Mehr Licht

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Mit der Rente ab 67 nichts am Hut: Thomas Gottschalk, Harald Schmidt, Waldi, Alexander Kluge. Außerdem: Anti-Gema-Proteste, Anti-Gema-Proteste-Gegenkommunikation und Verwertungsgesellschaftsgründungsüberlegungen

Man würde gern mal vorspulen, um zu wissen, wie das mit dem Nachruhm aka der Relevanz von Thomas Gottschalk eines fernen Tages aussehen wird. Ob die Leute sich erinnern, und wenn ja, woran.

Die neverending Hausse an Texten über Gottschalk verdankt sich derweil ja vor allem dem Umstand, dass seit dem Samuel-Koch-Unfall dauernd irgendwas Neues vermeldet kann: Wetten, dass..?-Ende, ARD-Vorabend, Bohlen-Sidekick. Und der Textproduktion in nächster Zukunft wird dienlich sein, dass bei "Gottschalk live" einige Medienjournalisten angestellt waren, die mit etwas Abstand, also nach dem übernächsten Desaster, Anschauungsmaterial haben, um aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Lucas Vogelsang macht den Anfang. Seite 3 im Tagesspiegel, Riesenriemen, liest sich, bleibt bei dem Gegenstand wohl nicht aus, allerdings auch schon wie ein Nachruf. Ein früher Weggefährte erzählt über den "Rock'n'Roller" Tommy:

"Klar ist da auch, dass einer wie er, rockend und rollend, Natural Born Entertainer, sich nur widerwillig in den Gedankenkäfig lästiger Nebensächlichkeiten sperren ließ. 'Die Arbeit war ihm nie angenehm, das hat er immer verachtet', erinnert sich Herrmann, 'er hat sich immer gesagt, ich habe mein Talent. Mit dem Rest will ich mich auch nicht belasten.'"

Das Problem an Gottschalk und damit an den Texten scheint nur zu sein, dass die Figur so geheimnislos ist. Die mehrfach variierte Frage –

"Der einstige Zirkusdirektor, ein stummer August unter der Kuppel im Tempodrom, warum tut er sich das an?"

– ist mit "Eitelkeit" eben relativ einfach zu beantworten.

[+++] Harald Schmidt unterscheidet von Gottschalk, dass er immer nur mit seinem Format tingelt. Harald Schmidt, könnte man in Abwandlung eines Zitats von Josef Winkler aus der heutigen TAZ sagen, "das ist wie Bürogehen und Eurorettung, der Alltag hat uns wieder." (Winkler meint die Bundesliga, mit der er nicht viel angefangen kann, und schreibt im Folgenden über den falschen Gebrauch des Wortes "Durchgang").

Weshalb das größte Missverständnis über Harald Schmidt vielleicht darin besteht, dass er mal groß und dann wieder nicht mehr gewesen ist. Dieses Missverständnis, dass Schmidts Late-Night-Sendung mehr sein müsste als routinierter Tagesrest, bilden die Kritiken zur ersten Sendung auf Sky mustergültig ab (siehe auch Altpapier von gestern)

Während Johan Schloemann in der SZ (Seite 29) – fälschlicherweise? – davon ausgeht, Sky sei ein Sender für Unterprivilegierte ("nur noch unter Prolls"), ist bei Michael Hanfeld in der FAZ schon die Überschrift enthusiasmiert von der Exklusivität, die ein Besserverdienenden-Sky-Abo verheißt ("Wir seh'n was Besseres").

Hanfeld referiert in seiner Eloge den Markus-Lanz-Gag und, wenn wir das richtig verstanden haben, erweitert ihn um einen eigenen:

"Historische Einordnung ist vonnöten: Die Rente ist NICHT sicher (Blüm). Ich bin NICHT ein Berliner (Kennedy). Jetzt wächst zusammen, was NICHT zusammengehört (Brandt). Niemand hat die Absicht, NICHT eine Mauer zu errichten (Ulbricht). Der Ball ist NICHT rund (Herberger). Ab 5.45 Uhr wird NICHT zurückgeschossen (das stand am Anfang). Niemand hat die Absicht, NICHT politisch unkorrekte Witze zu reißen (der Unterzeichner)."

Wenn das jetzt lustig sein soll? Spätestens beim letzten Satz sind unsere Verständnisschwierigkeiten so groß (vom Pointenbegreifen ganz zu schweigen), dass wir vermutlich eher Schloemanns Kritik zuneigen würden:

"Keiner lacht hier so herzhaft, wie er gerne lachen würde. Auch Klaas Heufer-Umlauf, einer der jetzt wechselnden Sidekicks, reißt es nicht raus, indem er in drei Minuten ungefähr 97-mal 'letztendlich' sagt."

Durch das neue Umfeld ändert sich allerdings doch was, und damit meint Schloemann nicht, dass die Quote nicht mehr zählt (die angegeben Zuschauerzahlen für die erste Sendung reichen von 20- bis 60.000):

"Da wird im Meer der weltweiten Konkurrenz zu augenfällig, dass Harald Schmidt in seinem Kerngeschäft, das ihn groß gemacht hat, heute deutlich zu wenig Eigenkapital einsetzt. Mit einem Tastendruck kann man etwa bei Sky zu US-Komikern wie Larry David wechseln: Da fällt der Vergleich nicht so günstig aus wie vorher im Umfeld des sonstigen Sat-1-Programms."

Da mag was dran sein, auch wenn Harald Schmidt ja schon seit je mindestens zwei Ligen unter den Könnern aus dem US-Fernsehen gespielt hat.

Wer noch weitere gegenteilige Meinungen sucht: In der TAZ ist AW sehr amüsiert:

"'Wie soll Thommy ,Wetten, dass ..?' schaden, wenn er es nicht mehr moderiert?' Es gibt noch Fragen, die nur Harald Schmidt stellt: Fragen, die die ganze Markus-Lanz-ZDF-Affäre um ein gesagtes oder nicht gesagtes 'nicht' radikal erden. Und von solchen Fragen dreht 'die letzte Glühbirne' im deutschen Fernsehen – wie es am Dienstag in der Sky-Anmoderation seiner neu beheimateten Show hieß – natürlich gnadenlos weiter."

Während Björn Wirth in der Berliner meint:

"Als 'letzte Glühbirne im deutschen Fernsehen' wurde Harald Schmidt am Dienstagabend angekündigt, und wenn das stimmt, dann sieht es dort ziemlich düster aus. Denn auch Harald Schmidt leuchtet seit geraumer Zeit nicht mehr, sondern glimmt nur noch so vor sich hin."

Wie gesagt, vielleicht erwarten die Leute auch einfach nur zu viel von einer Late-Night-Show.

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Kolossal unterschätzt werden dagegen die Drittsendezeiten in den Privatsendern. Weshalb Claudia Tieschky in der SZ (Seite 29) den Leser an die Hand nimmt, um ihn auf ein brisantes Thema aufmerksam zu machen.

"Die juristischen Feinheiten rund um die sogenannten Drittsendezeiten interessieren keinen Menschen, wenn er die Fernbedienung in die Hand nimmt, es blicken da höchstens Fachgelehrte durch. Trotzdem oder gerade deshalb ist das Urteil eklatant, das an diesem Mittwoch beim Verwaltungsgericht Neustadt erging."

Das Gericht hat nämlich den Klägern Recht gegeben.

"Geklagt hatten der Sender und die unterlegenen Bewerber N24 und Meta Productions. Die rheinland-pfälzische Landesmedienanstalt LMK hatte die gesetzlich vorgeschriebenen Drittsendezeiten zum wiederholten Male Alexander Kluges Firma DCTP und dem Mainzer Produzenten Josef Buchheit und dessen Firma News and Pictures auf weitere fünf Jahre zugewiesen."

Schreibt die FAZ (Seite 33). Und deutet an, welche Bewegungen das Urteil erzeugen könnte:

"'Wir freuen uns, dass sich das Gericht der Rechtsauffassung von Sat.1 angeschlossen hat', sagte Julian Geist, der Sprecher von Pro Sieben Sat.1. Mit Blick auf die Drittsendezeiten meinte er: 'Wir gehen davon aus, dass die MA HSH zur Neuausschreibung schreiten kann.' Es sei, sagte der Direktor der Hamburger Landesmedienanstalt, Thomas Fuchs, 'eine neue Lage entstanden'. Über diese werde er mit den Kollegen der anderen Landesmedienanstalten in der gemeinsamen Zulassungskommission in zwei Wochen beraten."

Demnächst könnte also über die Drittsendezeiten bei ProSiebenSat.1 nicht mehr von der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt LMK, sondern in Hamburg/Schleswig-Holstein entschienden werden.

Was dann zur Folge haben könnte, dass etwa Alexander Kluge, der Harald Schmidt der Drittsendezeit, sich einen neuen Sender suchen müsste. Oder wie Tieschky schreibt:

"Drittsendezeiten sind ein Instrument für Demokratie – und ein lukratives Geschäft. Die Medienaufsicht hat Macht in diesem Geschäft und erklärte stets, sie sei im Recht. Wie sich zeigt, ist sie es nach Ansicht des Gerichts nicht. Gut möglich, dass die LMK in Berufung geht, wenn die Urteilsbegründung vorliegt. Im Moment fällt kein vorteilhaftes Licht auf sie."


ALTPAPIERKORB

+++ Einen neuen Sender könnte, würde wohl auch Waldemar "Waldi" Hartmann gebrauchen. Bei der ARD ist er jedenfalls auch bei den Boxübertragungen raus, wie ihm Sport-Koordinator Axel Balkausky in lobhudelndem Schreiben beschied ("kompetente und leidenschaftliche Begleitung der Boxübertragungen"). +++ dwdl.de hat Waldi zum Glück erreicht, der aus seiner nicht feinen Kündigung ein gesellschaftliches Problem destilliert: "Wenn das die Begründung ist, dann ist das ein Schlag ins Gesicht aller Über-60-Jährigen, die sich – so wie ich – noch geistig und körperlich fit fühlen." In anderen Zitaten ist auch von der "Rente mit 67" die Rede, wobei mal jemand Waldi darüber aufklären sollte, dass Freiberufler in die gesetzliche Rente gerade nicht einzahlen, weswegen es gesellschaftlich völlig irrelevant ist, wie lange sie arbeiten. +++

+++ Etwas relevanter: Heute großer Anti-Gema-Tag mit Demonstrationen gegen die neue Tarifordnung und kommunikativen Gegenmaßnahmen der Verwertungsgesellschaft. Jens Balzer schrieb schon gestern in der Berliner/FR von einem Schreiben der Gema-Kommunikationsagentur mit Blick auf den Großkampftag: "Man sei aber andererseits 'kommunikativ sowie medial' darauf vorbereitet, und zwar 'im Vorfeld über Interviews, Statements und lancierte Medienberichte und ein Schreiben an die Diskotheken- und Clubbetreiber. Am Tag selbst laden wir die Presse in alle Bezirksdirektionen und Generaldirektionen zu einem Gespräch ein. Die Dynamik in den Social-Media-Kanälen verfolgen wir mit einem erweiterten Backup-Team, das hier schnell und schlagkräftig posts und tweets kommentiert und die Diskussion rund um die Demo sachlich steuert.'" +++ Vor diesem Hintergrund liest sich Thorsten Schmitzens Seite 3 in der SZ an den Hacken eines Gema-SpitzelsAußendienstmitarbeiters nun noch einmal etwas differenzierter. Ein anonymer DJ berichtet darin: "Bei seinen Besuchen in aller Welt hat er auch mitbekommen, wie es in anderen Ländern zugeht: 'Die Tantiemen der Musiker verschwinden da in ominösen Kanälen.' Der DJ möchte anonym bleiben. Was er zu sagen hat, kann ihn Aufträge kosten. 'Ich kann das Gejammere der Klubs über die neuen Gema-Tarife nicht mehr hören. Das ist verlogen. Die großen Berliner Klubs nehmen unfassbar viel Geld ein.'" Undifferenziert daran ist immerhin noch, dass nicht nur Eintreibung, sondern auch Verteilung bei der Gema debattiert werden könnte. +++

+++ Vielleicht könnte dieses Schlachtfeld im Handstreich und nebenher befriedet werden, wenn Stefan Niggemeier doch noch tut, was ein Mensch mit dem beeindruckenden Namen Roland Pimpl ihm im Rahmen eines astreinen Beefs über VG-Wort-Eintreibung und Verlagsdankbarkeit rät: eine eigene Verwertungsgesellschaft zu gründen. +++ Ausgangspunkt war ein Crosspost von Pimpl, der bestimmt auch daran glaubt, dass der Arbeitgeber die Arbeit gibt und der Arbeitnehmer sie sich nimmt, im Privatblog von Springers LSR-Erfinders Christoph Keese. Dass der nicht nur die Konfrontation mit der Blogosphäre beherrscht, sondern auch Gefühle zeigen kann, unterstreicht nun eindrucksvoll sein mitfühlender Post über Eindrücke aus der Ukraine. +++

+++ In der Zeit weiß Götz Hamann auch nur detailreich zu berichten (Seite 23), dass Bertelsmann-Chef Thomas Rabe nicht recht weiß, woher er das Geld für Investitionen nehmen soll. Teilt aber mit, dass die Bernd-"Brink"-Buchholz-Nachfolge vorerst durch ein "Dreier-Gremium" (Torsten Jörn Klein, Achim Twardy und Julia Jäkel) geregelt werden soll. An die Internetbetreuung bei der Zeit vielleicht noch der Hinweis: Der vielversprechende, zeitgemäß-online-affine Hinweis unter dem Text ("Weitere Informationen im Internet: www.zeit.de/medien") führt leider ins Leere. +++ Ronny Blaschke sieht das mediale Feuerwerk, das rund um die Paralympics abgefackelt wird, in der Berliner skeptisch: "Nur an wenigen Stellen diskutieren Medien Integrationsdefizite: 90 Prozent der Briten haben keinen regelmäßigen Kontakt zu behinderten Menschen. Öffentliche Einrichtungen sind oft nicht barrierefrei. Nur 50 Prozent der Menschen mit einer körperlichen und zwölf Prozent der Menschen mit einer geistigen Behinderung haben einen Job. Und diejenigen, die einer Arbeit nachgehen, werden schlechter bezahlt als nichtbehinderte Kollegen mit gleicher Qualifikation." +++ Und Anna Klöpper berichtet in der TAZ von den deprimierenden Ergebnissen des "TV Lab" auf ZDFneo. +++

Neues Altpapier gibt's morgen wieder gegen 9 Uhr.

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