Dann fragen wir halt Elitz

Dann fragen wir halt Elitz

Ein Mann für alle Fälle: Ernst Elitz ist da, wo man ihn braucht. BDZV-Kongress-Gedanken, Stolte-Memoiren-Rezension. Weitere Ermunterungen für die Verleger aus der Werbebranche. Was Kohl auf dem Spiegel-Titel und anderswo macht. Und: Wird das LSR auch für Twitter-Meldungen gelten, mit denen Bild.de seine Berichte pimpt?

So kann's gehen: Gestern hier noch rumgejammert, dass das Format der Bildergalerie im Online-Milieu auf den Hund gekommen ist, da haut meedia.de heute eine raus, die sich gewaschen hat:

"So tagten und feierten die Verleger", wird das Exklusivpackage unscheinbar, fast möchte man meinen: unter Wert verkauft. 33 intime Aufnahmen von BDZV-Fotograf David Ausserhofer! Sie geben Einblicke in eine Welt, die Außenstehenden oft verschlossen ist. Sie eröffnen Perspektiven ins Gehäuse der Verlegerwelt, die viele nur durch die Produkte kennen, die aus ihr hervorgehen. Aber die Menschen dahinter? Und der Clou ist: Meedia.de, man möchte Mäuschen gewesen sein bei der bestimmt langwierigen, kontroversen Redaktionssitzung, hat sich dazu entschieden, die Bilder ohne lästige Bildunterschriften zu präsentieren, um das sanfte Rauschen, ihre serielle Schönheit nicht zu ins Gegenteil zu verkehren. Ein Konzept-Kunstgriff! Vergleichbar nur mit der Harald-Schmidt-Sendung auf Französisch.

Nach dem Durchklicken möchte man umgehend den großen Alltagsforscher Helmut Höge anrufen und um Katalogisierung bitten: Männer in Anzügen; Männer in Anzügen, die rumstehen; Männer in Anzügen, die sich die Hand geben; Männer in Anzügen hinter Redepulten. Herrlich.

Geredet wurde auf dem BDZV-Kongress freilich auch. Wie gestern finden sich auch heute Mixed Pickels aus dem Tagungsprogramm auf den verschiedenen Medienseiten.

Steffen Grimberg geht in der TAZ noch einmal auf den Auftritt des Piraten Bruno Kramm ein:

"Weil Hemmschwellen zu überwinden waren, schmiss sich Moderator Claus Strunz wie im Kinderfernsehen an Kramm ran: der Pirat, das unbekannte Wesen. Kramm trug's mit Fassung und gewann gegen die süffisant-kritischen Fragen des Springer-Manns nach Punkten: Freier Zugriff auf urheberrechtliche geschützte Werke im Netz könnten durchaus Sinn ergeben, weil die so größeren Nutzerkreisen überhaupt bekannt würden. Und: Stimme die Qualität, stelle sich auch Zahlbereitschaft ein."

Furore machte auch das Referat von Werbeagenturchef Uli Veigel, das horizont.net referiert.

" Doch auch im Lokalen dürften sich die Zeitungen nicht ausruhen. Zwar seien sie hier aufgrund der überschaubaren Größe sehr nah an der Zielgruppe und könnten vor allem durch Authenzität, Glaubwürdigkeit und Seriösität in einer immer volatileren Gesellschaft Orientierung geben. „Aber unterschätzen Sie nicht die Gefahr, die im Lokalen lauert. Schnell kommt ein großer Player aus dem Netz, und übernimmt Ihre Rolle. Darauf müssen Sie vorbereitet sein“, so Veigel weiter."

Ulrike Simon hebt in der Berliner ebenfalls auf Veigels Rede ab, der von einem durch zahllose Rabattangebote nicht mehr so leicht steuerbaren Konsumverhalten des Endverbrauchers zu berichten wusste.

"Die Lösung, die Veigel den Verlegern präsentierte, ist nicht wirklich neu. Sie lautet: Lernt die Leser kennen, oder wie Veigel es formulierte: 'Das Beziehungsmanagement entscheidet, welche Marken sich durchsetzen.'"

Nicht ganz so eindrucksvoll muss der Auftritt des CDU-Politikers und gewesenen Verteidigungsministers Franz-Josef Jung dahergekommen sein (ein Schalk, wer angesichts dessen neuer Tätigkeit an eine gute Schule denken muss). Die TAZ schreibt:

"Jung ist nämlich neuer Vorsitzender des medienpolitischen Expertenkreises der CDU. Deshalb saß er beim Verlegerkongress mit auf dem Podium, neben Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Der hat Medienpolitik in der Hansestadt zur Chefsache gemacht. Um es mal vorsichtig zu sagen: Die CDU mit Jung nicht gerade. Da konnte Strunz noch so harmlos fragen - bei Jung tat sich ein Abgrund von Ahnungslosigkeit auf. Dabei sitzt er schon seit Jahren im ZDF-Fernsehrat.

Ist das ein Widerspruch, fragt sich der Anhänger des relativ jungen Genres der Dieter-Stolte-Memoiren-Kritik – die Politikvertreter in den Gremien des öffentlich-rechtlichen Gremien vertreten doch ihre Partei und nicht den zeitgemäßen Rundfunk.

Christian Meier erklärt auf meedia.de den Kongress im dort performten Dreisatz von Selbstbewusstsein, Zweifel und Verteidigung (Jung!).

"Die Automobilbranche spricht in einer Krise sicherlich nicht darüber, ob das Auto noch eine Zukunft hat – selbst wenn darüber in den entsprechenden Abteilungen intensiv geforscht wird. Die Verlagsbranche ist da etwas anders, an der Selbstdarstellung kann noch einiges verbessert werden."

It's all about die richtige Verkaufe. Besonders bemerkenswert ist aber ein anderer Abschnitt aus Meiers Text.

"Der Publizist Ernst Elitz, der kurzfristig für Stefan Aust eingesprungen war, um eine Art Generalkritik an der Branche zu üben, wartete mit der Idee auf, Redakteure mit Berufserfahrung als Online-Verantwortliche einzusetzen, um die Qualität der Inhalte zu steigern – Jungredakteure könnten dagegen die gedruckten Zeitungen befüllen. Ein bei Elitz' sonst eher allgemein gehaltener Kritik durchaus origineller Gedanke."

Und zwar nicht so sehr wegen des Gedankens selbst, und auch nicht wegen der Tatsache, dass Ernst Elitz überhaupt ein "durchaus origineller Gedanke" zugeordnet werden konnte.

Nein, die tiefe Weisheit dieser Passage liegt in dem Einschub ("der kurzfristig für Stefan Aust eingesprungen war"), der Ernst Elitz charakterisiert wie es ein 1000-seitiges Sachbuch von Hans-Peter Schwarz nicht besser könnte. Ernst Elitz ist ein publizistisches Komplettangebot auf zwei Beinen: Er kann immer ("kurzfristig"), ist dabei aber nie so prominent oder interessant, dass man ihn exklusiv wollte ("für Stefan Aust"), aber immerhin doch so bekannt, dass man dann einen Namen präsentieren kann, hinter dem die Notiz "Gründungsintendant des Deutschlandradios" als Echo von Qualität heute nur noch dazu taugt, die letzten Zweifel an der Notlösung wegzuwischen.

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Insofern würde man gern wissen, wer dem Tagesspiegel alles abgesagt hat, als dort die Dieter-Stolte-Memoiren in der Medienredaktion eintrafen und der Entschluss gereift war, sie besprechen zu lassen. Vielleicht könnte Benjamin von Stuckrad-Barre bei Gelegenheit mal ein Dramolett über die schweren Redaktionsstunden am Anhalter Bahnhof verfassen – "Schächter will nicht, und Bellut geht nicht, der stellt das Buch vor." – "Müssen wir das überhaupt machen, in der Berliner stand, das Buch läse sich wie eine Verwaltungsanordnung." – "Stolte war 20 Jahre ZDF-Intendant, ich bittte dich, der muss doch was zu erzählen haben, der ist schon ne wichtige Figur" –, das zahllose Argumente später auf dem folgenschweren Satz auslauten müsste: "Dann fragen wir halt Elitz."

Voila. Und Elitz, der alte Hase, weiß natürlich, wie man ein Publikum gewinnt und fängt mit einem witzigen Einstieg an:

"Ich wette, Stefan Raab war Schülerpraktikant beim mongolischen Staatsfernsehen, denn als Dieter Stolte Anfang der 90er Jahre mit kleinem Tross Ulan Bator besuchte, wurden die ZDFler mit Wodka und Stutenmilch abgefüllt, um dann in geselliger Runde von ihren Gastgebern zum sportlichen Wettkampf gefordert zu werden."

Und für alle, die den Witz noch nicht verstanden haben, steht dann unter der Schilderung der Kämpfe ("Mongole gegen Mainzelmann") zur Sicherheit noch mal:

"Wer anders als Raab konnte das ausgeheckt haben. Nur im ZDF glaubt man noch immer an einen mongolischen Volksbrauch."

Ansonsten bewundert Elitz an Stolte vor allem dessen Geschick bei erfolgreichen Mauscheleien und Deals im Intendantenbiz. Es soll auch Leute geben, die zu Buchbesprechungen Kritik sagen.


ALTPAPIERKORB

+++ Stefan Winterbauer bewirbt sich auf meedia.de als Co-Autor fürs neue Spiegel-Blog. Fast detektivisch unterzieht er die aktuelle Titelgeschichte über Helmut Kohl im Spiegel einem Vergleich mit der letztjährigen Titelgeschichte über Helmut Kohl im Spiegel und stößt auf viele Gemeinsamkeiten. So viel passiert im Leben von Rentnern, die nicht Ernst Elitz heißen, offenbar nicht. Womöglich wäre Winterbauer sogar der bessere Autor für die Geschichte, zeigt er doch Insiderwissen vor, das die existierende Erzählung von Kohl als Gefangenem seiner Frau widerlegen könnte, wenn nicht erschüttern könnte: "In Berliner Politikkreisen ist zudem keine Rede davon, dass der Altkanzler ganz und gar eine 'Gefangener' seiner Frau sei." +++ Vielleicht ist aber auch gar nicht so interessant, was Kohls Frau macht und wie es Kohl dabei geht, sondern zu welchem Zweck Kohl heute überhaupt in Öffentlichkeiten jenseits CDU-Fraktion gekarrt wird. Wolfgang Michal wundert sich auf Carta über das Revival: "Es ist ein durchsichtiges Manöver, den alten Kohl nun zum verkannten und ausgegrenzten Bismarck zu stilisieren, der trotzig und beleidigt in seinem dunklen Sachsenwald hockt. Man lobt und preist ihn, um Angela Merkel mit der Lobhudelei ein wenig dissen zu können. ...Wenn linksliberale Journalisten den Altkanzler jetzt zum größten Staatsmann unter allen Bundeskanzlern hochjubeln, dann soll damit wohl auch die Generosität einer freien Linken demonstriert werden." +++

+++ Interessant ist, wie sehr Zahlen sprechen können. In einer kleinen Meldung in der FAZ (Seite 29) erklärt ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler die Beweggründe von hochgerechneten 5,27 Millionen Zuschauern des Films über die Jakob-von-Metzler-Entführung: "Der Film habe 'das Publikum überzeugt', sagte der Programmdirektor Norbert Himmler, 'weil er behutsam mit der Tragik der Ereignisse umgeht und dem Zuschauer Raum für eine eigene Meinungsbildung lässt'." +++ Lob begleitet auch die Arbeit von Aelrun Goette, deren neuer Film "Ein Jahr nach morgen" (20.15 Uhr, ARD) Portraits motiviert. +++ Für die TAZ hat Daniela Zinser Goette selbst getroffen, um deren "Unerschrockenheit" vor abgründigen Themen zu erklären: "Ihre Jugend in der DDR, ihr Engagement in der Friedensbewegung, spielen eine Rolle bei ihren Überzeugungen. Der Druck, unter dem sie als Teenager gestanden habe, sei sehr groß gewesen. 'Dadurch habe ich eine Form von Widerstand erlernt. Und ich bin zwar nicht freiwillig, aber umso nachhaltiger vom Gedanken des Kollektivs geprägt.'" +++ Für die SZ (Seite 31) ist Constanze von Bullion in die offenbar eindrucksvolle Altbauwohnung der Schauspielerin und Fotografin Margarita Broich gefahren, die in dem Film die Hauptrolle spielt. Martin Wuttke schläft noch, aber die Erinnerungen an Heiner Müller sind wach: "Sie hat also für Ausleuchtung gesorgt, hat Schauspiel studiert in West-Berlin, ist zu ihrem Heiner in den Osten gefahren, in dessen Plattenbauwohnung. Ein 'intellektuelles Lagerfeuer' war das für sie und vergnüglich: 'Heiner war lustig und ein einfach gestrickter Kamerad.' Sie hat oft 'an zu großen Tischen gegessen', war bei Klaus Kinski in San Francisco: 'Der hat natürlich nicht mich eingeladen, sondern Heiner.'" +++

+++ Die Zahl der Besuche im Back-und-Snack-Shop des Berliners Aaron Troschke hat sich schlagartig erhöht, seit dessen Auftritt am Montag bei "Wer wird Millionär?". Der KSTA hat den gängigen Agentur berichtet, die Bunte telefoniert, der Lokalteil der Berliner sich einen Termin absolviert. +++ Beim Bericht von Bild.de, der mit zahlreichen Twittermeldungen geschmückt wird, auch von Leuten, die das nicht wollen, fragt man sich, wie das Leistungsschutzrecht solche Fälle regeln wird. +++

+++ In der Berliner bespricht Harald Jähner schon mal die Verfilmung von "Der Turm", die nächste Woche läuft. "Für das Drehbuch wurde nur das Skelett der Handlung herauspräpariert, und auch das nur zum Teil, sagen wir gerade mal Gerippe und Gesäß. Extreme Straffungen sind bei einer knapp 1000 Seiten langen Vorlage nicht zu vermeiden. Aber dass nicht der geringste Versuch unternommen wurde, von den sprachlichen Eigenwilligkeiten des Buches einen kleinen Teil in eine adäquate Filmsprache hinüberzuretten, enttäuscht doch sehr." +++ In der SZ (Seite 31) berichtet Peter Münch, wie gestern die TAZ, über das Los der israelischen Tageszeitung Maariv, die einen neuen Eigentümer bekommt. +++ Joseph Croitoru schreibt in der FAZ (Seite 29) über den Prozess, der gegen einen Atheisten in Ägypten nach dem Islam-Schmähvideo angestrengt wird. +++ Joachim Huber verabschiedet im Tagesspiegel die "Desperate Housewives" in den Ruhestand. +++ Ebenfalls im Tagesspiegel: Sonja Pohlmann über die gestern vermeldete Übernahme von "Das Vierte" durch Disney. +++

+++ Und die TAZ-Kriegsreporterin Silke Burmester liefert tolle Ansichten von der Front: "Sehr aufgeräumt wirkt hingegen die neue Spitzenfrau bei Gruner+Jahr, Julia Jäkel, die, wie sie auf der Verabschiedung von G+J-Vorstand Bernd Buchholz gesagt haben soll, bei einem zurückliegenden Anlass "Pipi in den Augen hatte". Da ich nicht aus dem Rheinland komme, kannte ich Pipi bisher nur von unten, bin aber bereit, die Richtung zu ändern, wenn ich höre, dass Buchholz 5 Millionen Euro Abfindung erhält und ich daran denke, dass G+J vor allem Fotografen-Honorare auf ein Niveau gedrückt hat, auf dem kaum ein professionelles Arbeiten möglich ist." +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder gegen 9 Uhr.

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