nennt den Skandal zwar auch deswegen Skandal, weil er ihn auf den Titel genommen hat. Dennoch stimmt es: Wenn ein Skandal mit einer Normverletzung beginnt und mit viel medialer Berichterstattung und Aufregung darüber weitergeht, dann handelt es sich in diesem Fall wohl um einen; nur wie groß er ist, ist noch nicht abgemacht.
Es geht um die Thomas-Gottschalk-Ära beim ZDF und ihre Nachwirkungen auf die Post-Gottschalk-Ära, also um "Wetten, dass..?". Stichwort: Schleichwerbung. Ähnlich wie in Fällen, in denen die Pressefreiheit nachweislich bedroht ist, sind sich auch hier zumindest Medienjournalisten bislang einigermaßen einig, dass die nicht verhandelbar sei.
"Die 1999 von Christoph Gottschalk, dem Bruder des langjährigen ZDF-Showmasters Thomas Gottschalk, gegründete Firma Dolce Media bietet seit Jahren zahlungswilligen Unternehmen die Möglichkeit, für Millionensummen verbotene Werbung in Deutschlands populärster Fernsehshow "Wetten, dass ..?" zu platzieren."
So jedenfalls beginnt die Zusammenfassung der Geschichte beim Spiegel selbst, in der Online-Vorabmeldung aus dem Heft. Bei Spiegel Online, nicht zu verwechseln mit dem Spiegel online, heißt es als Beispiel:
"Die im Dezember 2003 für eine Laufzeit von drei Jahren geschlossenen Verträge mit DaimlerChrysler regeln die Kooperation bis in kleine Details – etwa dass 'die konkrete Anmoderation' für ein in 'Wetten, dass ..?' präsentiertes Sondermodell der Mercedes A-Klasse 'zwischen den Parteien einvernehmlich festgelegt wird'."
Die Frage ist, wie immer, wenn es um Kram geht, in den man sich vielleicht ein wenig einlesen muss, bevor man seine Dimension durchschaut: Worum geht es eigentlich? Die Süddeutsche Zeitung:
"Die Kernfrage, die der Bericht aufwirft: Hat Dolce Media den Konzernen Zusagen gemacht, die in die redaktionelle Unabhängigkeit eingriffen?"
Diese Frage lässt etwa den Deutschen Journalisten-Verband das Vokabular der Terrorismusbekämpfung auspacken; ihm zufolge wurde nicht nur eingegriffen, sondern "massiv eingegriffen", was man, so wird der DJV-Vorsitzende Michael Konken zitiert, als "Anschlag auf die Redaktionsarbeit des Senders" zu verstehen habe, oder, um es in eigenen Worten zusammenzufassen, eigentlich müsste die Nato eingreifen: Bündnisfall. Die Schleichwerbung sei außerdem nicht einfach nur – klingt schon ein bisschen wie ein weißer Schimmel – "verbotene Schleichwerbung", wie sonst überall, sondern sogar "illegale Schleichwerbung in Reinform".
Ähnlich nach vorne geht heute formulierungstechnisch der Tagesspiegel, aber vor allem mit seiner skandallustigen Web-Überschrift: "Die Brüder Gottschalk machten sich die Taschen voll". Der Wille ist also da, doch der Artikel fällt dann ganz so steil, wie er obenrum klingt, untenrum doch nicht aus; Joachim Huber schreibt etwa – was für Leser gemeinhin gar nicht so schlecht zu wissen ist –, was an der Sache neu sei:
"Neu an der Recherche des Nachrichtenmagazins ist zweierlei: Wie geschickt und findig die Gebrüder Gottschalk, namentlich der Dolce-Media-Geschäftsführer Christoph (ein Jahr jünger als der heute 62-jährige Thomas), vorgegangen sind, um interessierten Unternehmen die Werbebrücke in die Liveshow zu bauen. Und wie sich die Partner, darunter Daimler oder Audi, und das Zweite Deutsche Fernsehen sich immer wieder versichern ließen: Die Werbeauftritte seien alles, aber keine verbotene Schleichwerbung".
Der Medienredakteur der FAZ derweil, Michael Hanfeld, fasst den Fall in dieser Zeitung im Politikbuch (S. 9) fürs erste in indirekter Rede zusammen und lässt auch die inkriminierte Dschungelanstalt zu Wort kommen – im Verhältnis zum hier nur einspaltigen Gesamtartikel sogar reichlich:
"Verboten sind eine direkte Einflussnahme auf die Sendung, redaktionelle Verabredungen oder heimliche Werbung, die es nach Darstellung des ZDF auch nicht gab. 'Dem ZDF liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass im Zusammenhang mit der Präsentation von Gewinnspiel-Preisen Schleichwerbung bei 'Wetten, dass . .?‘ stattgefunden hat', sagte Sprecher Alexander Stock dieser Zeitung: 'Einflussnahme von Dritten auf redaktionelle Entscheidungen gab es nicht.'“
Irre: Bild Online hatte Sonntagabend nur einen einzigen Text zum Thema auf der Site, bereinigt um ein Fragezeichen gab es dann auch eine Version auf der Startseite bild.de. So oder so, der Fall ist wunderbar instrumentalisierbar für die große Wut, die Bild – siehe Bildblog – eigentlich gegen DAS SYSTEM anzetteln will. Welches System gemeint ist, stieß uns im etwas verlängerten Wochenende Henryk Modest Broder in der Welt Bescheid, der "Arroganz und Selbstgefälligkeit" des öffentlich-rechtlichen Systems mit was?, logo, mit Arroganz und Selbstgefälligkeit der SED zu vergleichen wusste. Ob der arme Broder sich wohl langweilt, wenn er nach möglichst drastischen Vergleichen sucht, sein Diktatoren-Quartett aber keinen neuen mehr hergibt?
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Der jüngste Haushaltsabgabe-Text der Welt steht online direkt unter dem Gottschalk-Schleichwerbungs-Text. Während der Tagesspiegel, dessen Text, wie jener der Welt, in der Stoßrichtung erwartungsgemäß kritisch ausfällt, in einem weiteren Kommentar zum Thema die Abgabe bereits "Medien-Steuer" nennt, fragt die Welt: Was, wenn man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk tatsächlich über eine Steuer finanzieren würde statt über eine Gebühr?
"Erstens könnte man die Abteilung 'Beitragsservice' schließen und viele Millionen Euro sparen. Zweitens gäbe es mehr Transparenz, denn wenn die Rundfunkräte ihre Ausgabepläne jedes Jahr einem Finanzminister erläutern müssten, käme auch heraus, wofür genau das Geld verplant ist. Drittens gäbe es eine Kostenbremse."
Die Funkkorrespondenz, die in zehn Analysen und zehn Bildern auf das vergangene Fernsehjahr zurückblickt, schreibt im Segment "Die öffentlich-rechtlichen Sender" ebenfalls über die Haushaltsabgabe – die Diskussion darüber ist schließlich nicht erst zwei Wochen alt – und den Unmut über die GEZ, die Dietrich Leder "selbstherrlich" nennt, aber aus irgendwelchen Gründen nicht mit der SED vergleicht. Und sie kommt dabei auch auf die Journalisten zu sprechen, die 2012 über die Umstellung berichteten:
"die Intendanten nahmen den wachsenden Unmut nicht wahr. Das nutzten die Journalisten aus, die im Namen ihrer Verleger nun ihr Mütchen am öffentlich-rechtlichen System kühlten. Um es noch einmal klar zu sagen: Die neue Haushalts- und Betriebsstättenabgabe, wie sie auch genannt wird, ist sinnvoll, sie vereinfacht nach einer gewissen Zeit den Einzug und reduziert die Verwaltungsarbeit der GEZ, so dass Gebührenmittel für das Programm frei werden."
Um das Haushaltsabgabe- mit dem Gottschalk-Thema zu verbinden: Während bei den Schwestern Welt und Bild, der nicht nur das Bildblog, sondern auch Spiegel Online und die Frankfurter Rundschau und Berliner Zeitung eine Kampagne vorwerfen, der Ärger über den Fall von Schleichwerbung kleiner ausfällt als der über die Haushaltsabgabe, ist es bei den Schwestern Frankfurter Rundschau/Berliner Zeitung anders herum; sie schreiben über die "Wetten, dass..?"-Werbekooperationen:
"Ärgerlich daran ist, dass durch das Geld ihrer Zuschauer die Öffentlich-Rechtlichen solche Mauscheleien gar nicht erst nötig haben müssten. Dagegen sind vereinzelte irrtümliche Abbuchungen bei der Umstellung von rund 42 Millionen Beitragskonten holprige Begleiterscheinungen."
+++ Dem Dschungelcamp waren am frühen Montagmorgen nur fünf von sieben Artikeln im Aufmacherbereich von meedia.de gewidmet – ganz schwach, oder um es mit Harald Stauns FAS-Kolumne "Die lieben Kollegen", diesmal über die "Einschaltquotenberichterstattung" zu sagen: "Gerne greift man zu Floskeln der Sportberichterstattung und kommentiert die Ergebnisse, statt sie einfach zu melden, als wären die Zuschauer – wie Fußballfans – nicht an der Qualität der Sendungen selbst, sondern an ihren Ergebnissen interessiert. Nie sind die Quoten einfach hoch oder niedrig, sondern immer auch: passabel, enttäuschend, annehmbar, mau, überzeugend, ordentlich" +++
+++ Aber ging es nicht gerade noch um "Ich bin ein Star, holt mich hier raus", oder wie man bei Twitter, dem rebellischen Medium der verrückten Trendsetter, sagt: #ibes? Verweisen wir an dieser Stelle stellvertretend für die vielen Ticker, Zusammenfassungen, Kommentarspalten, Tweets und alle anderen Texte auf die Spiegel-Groteske über den mittlerweile schon ehemaligen Teilnehmer Helmut Berger vor einigen Wochen. Und auf den SZ-Text von heute, in dem Hans Hoff den verstorbenen Moderator Dirk Bach vermisst: "Vielleicht sagt den Machern der Show mal jemand, dass ein Moderationspärchen nur sinnvoll zum Einsatz kommt, wenn es aus zwei verschiedenen Charakteren besteht. Sonst ist es nur Privatfernsehen der Normalklasse. Normalklasse war die Dschungelshow aber nie, sollte sie auch nie sein. Sie war immer angelegt als hintergründig inszeniertes Kasperletheater für Freizeitzyniker aller Gehaltsklassen" +++
+++ Der meistbesprochene Fernsehfilm des Tages ist "Tod einer Polizistin" (ZDF, 20.15 Uhr), nicht nur wegen der Besetzung, die Joachim Huber vom Tagesspiegel mit der "Zunge schnalzen" lässt: Der Film sei "auf schnellen Fluss und wachsende Spannung hin gearbeitet, es gibt nicht die Deutungsebene drunter und nicht die Metaebene drüber", schreibt er +++ Die Süddeutsche bringt Regisseur Matti Geschonneck auch für den nächsten Deutschen Fernsehpreis ins Spiel: "es passt alles: das zurückgenommene, eindringliche Auftreten der Darsteller, die wenigen leisen, heiseren Worte, viele abschätzende Blicke, das Dunkle und Rohe der Stadt" +++ Und die FAZ attestiert Götz George "Schwarzenegger-Form", meint aber letztlich über den Film: "nicht mehr als Routine" +++
+++ Die taz bespricht eine Dokumentation über UN-Soldaten (ARD, 23.30 Uhr) +++ Und berichtet zudem über die Rückkehr der linksliberalen griechischen Zeitung Eleftherotypia +++
Das Altpapier stapelt sich wieder am Dienstag.