Lobeshymnen aus mal traurigem, mal erfreulichem Anlass prägen heute das Geschehen. Ansonsten: Die Taliban twittern, Cross-Promotion nervt, und Frau Schäferkordt verdient sich was dazu.
Beginnen wir aus gegebenem Anlass mit einer Liste von 30 Filmen: „All the President‘s Men“; „American Gigolo“; „Big Wednesday“; „Blow Out“; „Le charme discret de la bourgeouisie“; „Un coeur en hiver“; „Diner“; „Don‘t Look Now“; „L‘eclicsse“; „Fantasia“; „Fantastic Voyage“; „Le feu follet“; „La grand bouffe“; „I ... comme Icare“; „L‘important c‘est d‘aimer; „Jaws“; „The Ladies Man“; „Leaving Las Vegas“; „Le mépris“; „Million Dollar Baby“; „Out of Africa“, „The Party“; „Playtime“; „Pretty Woman“; „The Right Stuff“; „Le samourai“; „Some Came Running“; „Ultimo tango a Parigi“; „Unter den Brücken“; „Vertigo“.
Das waren die Lieblingsfilme des FAZ-Redakteurs und Filmkritikers Michael Althen, abgedruckt 2007 in der Zeitschrift Steadycam (eine andere Liste hier). Am Donnerstag ist Althen im Alter von 48 Jahren gestorben. Claudius Seidl würdigt seinen Freund in der FAZ:
„Er war der größte aller Filmkritiker, und dass uns seine Texte bleiben, ist nur ein schwacher Trost. Schon weil er, bis zuletzt, immer genug Jugend im Kopf hatte, um so zu leben, zu denken, auf die Welt und auf die Filme zu schauen, als ob die besten Texte erst noch geschrieben werden könnten.“
Tobias Kniebe (Süddeutsche) weist auch auf andere Begabungen hin:
„Wenn es mitzuteilen galt, welcher Blick, welche Geste, welche Szene ihn im Kino (oder auch in der Literatur, in anderen Künsten, im Leben) wieder verzaubert und inspiriert hatte, dann konnte er das auf die klarste, wundersamste und sinnlichste Art vermitteln. So dass seine Leser - bei der Erfahrung oder auch nur bei der Vorstellung dieser Momente - sich selbst plötzlich wie beflügelt fühlten, in einem Zustand erhöhter Wachsamkeit, fast schon wie bessere Menschen.“
Georg Diez (Spiegel Online) erwähnt eine wenige bekannte Tätigkeit Althens:
„Seine Kolumne im legendären Magazin ‚jetzt‘ prägte die Art und Weise, wie es einer ganzen Generation egal wurde, ob etwas Pop war oder nicht, ob etwas hoch war oder tief - nichts war nichtig genug, dass man es nicht doch dazu benutzen konnte, der Welt ein kleines Geheimnis abzutrotzen.“
Die Frankfurter Rundschau schließlich preist ihn als „Dean Martin der Worte“. Bereits am Mittwoch verstarb der frühere Cinema-Chefredakteur Helmut Fiebig (meedia.de, Skaichannel).
Erfreulich sind dagegen die Anlässe für die zahlreiche Würdigungen Senta Bergers. Die Schauspielerin wird heute 70. Zu Wort melden sich überwiegend mittelalte Männer, darunter Thomas Gehringer (Tagesspiegel):
„Wenn eine Schauspielerin alterslose Schönheit symbolisiert, dann ist es die zweifache Mutter und Großmutter Berger. (...) Zuletzt regnete es Auszeichnungen für ihre Darstellung von Frauen, die sich in fortgeschrittenem Alter nicht beugen.“
Arnold Hohmann (Der Westen) schreibt, es glaube doch „ernsthaft niemand“, dass sie 70 werde:
„Zu vollendet hat Senta Berger ihre Schönheit ins Alter gerettet. Wenn sie mit ihrer sanften Stimme aus ihrem reichen Leben erzählt, dann klingt da immer auch eine gewisse Bestimmtheit und Festigkeit mit, die eine in sich ruhende Frau erkennen lässt, der man nichts mehr vormachen kann.“
Die Bedeutung, die die Rolle der Mona Mödlinger in Helmut Dietls Serie „Kir Royal“ (siehe Screenshot), für Bergers Karriere hatte, wird allerorten gewürdigt. Gehringer zitiert sie mit den Worten, sie sei damals, 1986, „in Deutschland neu erfunden“ worden. Uwe Ebbinghaus fokussiert sich in der FAZ (Seite 35) auf die am heutigen Geburtstag ausgestrahlte Folge der ZDF/arte-Reihe „Unter Verdacht“, wo sie grundsätzlich „mit professioneller Hartnäckigkeit und der ihr eigenen Eleganz die jungen Kollegen an die Wand spielt, ohne sie dort zu erdrücken“ (Christian Mayer, Süddeutsche, Seite 17)). Der aktuelle Film, in dem unter anderem der Krieg in Afghanistan eine Rolle spielt, hat aber einen Makel, so Ebbinghaus:
„Leider tut sich diese Folge (Buch: Hartmut Block und Michael Gantenberg) schwer, den Bogen überzeugend vom Kammerspiel (...) bis nach Afghanistan und hin zum Terrorismus zu schlagen. Auch wenn diesmal ein actionerprobter Regisseur wie Andreas Herzog zum Einsatz kommt, wirkt der Fall eine Nummer zu groß.“
Klaudia Wick - eine mittelalte Frau, dies sei der Vollständigkeit halber hinzugefügt - sieht es in der Berliner Zeitung ähnlich:
„Vielleicht haben sich die Drehbuchautoren ein wenig zu viel vorgenommen, als sie die Themen Spielsucht, Wirtschaftskriminalität und Krieg in einem einzigen Film unterbringen wollten. Oft scheint dem Zuschauer wegen der vielen Fährten der rote Faden zu entgleiten, aber abseits jener dramaturgischen Schwächen ist es einmal mehr ein großes Vergnügen, Senta Berger und ihren Kollegen Rudolf Krause (als Kommissar Langner) und Gerd Anthoff bei der Arbeit zuzusehen.“
Ein Grundsatz-Interview zum Thema politischer Krimi hat David Denk für die taz mit dem Drehbuchautor Christian Jeitsch geführt. Von ihm stammt der aktuelle Bremer "Tatort", in dem es um Flüchtlinge geht.
.„Wenn ich ein politisches Thema für mich entdeckt habe, dann verpacke ich das gern in Krimiform, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass das eine gute Möglichkeit ist, überhaupt solche Geschichten zu erzählen. Dass beim ‚Tatort‘ sieben, acht Millionen Zuschauer garantiert sind, macht es den Redaktionen leichter, sich darauf einzulassen, als bei Einzelstücken. Voraussichtlich im Herbst wird ein Zweiteiler von mir laufen über Wasserknappheit und -privatisierung, der nach sechs Jahren endlich realisiert wurde. Das Thema war den Redaktionen erst noch zu abstrakt, dabei sagen alle Experten, dass die Kriege des 21. Jahrhunderts nicht mehr ums Öl geführt werden, sondern ums Wasser.“
[listbox:title=Artikel des Tages["Seine Leser fühlten sich beflügelt" (SZ)##Wie schreibt man ein Politkrimi-Dehbuch? (taz)##Report on the State of Women in the News Media (EJC)]]
Afghanistan-Krieg und Wasserknappheit - für die Fiction bei RTL wäre das wohl immer noch „zu abstrakt“ oder sonstwie unpassend. In einem Interview für die Zeit fragen Anna Marohn und Christof Siemes RTL-Chefin Anke Schäferkordt: „Mitten in der Finanzkrise haben Sie gesagt, die Leute wollen sich jetzt lieber entspannen und nicht so viel Konflikt im Programm. Nun gibt es einen Atom-GAU und Krieg in Libyen. Muss Ihr Programm jetzt noch seichter werden?“ Nein, kann so bleiben. Das sagt Schäferkordt so natürlich nicht, vielmehr sagt sie, „im Moment“ suche der Zuschauer „auf einem ähnlichen Niveau wie während der Krise 2009“ nach „Ausgleich“, beispielsweise durch „eine eher leichte Serie“ (Seite 51).
Noch mehr Schäferkordt: Die Funkkorrespondenz beschäftigt sich mit ihren Nebeneinkünften. 2010 kamen 54.000 Euro durch Aufsichtsratsmandate bei der Software AG und BASF zusammen. Allerdings: „Die Vergütung für Schäferkordts Aufsichtsratsmandate fällt für das Jahr 2010 relativ niedrig aus, weil sie beiden Gremien nicht das komplette Jahr über angehört hat.“ 2011 wird der Regen wärmer:
„Sie wird mehr Geld als 2010 erhalten, da sie in beiden Gremien nun über die gesamten zwölf Monate Mitglied sein wird. Allein die fixen Vergütungssummen belaufen sich im Jahr 2011 für beide Mandate zusammen auf 100 000 Euro. Hinzu kommen noch Sitzungsgelder sowie erfolgsabhängige Zahlungen, die sich nach dem wirtschaftlichen Erfolgen der beiden Unternehmen in diesem Jahr richten.“
Finden wir prima. Dass die Geschäftsführerin eines Senders nicht nur von Fernsehen etwas versteht, sondern sich auch in der Chemieindustrie auskennt und von Software Ahnung hat, kann dem Programm bestimmt nur gut tun.
Altpapierkorb
+++ Noch mehr Fernsehen: Passen „Untenrum-Themen“ zum Kinderkanal? fragt Joachim Huber (Tagesspiegel). Brigitta Mühlenbeck. Redaktionsgruppenleiterin Kinder und Familie beim WDR, antwortet.
+++ Silke Burmester schreibt für den Freitag über den Cross-Promotion-Terror der Öffentlich-Rechtlichen. Deren Manager wiegeln aber ab, Kai Gniffke zum Beispiel, der Chefredakteur von ARD-aktuell: „Früher war es Standard, sonntags in der 20-Uhr-Tagesschau auf Sabine Christiansen zu verweisen, das haben wir abgeschafft.“ Man habe „die Pipeline eher dichter gemacht, als geöffnet.“
+++ „Warum Reinhold Beckmann kein Quiz im Ersten macht", weiß die Süddeutsche (Seite 17)
+++ Die FAZ berichtet über die aktuelle Leichenfoto-Debatte: „Bei amerikanischen Fernsehsendern war der republikanische Senator James Inhofe in den vergangenen Tagen ein begehrter Interviewpartner, denn er hatte einen Blick auf die Bilder geworfen, die ansonsten unter strengem Verschluss gehalten werden: die Fotos des toten Usama Bin Ladin. Einige Mitglieder der Geheimdienst- und Verteidigungsausschüsse des Kongresses dürfen in diesen Tagen im Hauptquartier der CIA die Aufnahmen sehen, die nach einer Verfügung des Präsidenten Barack Obama nicht veröffentlicht werden sollen.“ Mehrere US-Medien haben mit Berufung auf den Freedom of Information Act beantragt, die Bilder freizugeben. Mit Inhofe, der die Veröffentlichung im übrigen befürwortet, hat The Note, der Blog des US-Sender ABC, gesprochen.
+++ Wer das in unserer gestrigen Kolumne erwähnte, von der britischen Wochenzeitug New Statesman veröffentlichte Dokument publik gemacht hat, in dem Wikileaks Sanktionen für Mitarbeiter festlegt, ist nun klar. Es war der Ex-Wikileaks-Mitstreiter James Ball, der im Guardian gewissermaßen in eigener Sache berichtet.
+++ Ebenfalls im Guardian: Die Taliban gehen mit der Zeit, zumindest in einer Hinsicht. Sie nutzen Twitter. Und sie folgen, weil man ja wissen sollte, was auf Seiten des Feindes so los ist, auch Accounts wie @afghanHeroesUK.
+++ Vorbild Russland? Auf den ersten Blick Überraschendes offenbart der Global Report on the Status of Women in the News Media. Das European Journalism Centre berichtet: „Women media professionals from several East European nations are more likely to shatter the glass ceiling than their counterparts in the rest of the world, according to a new study on gender equality in the news business.“
+++ Über Warnstreiks beim Weser-Kurier berichtet die taz. Bei den Bremern werden "mittlerweile drei Redaktionen des Umlands durch den konzerneigenen ‚Pressedienst Nord‘ (PDN) betrieben. Die Leiharbeitsfirma zahlt 20 Prozent unter Tarif. Erst im März wurden zwei Stellen von Sportredakteuren in Delmenhorst gestrichen und durch günstigere PDN-Redakteure ersetzt“. Bei den Streiks verhielt sich der Hausherr, Ulrich Hackmack, offenbar wie ein Gutsherr. Das wirft ihm DJV-Chef Michael Konken vor, der sich unter die Kombattanten gemischt hatte.
Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.