Die FTD steht vor dem Aus oder wird in einem mehrjährigen Prozess umgebaut – da besteht heute keine Einigkeit. Sylvester Stallone macht den Tom Hanks, die taz lässt ProQuote eine Zeitungssonderausgabe machen, und es gibt diverse neue Einschätzungen zur Zeitungskrise
Was vor kurzem an dieser Stelle über Tom Hanks' und Halle Berrys Geläster über "Wetten, dass..?" knallhart angedeutet wurde, nämlich dass es sich selbst beim Meckern über die Sendung noch um PR für ihren Film gehandelt haben könnte, besteht heute den Glaubwürdigkeitstest mit Note 1, um es mal mit der von uns bekannten Bescheidenheit zu formulieren: Sylvester Stallone, dessen Auftritt bei "Beckmann" selbst an uns Allesguckern völlig vorbeigegangen ist, kritisierte nun denselbigen und sagte laut Hamburger Morgenpost (und / einigen / anderen):
"Die schlimmste halbe Stunde meines Lebens! (...) Ich wollte über das Musical reden und nicht über Politik!"
Wenn heute nicht in allen Zeitungen Besprechungen stünden, dann wäre notfalls auf diesem Weg bekannt geworden, dass Stallone irgendwas mit "Rocky – Das Musical" macht. Hat also alles prima funktioniert.
Nach diesem Schluffithema zum Wachwerden, dessen intellektueller Reichtum aber groß genug ist, um ein paar Klicks abzugreifen, rein in ein knallhartes Medienwochenend- und Montagsprogramm, das mit "haltungsstark" insgesamt wohl ganz gut umschrieben ist: Die taz hat zahlreiche Frauinnen und Frauen von ProQuote eingeladen, um eine ganze Ausgabe zur Frauenquote zu machen. Am Samstag kam sie raus (kleine Fotos des Layouts bei kress), und wir kommen darauf zurück.
Und dann geht es anlässlich der Insolvenz der Frankfurter Rundschau wieder um die Zukunft der Zeitung. "Es ist alles sehr, sehr schlimm", fasst Dirk von Gehlen von jetzt.de /SZ in seinem Blog die allgemeine publizistische Stimmung zusammen, bevor er sich davon abgrenzt (Beispiel: "Das Prinzip einer 'Abendzeitung' ist keineswegs neu, es neu zu denken und auszugestalten, ist das Gegenteil des Endes einer Tageszeitung. Es ist der logische Entwicklungsschritt eines sehr vitalen Prinzips") und zu einem "Lob der Tageszeitung" ausholt, das mir als Autor einer und Freund der Wochenzeitung im Mittelteil ein wenig zu wochenzeitungskritisch ist – aber so verteidigt jeder eben immer seines.
Der Social-Media-Journalist Richard Gutjahr, der als erster iPad-Käufer bekannt wurde, verteidigt zum Beispiel in seinem Blog die Zeitung einfach mal nicht ("Natürlich wird es in Zukunft noch gedruckte Zeitungen geben, genauso wie es im Central Park von Manhattan heute auch noch Pferdekutschen gibt") und verweist stattdessen auf die Großartigkeit des Apple-Stores Apfel-Ladens.
Und so kann man im Grunde auch die Uhr danach stellen, dass es, wann immer es in einer Zeitung um die Zukunft der Zeitung geht, etwas pathetisch wird. Das Gute daran: Man muss zwar zunächst immer ein wenig aufpassen, dass man nicht von geschwenkten Zaunpfählen erschlagen wird – wenn man das allerdings schafft, weiß man wieder, warum man diesen Beruf gewählt hat. Weil Zeitungen Orte der intellektuellen Brillanz sind, wie es Gustav Seibt im SZ-Leitartikel vom Samstag formuliert hat:
"Was über die Krise gerettet werden muss, ist nicht notwendig die Zeitung auf Papier, sondern die Zeitung als Produkt, der Qualitätsjournalismus mit seinem intellektuellem Reichtum und seiner politischen Schärfe. Diese Gesellschaft ist viel zu komplex, viel zu angewiesen auf Analyse und Kritik, um auf eine reichhaltige Presse verzichten zu können."
(Dass dieser Qualitätsjournalismus im Konkreten manchmal nicht so hochwertig ist, ist eine typisch miesmacherische Medienjournalistenbeobachtung, die an dieser Stelle wirklich fehl am Platz ist.)
+++ Während der Spiegel einige seiner Redakteure, die selbst mal bei der Frankfurter Rundschau arbeiteten, eine Art Nachruf (S. 164 ff..) erstellen ließ, der, oft persönlich, von der Geschichte der Rundschau als "Zentralorgan der APO" handelt, gibt es in der heutigen taz ein Interview zur FR-Insolvenz mit Medienbeobachter Lutz Hachmeister, der die gedruckte Zeitung als solche allmählich in den Liebhaberstatus einer Vinylplatte übergehen sieht und über die FR sagt:
"Als Mitspieler im wahrnehmbaren Pressemarkt ist die FR seit längerem tot."
Derweil fragt sich Wolfgang Michal bei Carta, warum "gerade linke Zeitungen so große Probleme haben". Nehmen wir diesen bedenkenswerten Punkt als einen von vielen:
"Oft bereichern die Inhalte linker Zeitungen ihre Leser zu wenig. Es gibt für das Publikum wenig neue Erkenntnisse, kaum überraschende Einsichten oder Aha-Erlebnisse, kein Dazulernen, keinen Mehrwert – zur großen Enttäuschung der unterschätzten Leserschaft."
Wobei sich Michal allerdings nicht direkt auf die aktuellen Geschehnisse konzentriert, die Insolvenz der FR ist nur der Anlass für den Text. Die Financial Times Deutschland – nun nicht wirklich links und trotzdem auch nicht gerade mit kleinen Problemen gesegnet – kommt bei ihm etwa nicht vor. Von dort war noch am Sonntag aus mehreren Quellen zu hören, dass es bald mit ihr vorbei sein könnte: Spiegel und Focus berichten, die Tage der gedruckten FTD seien "offenbar gezählt" (Spiegel); es sei geplant, neben der FTD auch Impulse und Börse Online einzustellen. "Aus dem G+J-Wirtschaftsportfolio solle nur „Capital“ weitergeführt werden" (Focus).
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Nachdem vergangene Woche noch Rettungspläne für eine mögliche digitale Ausgabe geschmiedet wurden (siehe Altpapierkorb), berichtete das Hamburger Abendblatt (nicht frei online, siehe für eine Zusammenfassung Meedia) allerdings am Wochenende, dass es dafür ein Konzept gebe, weshalb, nicht nur bei DWDL, von "Rätselraten" die Rede ist. Meedia prophezeit, wobei das nicht der aktuelle Stand ist, sondern auf einer Analyse beruht: "Die FTD hat keine Perspektive. Eine Umstellung auf digital-only wird nichts bringen." Der aktuelle Stand derweil ist der von Sonntag (dpa-Meldung, etwa via SZ):
"Gruner+Jahr hat erklärt, dass die Zukunft seiner Wirtschaftsblätter noch nicht beschlossen sei. 'Fakt ist: Es gibt keine Entscheidung in diesem gesamten Prozess' (...). Am Mittwoch kommt der G+J-Aufsichtsrat zu einer turnusmäßigen Sitzung zusammen."
Dann wird beraten. Und sicher auch ein bisschen gerätselt.
+++ In der Quoten-taz vom Samstag steht u.a. ein Interview mit Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel: taz: "Sie haben bei der Pro-Quoten-Initiative nicht unterschrieben. Wieso eigentlich nicht?" – Jäkel: "Ich bin nicht gefragt worden. Schon eigenartig: Man fragte Journalistinnen, Intendantinnen, aber keine Verlagsmanager. Immerhin habe ich damals quasi die Hälfte des Gruner + Jahr-Deutschlandgeschäfts verantwortet. Aber ich hätte wohl auch nicht unterschrieben" +++ Die weiteren Medienthemen in der Ausgabe sind zahlreich – ProQuote ist schließlich eine Initiative für die Frauenquote in den Medien. Schön: die Sammlung von Interviewabsagen von Chefredakteuren +++
+++ Über die Intendantenwahl bei der Deutschen Welle berichtet die Funkkorrespondenz und nennt als Kandidaten u.a., mit Bezug auf dpa, den rheinland-pfälzischen Staatskanzleichef Martin Stadelmaier (SPD) +++ Die SZ interviewt auf der Medienseite, nach Olaf Scholz (SPD) zur Rolle des medienpolitischen Standorts Hamburg (Rheinland-Pfalz bleibt Hochburg, so Scholz; und wenn mal die CDU dort regiert?, tue sie ja nicht, so Scholz), am Samstag, heute ebenso groß Andreas Weinek vom History- und Biography-Channel über Unterhaltung und Geschichte und Geschichtsunterhaltung +++ Noch eine Focus-Mediengeschichte neben der FTD-Meldung: CSU-Chef Horst Seehofer habe dem ZDF vorgeworfen, die Affäre um den Anruf von Strepp in der "heute"-Redaktion übertrieben behandelt zu haben +++ Die Berliner Zeitung schreibt über den BBC-Missbrauchsskandal +++
+++ Im Fernsehen, in Kürze: "Verrückt nach Fußball. Eine Reise durch die Fankurven Italiens" (ZDFinfo, 18.30 Uhr) und "Familie Windscheidt – Der ganz normale Wahnsinn" (ZDF, 20.15 Uhr) werden besprochen von der FAZ +++ Der Tagesspiegel blickt auf die ARD-Themenwoche "Leben mit dem Tod", speziell auf "Reisen ins Jenseits" (ARD, 23.30 Uhr) +++
Das Altpapier stapelt sich wieder am Dienstag.