Würdigungen in Hülle und Fülle für Deutschlands gesamtgesellschaftlichstes Medienphänomen, Loriot. Außerdem: "Macht das Netzwerk Recherche dicht!"
Loriot war (und bleibt hoffentlich noch ein paar Jahrzehnte) eines der gesamtgesellschaftlichsten Phänomene überhaupt in Deutschland. Wer oder was sonst außer der Fußballnationalmannschaft verbindet zum Beispiel Bundespräsident Christian Wulff (der in einem ordentlichen Loriot-Würdigungs-Überblick natürlich vorangestellt gehört) und CrazyEmri (auf Youtube: "LORIOT ist TOT !!! 2011 DAS VIDEO! died LORIOT TOT"), die Bild-Zeitung und das Neue Deutschland, Alexander Kluge (der in den Feuilletons von FAZ - hier auf 8 klicken - und Süddeutscher, S. 11, mit jeweils anderen bedenkenswerten Äußerungen zu Loriot auftaucht) und Markus Lanz?
Als der gern grinsende Alles-Talker des ZDF gestern in der ins "Schlank-Plan"-Werberahmenprogramm gehobenen Kurz-Talkshow "Loriot - Tod einer Legende" (derzeit nicht in der Mediathek zu finden) den prominenten Parodisten Jörg Knör fragte, ob dieser Loriot eigentlich auch ein Parodist war, konnte man für einen Moment sogar den Eindruck haben, diese Nachrufshow hätte noch Loriot selbst inszeniert, so wie er die Shows zu seinen großen Geburtstagen ja auch selbst inszeniert hatte.
Wo Loriot zumindest wirklich Pate gestanden haben muss: Bei der offiziellen Einschätzung des in Fragen der Fernsehqualität gern zu Rate gezogenen Grimme-Instituts, "Loriot habe Zeitkritik nicht verbissen, sondern mit einfachen Federstrichen zu Papier gebracht und damit mehr erreicht als manche Protestbewegung" (vgl. Borkener Zeitung oder Die Glocke). Wer weiß, ob sich da Stuttgarter Bahnhofsneubaugegner (die zumindest als Thema der gestrigen ARD-Dokumentation "Alarm am Hauptbahnhof" "Pappa ante Portas" weichen mussten, vgl. meedia.de, allerdings nur bis heute um 23.30 Uhr) an die eigene Nase fassen müssen.
Damit in die Zeitungen von heute, durch die sich im Rahmen der gewohnten konzentrierten Beinhaltung (sprich: Be-Inhaltung, vgl. Loriot) der gesamtgesellschaftliche Vicco von Bülow in vielen Ressorts zieht.
Auf Seite 3 der Süddeutschen greift Hermann Unterstöger im Rahmen eines äußerst "Ach was!"-haltigen Nachrufs auf einen ziemlich unverbrauchten Scherz, den Loriots Vater, der preußische Offizier Johann-Albrecht von Bülow anlässlich seines eigenen Todes machte, zurück:
"Als es mit dem Vater zum Sterben kam, redete Loriot ihm beschwichtigend zu: 'Ich kann mir nicht vorstellen...' In diese Pause hinein sagte der Vater: 'Du brauchst dir nicht vorstellen, ich kenn dir ja schon.'. Wenn das mal keine erstklassige genetische Basis war!"
"Loriot war einer der letzten informierten Humoristen, einer, der, von Morgenstern bis Valentin, in sich alles zusammenfließen ließ, was die lange Tradition des wirklich Komischen in Deutschland jemals hervorgebracht hat - und deshalb mit seinem Witz umgekehrt auf die Deutschen so abstrahlen, kanonisch werden konnte",
schreibt Arno Frank in einem schönen Nachruf für die TAZ (Titelseite: "Loriot ist tot. Das Ei ist hart"). Und bloß der Informiertheit wegen: "Heinz Ehrhardt", dessen "großäugige Kalauer" Frank gleich anfangs als eine Art Gegenteil des Loriot'schen Humors charakterisiert (während wiederum Tom Buhrow ihn mit Loriot und Karl Valentin zu "den ganz Großen seines Fachs" zählte, hier bei Min. 21:30), schreibt sich eigentlich mit nur einem H im Nachnamen.
Unter anderem Loriots bekannte Pedanterie würdigt Harald Martenstein im Tagesspiegel. Seinen Nachruf leitet er aber damit ein, wie Axel Hacke einmal "das Lebenswerk von Loriot, so weit es gedruckt vorliegt, auf eine Waage gestapelt" hatte: "Seitdem weiß man: Es sind 4,1 Kilo."
Loriots Lebenswerk ist aber natürlich schwerer und leichter. Denn es lag und liegt, auch darum ist es so gesamtgesellschaftlich, immer in allen gerade aktuellen Medienformen vor. Derselbe Content erschien immer wieder in jeder Menge Büchern aller Art, vom Diogenes-Hardcover bis zum Reclam-Heft, und wurde auch in Medienformen verkauft, die schon wieder weitestgehend vergessen sind, wie Audio- und Videocassetten.
[listbox:title=Artikel des Tages[Frank über Loriot (TAZ)##Thomann über Loriot (FAZ)##Unterstöger über Loriot (SZ)##Martenstein über Loriot (Tsp.)##Sylvester über Loriot (BLZ)##Vicco von Bülow über Loriot]]
Heute kursieren beinahe alle Sketche, die Loriot "im Fernsehprogramm eines anderen Zeitalters... - selbstbestimmt und ohne Quotendruck" (Regine Sylvester, im Nachruf der BLZ) produzierte, bei Youtube, aber viele tun das nicht lange, sondern werden aus urheberrechtlichen Gründen gelöscht. Dann kursieren wieder nur Kurzfassungen derselben Sketche auf dem offiziellen Loriot-Channel, mit dem Studio Hamburg Distribution & Marketing in netter Form auf "die Loriot-App für 1,59 € !" und andere Angebote im iTunes Store und im "ARD Video Shop" aufmerksam macht, die die lange Originalfassungen beinhalten.
Bliebe noch nachzutragen, was Alexander Kluge in der Feuilletonprominzenz-Umfrage zur Süddeutschen über Loriot sagte (während seine Worte für die FAZ ja oben verlinkt sind; dort bedauert er, in den 1960ern Loriot nicht fürs deutsche Autorenkino zu Rate gezogen zu haben):
"Am liebsten würde ich sagen: 'Ich hatt' einen Kameraden.' Das ist ein altes Lied, das die verschiedenen Zeiten verbindet, in denen er lebte. Für mich ist Loriot ein sehr ernster Mann. Wie Till Eulenspiegel... ..."
Nachrufüberblicke bieten vor allem meedia.de, weniger ausführlich auch dwdl.de (wo Thomas Lückerath ferner "Danke Loriot - und grüß uns Evelyn" ruft) und kress.de.
Ein ganz besonderer Scoop ist schließlich hier nebenan evangelisch.de gelungen, das tatsächlich einen von Vicco von Bülow persönlich verfassten Nachruf bietet. Wobei dieser Vicco von Bülow 44 Jahre alt und Landeskirchenrat der evangelischen westfälischen Landeskirche ist.
Altpapierkorb
+++ "Macht das Netzwerk Recherche dicht!", ruft indes Stefan Winterbauer bei meedia.de aus. Denn "die Kommunikationsarbeit des Netzwerks in eigener Sache war und bleibt desaströs." Auch die NR-Kritik Sabine Pamperriens aus der gestrigen FAZ steht inzwischen frei online. Inzwischen äußert sich das Netzwerk auch selbst. Und teilte seine eigene Kritik am FAZ-Bericht anderen, die es bislang nicht so kritisierten mit, z.B. kress.de. +++
+++ Der MDR, jene Sendeanstalt, die den Loriot-Scherz "Ich bin von Radio Bremen..." - "Das tut mir leid, ich habe gar kein Kleingeld bei mir..." in neuem Licht erscheinen lassen könnte, will bekanntlich bald ihren neuen Intendanten wählen. Der Tagesspiegel stellt eine Kandidatin, Karola Wille, "geboren in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz)", und einen Kandidaten, Bernd Hilder, vor. +++ Es gebe auch noch einen noch "unbekannten Dritten, der zurzeit noch beim WDR arbeitet, und um dessen Namen man ein großes Geheimnis macht. Wie aus Kreisen des Verwaltungsrates verlautete, soll es sich um einen Verwaltungsinspektor stellvertretenden Direktor beim WDR handeln", weiß Christiane Kohl (SZ, S. 15): "Indes ist offenbar noch unklar, ob der Kölner TV-Manager überhaupt Interesse an dem Posten hat." +++
+++ "Whistleblower scheinen gewitzt genug zu sein, den Streit der 'Leaker' ums richtige 'Leaken' zu ignorieren", schreibt Detlef Borchers auf der FAZ-Medienseite am Ende eines Überblicks über den CCC-/ Domscheit-Berg- bzw. Wiki-/ Openleaks-Streit. +++ Ebd. geht's um "das unerwartetste Comeback der Schweizer Mediengeschichte", das Roger Schawinski als Montagabendtalker des öffentlich-rechtlichen Schweizer Fernsehens (das er früher gern kritisierte) feierte. Bzw. nicht feierte: Der erste Gast, der Bankier Konrad Hummler,"hat seinem Konzept schon in der ersten Sendung den K.-o.-Schlag versetzt", urteilt Jürg Altwegg. +++
+++ In der Fernsehfußballfreunde bewegenden Frage künftiger DFB-Pokal-Übertragungsrechte fragt sich Christopher Keil in der Süddeutschen, worauf sich der Optimismus des DFB (ähnlich viel oder gar mehr Geld zu bekommen, obwohl das ZDF wahrscheinlich gar nicht mitbietet): "Hat er den US-Sportkanal ESPN, einen Kabelnetzbetreiber, ein Mobilfunk- oder Telekommunikationsunternehmen in die Bieterrunde geführt"? +++ Außerdem geht's in der Süddeutschen um Reporterin Alex Crawford, die als erste in Tripolis war, "als sich die Ereignisse dort überschlugen." +++
+++ Von einem Potsdamer Workshop für europäische Nachwuchsjournalisten berichtet die BLZ. +++ Die TAZ wurde von der ARD-Umprogrammierung, die die Stuttgart-Doku auf heute rücken ließ, kalt erwischt. Ergo wurde auch Volker Koepps "Berlin-Stettin" mit Fritzi Haberlandt verschoben. +++
+++ Vom Rande der GNTM-Vorabcasting-Warteschlange bringt der Tagesspiegel eine schöne Reportage Sonja Pohlmanns über Träume der Kandidatinnen. +++ Hanns Zischler, der Sie ja auch das französische Kino kennen: Warum spielen Sie in solchem Schund mit wie dem ZDF-Vier(!)-Teiler "Wilde Wellen"? So ungefähr, freilich in viiiel gewählteren Worten und daher ohne viel Brisanz befragt das Blatt außerdem den Schauspieler. +++
+++ Wie "der Wunsch nach Geld sich für Medienleute immer häufiger zu einer Schlingpflanze zu verwandeln scheint, die sie zu Fall bringt", arbeitet u.a. die TAZ-Kriegsreporterin heraus. +++