Nee. Der Kachelmann-Prozess macht weiter. Thomas Gottschalk macht weiter. Monica Lierhaus macht weiter. Und selbst der MDR.
Gleich übernimmt hier das Urteil im Kachelmann-Prozess, deshalb husch, husch, hurry up durch den Tag auf den Medienseiten.
Wobei man ehrlicherweise und zur Beruhigung aller Wetterfrosch-Aficionados sagen muss, dass der Kachelmann-Prozess mit der Urteilsverkündung nicht endet. Der Kachelmann-Prozess macht naturgemäß weiter, er wird nur ins Fernsehen verlegt, wie unser liebster Prophet Stefan Winterbauer auf Meedia.de berichtet:
"Gegenüber MEEDIA bestätigte Alice Schwarzer, die den Prozess für die Bild-Zeitung kommentierend begleitet, dass Schwenn von der Maischberger-Redaktion als Gast eingeplant war. Schwenn sollte zusammen mit Ralf Witte in der Talk-Show erscheinen. Witte ist ein ehemaliger Mandant Schwenns, der unschuldig wegen Vergewaltigung verurteilt wurde."
So könnte das jetzt unendlich weitergehen im schätzenswerten Duktus der – vor allem in Österreich beherrschten – performing documentary, der, wen's interessiert, demnächst im Berliner Kino Arsenal gehuldigt wird. Leider haben wir für solche Späße keine Zeit.
Die FAZ mag's freuen, denn dann kann die interne Debatte über theatrale Aspekte des Prozesses dort auch weitergehen. Thomas Strobl geht in seinem FAZ-Blog auf den FAS-Text von Harald Staun ein (siehe auch Altpapier von gestern).
So arbeitet Strobl, nicht ganz unberechtigt, heraus, dass Staun offenbar seine Bärbel Bohley nicht gelesen hat, wenn er schreibt:
"Es geht darum, der Gerechtigkeit bei der Arbeit zuzusehen."
Strobl widerspricht:
"Zunächst einmal hätte ich den letzten Satz umformuliert: Es geht nicht darum, der Gerechtigkeit bei der Arbeit zuzusehen, sondern um den Versuch, eine Illusion von Gerechtigkeit zu erzeugen. Es wird Recht gesprochen, aber nicht Gerechtigkeit."
Seine doch etwas lässige Tragödiendefinition –
"Das Theaterstück, das man in einem Gerichtsprozess zu sehen bekommt, ähnelt damit der Figur nach der antiken Heldensage: Von der Ausgangslage her ist der Protagonist des Stücks zwar eindeutig im Nachteil - aber hey: Manchmal schafft er es ja doch"
– könnte dagegen manchem Verfechter der reinen Lehre etwas unterkomplex erscheinen. Wer weiß, vielleicht schaltet sich ja auch noch Gerhard Stadelmaier ("Geh aus mein Schmerz, und suche Sigmund Freud") noch in die Kontroverse ein und spricht ein Machtwort über das Spiel des Wolkenweltverzauberers Kachelmann.
Aber hey: Wir müssen weitermachen. Thomas Gottschalk wohl auch – und zwar in der ARD, wie Michael Hanfeld ebenfalls in der FAZ noch einmal sehr überzeugend ausgerechnet hat.
Was noch fehlt, wie man auch Joachim Hubers Text im Tagesspiegel entnehmen kann, wäre eine Sendung:
"Alle sagen jetzt, sie hätten es nicht eilig, sie hätten viel Zeit. Das stimmt schon, es braucht eben eine Idee, Ideen für eine Thomas-Gottschalk-Sendung, die nicht den Eindruck befördert, der Showmaster hätte mit 'Wetten, dass ..?' die besten Jahre hinter sich."
Uns als alte Hasen des Formate Developings fragt natürlich wieder keiner. Dabei haben wir einen Supertipp, den wir hier für lau zum Besten geben: Schon mal über ein Quiz nachgedacht? Einstiegsfrage für die Auftaktsendung könnte sein: Wie viele Sendungen "Wetten, dass...?" hat Thomas Gottschalk nach seiner Abschiedssendung "Wetten, dass...?" im ZDF noch moderiert, das Malle-Special am 18. Juni nicht mitgerechnet?
Auch Monica Lierhaus macht weiter, was der Spiegel zuletzt ja in Frage stellen können zu wissen glaubte (Altpapier von gestern). Wer aber die Argumente gelesen hat, die wiederum Huber und Kurt Sagatz im Tagesspiegel zur Begründung von einfach allem in Sachen Lierhaus im Tagesspiegel zusammengetragen haben, der wird keinen Zweifel mehr haben.
[listbox:title=Die Artikel des Tages[Thomas Gottschalk wechselt wohl zur ARD (FAZ)##Monica Lierhaus wechselt zum FC Barcelona (TSP)##Der MDR wechselt auf den Führungsposten (SZ)##RTLs Gerhard Zeiler will zum ORF wechseln (HB)##]]
"Der Fundraising-Experte Christoph Müllerleile nannte die 'Marketing-Entscheidung' der Lotterie, an der Botschafterin Lierhaus festzuhalten, 'vollkommen richtig'. Er sagte dem Tagesspiegel, 'Frau Lierhaus hat einen sehr wertvollen Namen, sie leistet gute Arbeit, sie passt genau zu dieser Aufgabe'. Ihr Engagement für die Fernsehlotterie sei auch keineswegs ehrenamtlich zu verstehen, 'sie übt einen Beruf aus, mit beachtlichem Aufwand und beträchtlichen Aufwendungen'."
Eben. Der ignorante Zuschauer sieht nur die paar Minuten aufgezeichnetes wöchentliches Textaufsagen und hat keinen blassen Schimmer von dem beachtlichen Aufwand und den beträchtlichen Anstrengungen, die dahiner stecken.
Müllerleile hat aber, wie der Dirk Thiele in uns sagen würde, noch mehr Pfeile im Köcher.
"Ein anderer (Fernseh-)Prominenter würde vielleicht weniger Honorar nehmen, könnte dies aber über verschiedene Moderationen doppelt und dreifach wieder wettmachen. 'Dieser Weg ist Monica Lierhaus verbaut', sagte Müllerleile. Der Experte erinnerte in diesem Zusammenhang an den spanischen Profiklub und Champions-League-Sieger FC Barcelona. 'Dessen Spieler tragen das Unicef-Logo auf der Brust und sind trotzdem die bestbezahlten Fußballer der Welt."
Twittern Sie ruhig, dass Monica Lierhaus demnächst die Pep-Guardiola-Nachfolge beim FC Barcelona antritt, und wenn jemand fragt, berufen Sie sich auf Müllerleile. Damit geben wir ab ins Landgericht Mannheim, wo Sandra Maischberger in wenigen Augenblicken das Urteil im Kachelmann-Prozess sprechen wird.
Altpapierkorb
+++ Auch Boris Becker macht weiter und zwar, wie man zu seinem nun seit Jahren zu beobachtenden Leidwesen sagen muss, ziemlich genau da, wo er zuletzt, wann und was immer das war, aufgehört hat. Beckers neueste Rolle ist die eines Schulsanierers fürs Privatfernsehen (Kabel 1!). Doch, doch, es muss genauso schlimm sein, wie man sich das vorstellt: "'Wollt ihr die Schule verändern?', ruft er auf dem Schulhof der Schülermenge zu. 'Ja!', rufen die zurück. BB ist Bob der Baumeister", schreibt Julia Niemann in der TAZ. +++ "Für Kabel Eins stemmt Becker nun Wände ein, reißt klebrige Böden raus und spricht mit randständigen Eltern über ihre Problemkinder; er zieht den Jungs, die den armen Benjamin verhöhnen, die Ohren lang und erklärt dass niemand groß genug sei, einen anderen klein zu machen." (SZ, Seite 19) +++ "Zwischen hektischen Schnitten, eiligen Zooms und Gangster-Rap gibt Becker den Küchenpädagogen." (FAZ, Seite 33). +++ Noch weniger als auf Boris Becker wird nur auf 9Live gegeben, wie man am Spott selbst noch im Text von Michael Moorstedt zum Ende des Anrufsenders in der SZ (Seite 19) sehen kann. +++ Apropos Häme: In ungewohnt harschem Ton urteilt Detlef Borchers in der FAZ über den Hacker-Angriff auf den amerikanischen Fernsehsender PBS, der nach allem, was aus Borchers Beschreibung zu erfahren ist, wohl einen eher üblen Bradley-Manning-Film ausgestrahlt haben muss (Seite 33). +++
+++ Der MDR muss weitermachen. Mit neuer Mannschaft. Christiane Kohl wirft schon mal Namen in die Runde für die direkt, indirekt oder auch gar nicht im Zusammenhang mit der KiKa-Affäre frei gewordenen Posten bei der beliebten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt (SZ). +++ Was würde Müllerleile sagen: RTL-Chef Gerhard Zeiler liebäugelt nach HB-Berichten mit dem Posten des ORF-Generaldirektors als Sprungbrett in die Politik (Staatsferne!) und zu deutlich geminderten Bezügen, gemessen an der RTL-Aufwandsentschädigung. +++
+++ Wenn Schwarzerrückertfriedrichsen als "Hennenkampf" firmiert, muss wohl Hahnenkampf die Rede sein: Stefan Niggemeier schilt Don Alphonso der vorauseilenden falschen Freude über die scheinbare Einstellung der SpOn-Kolumnen. Don Alphonso setzt im Gegenzug darauf, dass er schon noch irgendwann richtig gelegen haben wird. Bis es so weit ist, könnte Gerhard Stadelmaier vielleicht auch in dieser Auseinandersetzung einen genreästhetischen Befund ausstellen, ob es sich bei den Spiegel-Online-Kolumnisten nun um Blogs oder Kolumnen handelt. +++
+++ Es gibt auch noch ernsthafte Nachrichten. Der Dokumentarfilmregisseur Gereon Wetzel ("How to make a Book with Steidl") hat mit der Berliner gesprochen und äußert sich dabei auch zu Talkshows: "Ich finde das ganz schrecklich, dieses Karussell von immer denselben Leuten, die eingeladen werden. Die Gäste sind dazu da, ein Thema repräsentativ einzukreisen. Das soll zu einer Form der Erhellung führen, doch das Gegenteil ist der Fall." +++ Ebenfalls in der Berliner verfolgt Julia Gerlach auf einem DW-Workshop in Kairo, was aus dem Bloggen im so genannten arabischen Frühling geworden ist. +++ Der Tagesspiegel berichtet von der Demission des letzten deutschen Korrespondenten in Afghanistan, Christoph Reuter, für den keine Besserung der Verhältnisse in Sicht ist. +++ Und Altpapier-Autor René Martens orientiert in der TAZ über die Folgen der geänderten Werbestrategie bei Aldi, das im Süden nicht mehr in Tageszeitungen wirbt. +++
Neues Altpapier gibt's morgen wieder ab 9 Uhr.