Wie einst nicht bei Shakespeare

Wie einst nicht bei Shakespeare

Nicht oder nicht nicht? Focus und ZDF stellen wechselseitig unklar, was Markus Lanz gesagt hat oder auch nicht. Hans Hoff sagt: "Das Printinterview ist tot." Die Bedeutung des Elefantenrüsselfischs für Richard David Precht wird doppelt dekonstruiert. Und die Brigitte passt sich womöglich den mageren Zeiten wieder an.

Hammerspruch, den der Focus Markus Lanz nicht über Thomas Gottschalk entlockt hat. Wen zitieren wir denn da bloß, zum Beispiel? Ach, zitieren wir doch einfach focus.de:

"Im Focus-Interview sagte der ZDF-Talkshow-Moderator in Bezug auf Gottschalks Engagement bei der RTL-Sendung 'Das Supertalent': 'Ich bin mir ganz sicher, dass er 'Wetten, dass..?' schaden will'."

So stand es am Wochenende auch in den Agenturen, an die das Magazin aus München, das zurecht nicht als Faktenmagazin gilt, eine Vorabmeldung mit Auszügen aus dem Lanz-Interview geschickt hatte. Was ist die Nachricht? Lanz und Gottschalk bewerfen sich ein bisschen mit Rosinen. Aber irgendwie entspinnt sich an diesem popligen Quatschsatz, der in jeder Welt außer in der Medienwelt ziemlich egal wäre, ein Schaustück, das von systemisch angelegtem Wahnsinn handelt.

Der vermeintlichen Lanz-"Attacke" selbst wurde schon Nachrichtenwert zugesprochen, jedenfalls wurde sie in großem Umfang – siehe die obigen Links – verbreitet.  Kaum war sie verbreitet, schaltete sich das ZDF ein und stellte unklar, mimimi, das hat Lanz doch gar nicht gesagt:

"In der entsprechenden Interviewpassage mit dem Focus hatte Markus Lanz wörtlich gesagt: 'Ich bin mir ganz sicher, dass er 'Wetten, dass..?' nicht schaden will.' Das Wort 'nicht' ist im Zuge der Autorisierung des Interviews aus nicht nachvollziehbaren Gründen gelöscht worden. Leider ist uns der Fehler nicht aufgefallen."

Man kann sicher deutlicher sagen, dass der "Fehler" bei der Bearbeitung durch ZDF-Leute entstand; aber eigentlich steht das hier schon. (Die SZ kürzt heute auf der "Panorama"-Seite die Meldung dennoch so geschickt zusammen, dass der Eindruck entsteht, der Fehler habe beim Focus gelegen, nicht beim ZDF.) Es folgten allgemein "Verwirrung" und "Wirbel" (siehe etwa Tagesspiegel, sueddeutsche.de, Spiegel Online etc.); die taz – das ist die mit dem frühen und manchmal eben doch zu frühen Redaktionsschluss – meldet heute in der Printausgabe unter dem Titel "Zickenkrieg", Lanz kritisiere Gottschalk.

Was aber tut der Focus? Er versucht zwar am Rande, eine Diskussion über Auswüchse der Autorisierungspraxis zu beginnen, indem er online von "massiven" Änderungen des Lanz-Interviews "an mehreren Stellen" durch das ZDF berichtet. Leider geht die Redaktion aber nicht darauf ein, warum es dann trotzdem so erschien. Und letztlich verdient sich das Magazin die Ernennung zum eigentlich Dummen des ganzen Gekaspares, indem es online unklarstellt:

"Markus Lanz sagt im Interview mit dem Focus-Magazin, Thomas Gottschalk wolle 'Wetten, dass..?' schaden. Das ZDF behauptet nun: So ist der Satz nicht gefallen. Focus erklärt dazu: Der Sender hat das Interview mit diesem Wortlaut selbst autorisiert."

Eigentlich ist es natürlich so: Wenn irgendjemand weiß, was im besagten Interview von Markus Lanz gesagt wurde, dann ist es der Focus. Statt es zu klären, entscheidet man sich für das o.g. Gequake, deutet an, dass Lanz doch Gottschalk kritisiert habe – und führt als Quelle aber das ZDF an, das zuvor eigentlich ja schon bekannt gegeben hatte, dass ihm da ein Fehler unterlaufen sei. Im aktuellen Focus also: ein Interview mit Markus Lanz. Die Mediengeschichte drumherum aber handelt erstens davon, wie die Autorisierungspraxis offensichtlich einmal dazu führte, dass eine belanglose Lanz-Aussage in eine als Schlammcatcher verkleidete Unwahrheit umgewandelt wurde. Und zweitens von einer Publikumsverarschung. Als Leser weiß man nach dem ganzen Hin und Her nämlich gar nichts – außer dass Interviews nicht das sind, was sie angeblich sein sollen, nämlich gekürzte Versionen von Gesprächen, die stattgefunden haben. (Siehe hierzu auch: die neue Web-TV-Sendung "Studio D" von DWDL, in der der Medienjournalist Hans Hoff über die Autorisierungspraxis nach DWDL-Angaben sagt: "Das Print-Interview in dieser Form ist eigentlich tot, muss man wirklich sagen.")

+++ Auch an anderen Medienthemen des Wochenends und des Montags kann man sehen, dass die neue Fernsehsaison begonnen hat: Es gibt viele Texte über Fernsehprominenz, die Neues an den Start bringt. Abgesehen von Lanz und Gottschalk gehören dazu Richard David Precht und Harald Schmidt. Schmidt, verwegener Teufelsbraten, der er ist, sagt dem Spiegel in einem recht kurzen Interviewchen vor seinem Neustart beim Bezahlsender Sky am Dienstag, er hätte "nichts dagegen, wenn möglichst viele Leute zuschauten"crazy.

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Mehr Raum erhält Precht, der sich in seiner "Precht"-Debütsendung am Sonntag (die man in der Mediathek schon vorher sehen konnte) der Frage widmete, ob Lernen "dumm mache". Ihm gelang eine sicher weniger dumm machende Sendung als "Günther Jauch", der, ebenfalls am Sonntagabend, zur Frage talken ließ, ob das Internet dumm mache (Kritiken: etwa bei BLZ/FR; Doppelrezension bei FAZ.net). Aber die Einschätzung, dass "Precht" so schlecht nicht werden muss, teilt auch nicht jeder.

Precht wird raumfüllend durchphilosophiert in FAS, FAZ, taz, Berliner Zeitung/Frankfurter Rundschau und Tagesspiegel. Wobei auffällt, dass in den vier letztgenannten das Wort "Elefantenrüsselfisch" einfach nicht vorkommen mag, während die ersten beiden nahezu identisch einsteigen mit der metakritischen Beobachtung, dass Precht-Porträts nicht ohne den Elefantenrüsselfisch auskämen.

Die FAZ am Samstag (S. 40):

"Von den vielen Porträts, die über Richard David Precht in den letzten Jahren geschrieben worden sind, kommen sowohl die hämischen als auch die freundlichen irgendwann immer auf die Elefantenrüsselfische zu sprechen."

Die FAS (S. 29):

"Die Elefantenrüsselfische sind wieder da. Kaum ein Journalist, der Richard David Precht in seiner Mietwohnung besucht, kommt an ihnen vorbei. (...) Der Elefantenrüsselfisch ist ein erstklassiger Journalistenfisch, eine schwimmende Metapher, besonders sozial ist er angeblich und ausgestattet mit einem überdurchschnittlich großem Gehirn, irgendetwas muss das ja bedeuten."

Wer in den Texten von taz, Berliner/Frankfurter und Tagesspiegel allerdings auftaucht, ist Prechts ZDF-Vorgängerphilosoph Peter Sloterdijk. Was hat das denn nun zu bedeuten?


ALTPAPIERKORB

+++ Laut SZ (S. 39) überdenkt die Brigitte, ob sie überdenken soll, was sie vor kurzem als Meilenstein feierte: Der neue Chefredakteur, auch von Brigitte, Stephan Schäfer, "soll, so ist zu hören, die einst mit so viel Wumms eingeführte Marke 'Ohne Models' in Frage stellen. Er soll die Aktion überdenken wollen – es sei nicht ausgeschlossen, dass bald wieder Models im Heft gezeigt werden. Kehrt Gruner + Jahr wieder zur alten Zeitrechnung zurück?" Kurz, Brigitte passt sich den mageren Zeiten womöglich wieder an, es gehe, heißt es, schließlich auch darum, dass das mit den Laienmodels so billig gar nicht sei +++ Ebd., in der SZ, geht es um die Überwachung von Verträgen am ARD-Vorabend, an dem in der ARD Werbung laufen kann, durch diverse Gremien +++

+++ Was bei der "Zapp"-Sause (siehe auch Altpapier vom Mittwoch) geschah, kauen noch einmal FAS und Spiegel durch: "Als Kai-Hinrich Renner, der Medienkritiker des 'Hamburger Abendblatts', von (Moderatorin Anja; AP) Reschke gefragt wurde, was er schon immer über 'Zapp' wissen wollte, fragte er sie, ob es wirklich hilfreich sei, dass sie als Lebensgefährtin des NDR-Fernsehdirektors Frank Beckmann Mitglied der 'Zapp'-Redaktion sei. Statt einer verlogenen Antwort bekam er einen ehrlichen Anpfiff: Die Frage habe einen 'Geschmack', raunzte Beckmann, man dürfe sie eigentlich gar nicht stellen." Soweit die FAS. Der Spiegel ergänzt ein Stückchen Kontext: "Tatsächlich hat die Autorin schon 2008 einen Beitrag für 'Zapp' gemacht, in dem es um Sexwerbung im Teletext während des Kinderprogramms von RTL II geht. RTL II war damals ein Konkurrent des öffentlich-rechtlichen Kinderkanals, bei dem ihr Lebensgefährte Beckmann zu jener Zeit Geschäftsführer war" +++

+++ Zwinker zwinker: Wirklich nicht lustig von den Kollegen von evangelisch.de, dass sie die Namen ihrer Protagonisten ändern, um sie zu schützen, und dann einfach meinen Namen nehmen: "Klaus Raab* hängt an seiner Charlottenburger Wohnung. 'Jeder Gegenstand hat für mich Bedeutung', sagt der 56-Jährige. (...) *Die Nachnamen wurden von der Redaktion geändert" +++

+++ Es gibt heute ansonsten vor allem, wie so oft montags, viele Fernsehkritiken: Die FAZ schreibt über Christoph Lütgerts Versicherungs-Film "Die Nein-Sager" (ARD, Dienstag, 21.45 Uhr), der – es ist zwar nur ein Lütgert-Film, aber eben immerhin ein Lütgert-Film – am Dienstag wohl auch noch anderweitig verarztet werden dürfte +++ Heute um 21.45 Uhr in der ARD: "Wie billig kann Bio sein?" (TSP) +++ Ebenfalls in der FAZ: die englische Serie "Scott & Bailey" (ZDFneo, heute, 21.55 Uhr) +++ "Scott & Bailey" wird auch besprochen von der taz +++ Die auch den ARD-Spielfilm "Alles für meinen Bruder" bespricht +++ Die SZ schreibt über einen interaktiven Krimi bei Arte ("The Spiral", 20.15 Uhr) +++

+++ Michael Spreng schreibt, dass er irgendwann, bald, den Spiegel womöglich nicht mehr lese; erfahrungsgemäß entfaltet eine solche Drohung ja eher in der Form eines beleidigten Leserbriefs seine explosive Wirkung in einer Redaktion +++ Die Moderatorin von "Anne Will" gab dem Tagesspiegel ein Interview +++ Stefan Niggemeier klärt ein Missverständnis bzgl. des Leistungsschutzrechts, das er zwischen den Wutrecherchen von Thomas Knüwer entdeckt hat +++ Und sz.de-Chef Stefan Plöchinger beklagt in seinem Blog, dass Journalisten journalistische Qualität nicht mehr journalistisch beurteilten, sondern lieber messen würden +++

Das Altpapier stapelt sich wieder am Dienstag.

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