Der große Udo-Jürgens-Film verspricht Erfolg und fordert die Kritik heraus. Die Herausforderung, die Google und Facebook sind, könnten künftig durch den Staat geregelt werden
Für später stellt der ehemalige Apple-"Sicherheitsarchitekt" Jon Callas in der Zeit schon mal fest:
„Google, Facebook und andere große Internetkonzerne wandeln sich gerade von innovativen Vorreitern zu Grundversorgungsunternehmen der Informationsbeschaffung und des Gedankenaustauschs – und sie werden eines Tages unter staatliche Aufsicht gestellt oder gar vom Staat betrieben werden.“
Callas will das als Menetekel verstanden wissen, was dann doch besser harmoniert mit der größeren Staatsskepsis jenseits denn diesseits des Atlantik. Der Text ist also eine Art Warnung an Google, Facebook und die anderen, den Nutzer als "Bürger" ernstzunehmen.
Warum Google, Facebook und die anderen das bislang eher nicht tun, macht Callas auch deutlich:
"Wir sind nicht die Kunden von Google, Facebook und Co...Die Kunden von Google, Facebook und Co. sind die Unternehmen, die Anzeigen in ihren Diensten schalten. Diese Unternehmen kaufen: uns – unser Hinschauen, unsere Aufmerksamkeit. Wir sind das Produkt."
Ob sich Googlefacebookundso von der Drohung, Vater Staat zu rufen, wenn nicht bald Ruhe Ernst ist mit Datenschutz? Man weiß es nicht. Man ahnt nur, dass der Ökonomie unserer Tage die Realität relativ schnurz ist.
Das hat in einem Fernsehinterview der BBC ein so genannter Trader ausgesprochen, der laut SZ deshalb jetzt als "zynisches Gesicht des Kapitalismus" gilt – wobei wir Aficionados des nächsten Zeit-Magazin-Redigierspezials uns fragen, ob "zynisches Gesicht" nicht ein Pleonasmus ist, der weiße Schimmel in den von Wut geröteten Augen des Redakteurs.
"Der Euro-Rettungsplan? 'Wird nicht funktionieren, die großen Investoren glauben nicht daran. Sie wissen, dass der Aktienmarkt am Ende ist.' Was Investoren wieder Vertrauen bringen würde? 'Wir sind Trader, wir interessieren uns nicht wirklich dafür, wie sie die Wirtschaft reparieren und die Situation lösen. Unsere Aufgabe ist, Geld damit zu verdienen.'"
Die Performance von Alessio Rastani, so heißt der Trader, ruft Zweifel auf den Plan:
"Weil Rastanis Auftritt so überhaupt nicht den gängigen Standards der Branche entspricht, die spätestens seit der Krise 2008 jede Art von Zynismus und Weltherrschaftsanspruch zu vermeiden versucht, wird auch seine Glaubwürdigkeit in Frage gestellt."
Bei den Yes Men, die schon einmal im Namen von Dow Chemical im Fernsehen die Verantwortung für das Unglück von Bhopal übernommen hatten, wird dementiert.
Zum Glück kann aber die Welt unter der Überschrift "Nur ein Kleinanleger" Beruhigung von anderer Seite her vermelden:
"Der angebliche Börsenmakler, der am Montag mit einem BBC-Interview für einen Sturm der Empörung gesorgt hatte, ist nur ein einfacher Kleinanleger, der Aufmerksamkeit suchte."
Na, dann ist's ja gut. Kaum vorzustellen, wenn dass jemand aus dem Großanlegerwesen solch eine rein auf die Kohle, die sich an der Börse machen lässt, fixierte Haltung haben äußern könnte.
Und damit sind wir bei Udo Jürgens. Der wird 77 (morgen), und wenn man denkt, dass der beliebte Sänger noch immer unter den Spätfolgen seines Hits "Mit 66 Jahren" leiden würde, weil ihn jetzt alle Medienwelt bis zum Ende seiner Tage an den Schnapszahlen-Geburtstagen daran erinnern wird – dann hat man sich getäuscht, wie aus dem Gespräch mit Jan Freitag im KSTA zu erfahren ist:
"Ich habe schon immer die Schnapsjahre mehr gefeiert als die runden. Keine Ahnung, warum."
Das Jürgens' ausschließlich freundlich gesonnene Interview ("Spricht da Udo Jürgens’ schärfster Kritiker?") fördert überdies noch Sätze zu Tage, die man dem Hausschatz hinzufügen auf Facebook posten kann:
"Das Leben macht, was es will. Dass ich so weit gekommen bin, hat auch mit Glück zu tun. Ich bin mir bewusst, dass das Leben nach vorne hin nur kürzer wird, aber genau das eröffnet den Mut zu neuen Wegen. Man hat weniger zu verlieren."
Entscheidende Frage für heute: Gewinnt er mit seinem Geschichtseposbiopic "Der Mann mit dem Fagott", das heute und morgen um 20.15 Uhr in der ARD zu sehen ist?
Die Kritik ist gespalten, dass man entweder an deren Seriosität zweifeln oder sich über die Meinungsvielfalt freuen kann.
Dieter Bartetzko, der große FAZ-Mann der schnell leicht genannten Muse, erkennt in der Familiensaga, die auf Jürgens' Buch basierend mit seinem Großvater im 19. Jahrhundert einsetzt, einen Deutschlandroman, der die Konkurrenz zu den großen Deutschlandromanen der Literaturgeschichte wenn nicht bewusst sucht, so doch nicht zu scheuen braucht:
"Noch einmal, diesmal wohl inspiriert von Thomas Manns Satansmotiven in 'Doktor Faustus', blitzt schwarze Romantik auf: Als Greis macht Heinrich seinem Sohn Rudi, der in einem Dorf in Kärnten als Gutsbesitzer und NS-Bürgermeister lebt, zum Vorwurf, er habe sich 'mit dem Teufel eingelassen'."
Klaudia Wick ist in der Berliner so begeistert, dass über ihrer Kritik "Merci, ARD" steht, auch wenn das "Leuchtturm"-Projekt offenbar zur Malaise bei den Degeto-Finanzen beigetragen hat:
"Ein Film, der so herausragt, dass er die übliche Programmware mindestens für den Moment der Ausstrahlung, bestenfalls aber auch darüber hinaus, in den Schatten stellt. Es ist abzusehen, dass dem Zweiteiler ein solcher Einschalterfolg gelingen wird, Regisseur Miguel Alexandre weiß mit erhabenen Stoffen umzugehen."
[listbox:title=Die Artikel des Tages[Danke für den Udo-Jürgens-Film (Berliner)##Zu viel Udo Jürgens im Udo-Jürgens-Film (TSP)##Udo Jürgens singt im Udo-Jürgens-Film (TAZ)##Gebührenbedarf richtig berechnen (Niggemeier)##]]
Wenn man dann allerdings weiter liest und erfährt, dass Miguel Alexandre etwa "Die Frau vom Checkpoint Charlie" auf dem Kerbholz hat, neigt man vielleicht der Überzeugung zu, dass "erhaben" doch ein wertfreier Begriff ist.
Thomas Gehringer gibt im Tagesspiegel den Anwalt Adrian Leverkühns im Chor der Preisenden:
"Udo Jürgens spielt sich hier selbst, was der eher peinlichen Szene vielleicht eine Art Echtheitszertifikat verleihen sollte. Aber so wirkt alles falsch: die Sentimentalität ebenso wie das halb Dokumentarische."
Und stört sich daran, dass David Rott, der Darsteller des jungen Udo nicht singen darf:
"Nur wenn er singt, wird es seltsam, denn dann hört man plötzlich die vollere Originalstimme von Udo Jürgens."
In der TAZ fokussiert Sven Sakowitz auf eben diesen David Rott. Und das gleiche Problem:
"Schade nur, dass Rott nicht selbst singen durfte. Er bewegt die Lippen zu Playbacks, die Jürgens eingesungen hat. Diese Szenen irritieren, weil man hört, dass da kein Jungspund singt, sondern ein Mann, der eine weite und aufregende Reise hinter sich hat, auf der ihn Millionen begleitet haben."
Und bemerkt zu den anderen Schauspielern:
"Sie beginnt mit Udos Großvater Heinrich (Christian Berkel), der Ende des 19. Jahrhunderts nach Russland auswandert, dort zum Bankdirektor aufsteigt und später in einem sibirischen Lager landet; führt weiter über Udos Vater Rudi (stark: Ulrich Noethen), der im österreichischen Ottmanach das Bürgermeisteramt bekleidet und lange mit den Nazis kollaboriert."
Während Klaudia Wick an Noethen etwas auszusetzen hat:
"Wie die anderen müssen auch Knaup und Noethen ein halbes Leben zurück und ein halbes Leben nach vorne ins Alter hineinspielen. Das gelingt mal besser (Knaup), mal weniger glaubhaft (Noethen), ist aber nur von untergeordneter Bedeutung."
Nach hinten raus wird aber eh alles unwichtiger.
Altpapierkorb
+++ Ebenfalls Geburtstag hat Dieter von Holtzbrinck (heute), und weil er nicht Udo Jürgens ist, handelt es sich um den 70., den der Tagesspiegel zum Anlass nimmt, seinem Verleger zu danken: "Und wenn man eine Pause vom Manager-Dasein einrechnet, die er zwischen 2006 und 2009 einlegte, sind es bald zwei Jahrzehnte, in denen er der Garant und ein bisschen auch der Schutzherr dieser Zeitung ist. Unter seiner Ägide hat sie sich behauptet. In dieser Zeit hat die Zeitung gespürt, was die Tugenden sind, die Dieter von Holtzbrinck zu dem gemacht haben, was er ist." +++
+++ Wohl eher zufällig heute befasst sich die TAZ mit der "Grabpflege" bei StudiVZ: "Als Holtzbrinck das Netzwerk im Jahr 2007 übernahm, wurden die Gründer über Nacht zu Millionären. Alles Schnee von gestern. 2011 gleichen die Netzwerke einem Friedhof. Ein neues Konzept soll jetzt mehr sein als nur Grabpflege. Ziel sei die "Stabilisierung der Nutzerzahlen", sagt VZ-Sprecherin Alexandra Kühte. Weil man den Exodus zu Facebook in den letzten Jahren nicht stoppen konnte, strebt das Netzwerk nun in die Nische." +++ Die SZ (Seite 15) meldet, dass Udo Foht sein Anwalt nicht mehr Udo Foht sein Anwalt ist: Die Kanzlei Schertz und Bergmann habe das Mandat für den miesester Geldgeschäfte bezichtigten MDR-Unterhaltungschef niederlegt. "Unterdessen vermuten Beobachter, dass die Abgabe des Mandats ein Hinweis darauf sein könnte, dass die Affäre gravierender sein könnte, als bislang angenommen." +++ Die FAZ (Seite 37) glossiert Siegfried Kauders Vorschlag, Urheberrechtsverletzern im Internet das Internet abzudrehen. +++ Und Stefan Niggemeier hat nachgerechnet, wie ARD und ZDF bei den Angaben über den steigenden Gebührenbedarf kleinrechnen – die Kommentare 8 und 9 deuten aber darauf hin, dass Niggemeiers Rechnung womöglich noch nicht der Weisheit letzter Schluss ist. +++
+++ In der FAZ werden regimekritische Videos aus Syrien diskutiert, die über die Brutalität der syrischen Machthaber aufklären. +++ Die SZ stellt die Schauspielerin Katharina Marie Schubert vor, die in dem BR-Heimatkrimi "Föhnlage" mitspielt (Samstag, 20.15 Uhr). +++
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