Im Wettbewerb um die Bundesliga-Rechte verlaufen die Fronten diesmal anders. Roboterjournalismus zwischen morgen und heute. Und die Quoten-Initiative gewinnt an Normalität.
Gestern war High Noon.
"An diesem Montag endete um 15.30 Uhr die Angebotsfrist im Wettkampf um die Fernsehrechte der Bundesliga."
Schreibt Christopher Keil in einem voluminösesten Aufmacher auf der SZ-Medienseite (Seite 15). Das Bild aus der Westernlandschaft stammt dagegen aus Bernd Gäblers Text auf stern.de, der gestern morgen erschienen war. Könnte man nun rummäkeln, dass 15.30 Uhr eher high afternoon ist als mittags.
Dabei liegt das Problem der Analogie vielleicht darin, dass gestern zwar die Angebotsfrist endete, eine Entscheidung, welcher der Duellanten das Schlachtfeld Bundesligarechte stehend verlassen wird, aber noch eine Weile auf sich warten lässt.
"Eine kleine Gruppe um DFL-Geschäftsführer Christian Seifert wird sich bis zur Entscheidung isolieren - und nur das Bundeskartellamt über Summen und Verfahrensstand informieren. Vor dem letzten Bundesligaspieltag Anfang Mai soll die Vergabe bekanntgemacht werden."
Erfährt man wiederum aus der SZ, und bevor sich nun versucht vorzustellen, in welcher Abgeschiedenheit Christian Seifert den nächsten Monat verbringen wird und wer, was nicht uninteressant zu wissen wäre, alles zur "kleinen Gruppe" gehört, kann doch immerhin die Ausgangslage sondiert werden.
Joachim Huber macht es sich mit seiner knappen Meldung im Tagesspiegel einfach, könnte man meinen:
"Die DFL muss jetzt ein Puzzle zusammensetzen, das die Interessenten am Bundesliga-TV und den Wunsch der Profiklubs nach höheren Einnahmen befriedigt."
Man könnte aber ebenso meinen, dass das verantwortungsvoller Journalismus ist, weil: nichts genaues weiß man zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht.
Immerhin scheint die Konfliktlage für den kommenden Rechtezeitraum – 2013 bis 2017 – mal eine andere zu sein. Ging es in den vergangenen Jahren zumeist um den Gegensatz zwischen Pay- und Free-TV notiert Christopher Keil gegen Ende seines Artikels:
"Gelassen können sich die Intendanten von ARD und ZDF das Wettbieten ... anschauen. Dass es die ARD-Sportschau künftig nicht mehr geben könne, müssen sie wohl nicht befürchten. Die Ausschreibung lässt zwar ein alternatives Modell mit einer Internet-Highlightverwertung an Samstagen von 19 Uhr an zu, doch noch ist die Technik hybrider Fernsehgeräte, die das Internetsignal in TV-Qualität auf den Bildschirm bringen, nicht weit genug entwickelt."
Gäbler sieht das ähnlich, wenn auch in den Internetsignalen eine Gefahr:
"Gefährdet ist dadurch auch die ARD-Sportschau, also die frühe Zusammenfassung der Spiele im frei empfangbaren Fernsehen. Chancenlos ist sie aber nicht, weil insbesondere die Sponsoren der Liga Interesse an einer großen Reichweite haben. Auf jeden Fall ist und bleibt Fußball der bedeutendste Treiber einer Dynamik auf dem TV-Markt."
Die größte Auseinandersetzung wird aber unter den "Pay-TV-Giganten" (SZ) erwartet. Sky hat Konkurrenz bekommen, wie die FTD schon letzte Woche drastisch formulierte ("kämpft ums Überleben"), die Telekom will alles:
"Das Ganze heißt 'Wholesale-Modell' - was bedeuten würde, dass die Deutsche Telekom auf alles böte, also auf alle Live-Spiele, Highlight-Rechte und alle Verbreitungswege, die erstmals getrennt ausgeschrieben wurden. Und natürlich will Obermanns Truppe die Rechte auch für Liga Total nutzen, und hier wohl auch für die Satellitenverbreitung."
Die Frage nach dem Warum, beantwortet Gäbler so:
"Weil sie für die Masse der Mediennutzer das so genannte 'Triple Play', also Telefon, Internet und Fernsehen aus ein und derselben Leitung, als universellen Standard durchsetzen will. Sie wäre der größte Profiteur. Um diese Infrastruktur durchzusetzen, braucht die Telekom aber einen attraktiven Inhalt - also Live-Fußball."
Immerhin werden hier Zahlen über die Empfänger des Internetfernsehens der Telekom ("Entertain") aufgeboten (1,6 Millionen), die nicht so weit weg sind von den Sky-Abonnenten (3 Millionen).
Für die Telekom könnte die Sache allerdings einen juristischen Haken haben. Zum einen darf sie selbst kein Fernsehen veranstalten, weil der Staat an ihr mit 30 Prozent noch immer beteiligt ist. Zum anderen gibt es, wie Gäbler schreibt, eine strikte Regel:
"Infrastruktur-Betreiber dürfen nicht auch Inhalte anbieten. VW darf nicht das deutsche Autobahn-Netz kaufen, selbst wenn der Konzern versichern würde, auch Mercedes, Opel und alle anderen Autos "diskriminierungs-frei" darauf fahren zu lassen."
Wo eine Regel ist, sind auch Finessen, die auf Ausnahme plädieren. Spannend wird der Ausgang des Verfahrens deshalb wohl vor allem, weil erstmals eine Klausel in den Blickpunkt der Beobachter gerät, die in Zeiten des Sky-ARD-Dualismus nicht von Interesse war, wie Gäbler schreibt:
"Liegt ein Bieter 20 Prozent über dem nächsthöchsten Angebot, erhält er automatisch den Zuschlag."
Da lacht des Herz des Ebay-Fuchses: 20 Prozent von den kolportierten 360 Millionen Euro, die Sky bereit zu zahlen sei in der kommenden Kampagne, wären 72 Millionen. Vielleicht macht die Telekom das Rennen einfach von der Spitze weg. Oder Sky. Freuen wird sich in jedem Fall die DFL, die von vornherein mehr will (500 Millionen insgesamt) als beim letzten Mal (410 Millionen).
Was solche abstrakte Fragen für die Lebenswirklichkeit der Menschen da draußen im Lande bedeuten, versucht der Tagesspiegel schon mal im Interview mit Sat.1-Reporter Wolff-Christoph Fuss abzuchecken:
"Die Champions-League-TV-Rechte wechseln von Sat1 zum ZDF. Follow your teams, heißt doch die Devise, die Stadien in Mailand oder Barcelona werden Sie nicht missen wollen.
"Grundsätzlich kann und will ich dazu gar nicht allzu viel sagen."
[+++] Die Karawane zieht weiter. Aber womöglich besteht die Karawane bald aus Maschinen. Evgeny Morozov diskutiert in seiner FAZ-Kolumne "Silicon Demokratie" (Seite 28) neueste Entwicklung der Textherstellung (hier das Original auf slate.com):
"Nehmen wir den Finanzjournalismus. Deren ehrwürdige Institution Forbes stützt sich auf die junge Firma Narrative Science, mit deren Hilfe automatisch Artikel über die voraussichtliche Entwicklung von Unternehmenszahlen generiert werden. Man gibt ein paar statistische Daten ein, und im Handumdrehen liefert die Software gut lesbare Artikel."
Das Problem für Morozov besteht vor allem in der Personalisierung der Informationsvermittlung – dass mit solch schnell produzierten Texten künftig unter dem gleichen Link Varianten je nach databasierten Vorlieben der Leser angeboten werden könnten. Das Einsatzfeld des Roboterjournalismus scheint derweil nicht beschränkt auf die vor sich hin automatisierende Finanzwelt:
"Unternehmen wie 'Narrative Science' operieren gemeinhin in Nischenbereichen (Sport, Finanzen, Immobilien), in denen Texte meistens dem immergleichen Muster folgen und vor allem Statistiken verwendet werden."
[listbox:title=Die Artikel des Tages[High Noons Anfang (stern.de)##ACTAs Fortgang (Netzpolitik)##Ciceros Recherche (FAZ)##Lesers Hass (TAZ)##]]
Der aufmerksame Kulturpessimist denkt sich freilich: Moment mal, Roboterjournalismus, gibt's dann nicht auch analog hergestellt? Markus Beckedahl prüft auf Netzpolitik eine Meldung in Sachen ACTA ("Europäischer Gerichtshof befasst sich nicht mehr mit ACTA").
"Etwas überrascht versuchte ich zu verstehen, wie diese Meldung zustande kam und vor allem, warum heute? Wahrscheinlich ist das nur ein Beispiel, wie Onlinejournalismus funktioniert, wenn alle voneinander abschreiben."
Der Grund für die Desinformation Verwirrung liegt in der Gleichsetzung von EU-Parlament und EU-Kommission und einem "taktischen Move" der letzteren, das Verfahren in die Länge zu ziehen, um den Protest abebben zu lassen.
Könnten Roboter das besser auseinanderhalten?
Altpapierkorb
+++ Dass es mit der Internetrecherche nicht so leicht ist, wie die Suchmaske bei Google suggeriert, stellt Nils Minkmar in der FAZ anhand eines wenig wohlwollenden Cicero-Artikels fest. Als Kenner des Saarländischen sind ihm die lokalen Ungereimtheiten in einem Portrait einer dortigen Piraten-Politikerin nicht entgangen: "Wo die 'Oberpiratin' keine Auskunft geben mochte, springt natürlich eine Suchmaschine ein, hier endet leider auch schon der lustige Teil der Geschichte, es wird kompliziert. 'Cicero' findet eine Jasmin Maurer, also fast, denn sie nennt sich Jasmine Maurer und kommt aus Friedrichstal, während die Landtagsabgeordnete aus dem lieblichen Blieskastel kommt." Was etwas irritiert: Minkmar selbst meint, dass sich unter dem "Oberpiratin"-Namen Jasmin Maurer "die früher als Blümchen bekannte Schlagersängerin finden lässt". Die hieß zwar Jasmin, aber wenn unsere "verhängnisvolle" (Cicero) Vergangenheit nicht täuscht, aber Wagner statt Maurer. +++ Interessant für die Zeit, wenn die Roboter den Journalismus übernommen haben werden, könnte die Frage werden, an wen das Handelsblatt dann seinen Exklusivmeldungsbonus ausschüttet. Mit analogen Schreibern führt das noch, wie Stefan Niggemeier in seinem Blog schreibt, zu Falschmeldungen: "Susanne Müller – Neue Chefin für den ZDF-Spartensender neo". "Der 'Handelsblatt'-Chefredakteur Gabor Steingart will dringend, dass seine Redakteure exklusive Nachrichten produzieren. Er hat vor eineinhalb Jahren eine Art Prämiensystem eingeführt, das dem Mitarbeiter, dessen Meldungen im Jahr am häufigsten von Nachrichtenagenturen zitiert werden, 3000 Euro Bonus verspricht. Die Möglichkeit, dass Fehler produziert werden, ist dabei offenbar nicht vorgesehen." +++
+++ Neue Chefin des ZDF-Spartensenders neo wird Simone Emmelius, wie etwa in der FTD nachzulesen ist.
+++ Wie man mit dem Scheiß umgeht, der einen als Leserbrief so erreicht, vor allem wenn man keinen Ariernachweis bis ins Mittelalter führen kann, haben die Journalisten Mely Kiyak, Yassin Musharbash und Deniz Yücel in einer exorzistischen Lesung im Berliner Ballhaus Naunynstraße unter dem Motto "Schön, dass Sie zwischen zwei Ehrenmorden noch Zeit finden, eine Kolumne zu schreiben" demonstiert. Die TAZ berichtet: "Das war übrigens das vielleicht Gruseligste an diesem Abend: Dass viele Leserbriefe ganz offensichtlich nicht von dumpfen Neonazis geschrieben worden sind - sondern von halbwegs intelligenten, bitteren und Hass versprühenden Männern und Frauen, manchmal mit Doktortiteln, die sich selbst als tolerant oder gar links begreifen." +++ Nicht zur Hate-Lecture getroffen haben sich die Pro-Quote-Organisatorinnen in Hamburg. Simone Schellhammer war für den Tagesspiegel dabei: "Vor der Party hatten die anwesenden Unterstützerinnen von Pro Quote einstimmig beschlossen, einen Verein zu gründen, um entsprechende Strukturen zu schaffen. Dazu sagte Moderatorin Anne Will: 'Das ist der richtige Schritt, um zu zeigen, wir meinen es ernst.'" +++ Carta erklärt das Schweigen der Männer, die nicht stolz die Einhaltung der Quote in ihren Machtbereichen an die Website gemeldet hatten: "Sprechen sie sich für die Quote aus, müssen sie für deren Erfüllung tatsächlich sorgen, sprechen sie sich gegen die Quote aus, gelten sie als reaktionär (oder bilden sich das wenigstens ein), versuchen sie aber, der Forderung mit besonderer Witzigkeit auszuweichen, könnte das auch nach hinten los gehen." +++
+++ Andrian Kreye hält in der SZ den Streit ums Urheberrecht betreffend nichts von eilfertigen Verkündigungen, wie die Grünen sie mit dem Verweis auf die Kulturflatrate praktizieren: "Die digitale Revolution ist buchstäblich eine solche: Revolutionen kippen lediglich bestehende Machtverhältnisse. Wer oder was nach dem Umsturz kommt, ist weder klar noch garantiert. Ideologische Verhärtungen und opportunistische Manöver wie das Trittins helfen niemandem. Höchstens den Monopolen." +++ WorldWideWagner vom Radio-Eins-Medienmagazin hat zum im weiteren Sinne des Themas ("Polysemantik der Kunst") die Bundesjustizministerin befragt. +++
+++ Sonst Fernsehen: Die Berliner stellt Ali Aslan vor, der für die Deutsche Welle die Talkshow "Quadriga" moderiert. +++ Die FAZ (Seite 29) berichtet vom "Großen Show-Gipfel" in Köln (mit selbstbewusstestem Auftritt von de Mols), der neuesten "Mad Men"-Staffel und zwei weiteren amerikanischen Serien auf RTL Nitro. +++ Die TAZ ist von der neuesten "37 Grad"-Doku ("Abgetaucht") nicht gänzlich eingenommen. +++ Und Willi Winkler macht sich in der SZ (Seite 15) einen großen Spaß aus der Besprechung des Oster-Highlights "Henri Quatre", einer Heinrich-Mann-Verfilmung, die Kurt Maetzig nie realisiert hat: "Der Zuschauer darf sich darüber freuen, dass die in der Presseaussendung versprochenen 400 Komparsen, 75 Stuntleute und, nitmöglich!, 40 Pferde sich tatsächlich ins Bild mengen. Dazwischen zeigt sich der eine oder andre Schauspieler." +++
Neues Altpapier gibt's morgen gegen 9 Uhr.