GZS mit Deppendorf

GZS mit Deppendorf

Gestern am Vorabend übertrug den ARD den Großen "Strapfenzeich" (Ulrich Deppendorf) für Ex-Minister Karl Theodor zu Guttenberg. Erste Reaktionen sowie erste Details zu weiteren Werbekampagnen der Bundeswehr...

Sicher, es hätte auch noch schlimmer kommen können. Dennoch, die gestrige Live-Übertragung des Großen Zapfenstreichs (GZS) bzw. "Strapfenzeichs", wie der beklagenswerte Kommentator Ulrich Deppendorf diversen Ohrenzeugen zufolge mindestens einmal sagte, für den Ex-Dr. und Ex-Minister KT zu Guttenberg im Vorabendprogramm bildete einen Art neuen Tiefpunkt für die ARD als staatsferne Anstalt.

Doch obwohl sich im Vorfeld der Übertragung gestern durchaus heftige Kritik an der öffentlich-rechtlichen Sondersendung regte (SPON: "Abschalten bitte!"; evangelisch.de hier: "Das Ereignis 'Zapfenstreich' hat als inhaltsleere Zeremonie keinen Nachrichtenwert an sich, sondern dient nur der Ehrerbietung. Eigens dafür Sonderseiten, Fotostrecken und Extrablätter zu diesem Thema zu erstellen, ist eigentlich das Metier von Guttenbergs größtem Fan, 'Bild'-Chef Kai Diekmann") und trotz der Kritiker-freundlichen Sendezeit von 18.25 bis 19.20 Uhr liegen nur wenige TV-Kritiken vor.

Offenbar haben sich vor allem die Hauptstadtkorrespondenten des Themas angenommen, um ohne Umwege über das Fernsehen unmittelbar vom Ort des Streichs zu berichten, wo sie schließlich Zugang zum "Gästecasino" (Tsp.) erhielten und das "schelmische" Lächeln des Barons, als "die Klänge von Smoke on the Water den Bendlerblock erfüllen" (sueddeutsche.de), dennoch gut erkennen konnten. Am empathischsten ist natürlich die Bild-Zeitung dabei: "Es war ein Abgang mit Würde – und einer, der rockt!", aber auch "ein cooler Abschied!". Die ganz große Titelschlagzeile gilt heute allerdings dem DSDS-Konkurrenzprogramm von RTL, vielleicht, weil praktische Marktforschung ergeben hat, dass viel zu Guttenberg der Quote sogar schadet.

Während im Gästecasino also "450 Geladene" zugegen waren, dürfte die Breitenwirkung der Fernsehübertragung doch größer gewesen sein, schon wegen der "Marienhof"-Fans, die routinemäßig einschaltet hatten. Als TV-Kritik empfehlen wir den taz.de-Beitrag "Marienhof mit Marschmusik", auch wenn er scheinbar als Mischung aus kritischer Vorab-Ankündigung und Nachbesprechung entstanden ist. Steffen Grimberg gestattet sich nicht nur manch heiteren Seitenhieb auf die ARD ("Staatssender in Uniform", "ARD-Tagesbefehl"), sondern arbeitet auch heraus, wie bemerkenswert schwach sich der zum Kommentieren verdonnerte Hauptstadtstudio-Chef Deppendorf präsentierte:

"'Ja, das hat ihm gefallen, das kann man sehen', sagt Deppendorf gegen Ende, und dass Guttenberg gesagt habe, er werde nun einige Gedanken aufschreiben, was mancher schon als Hinweis deute, da seien wohl Memoiren geplant. Die kritischste Frage an seinen rotbemützten Nebenmann hat er da schon gestellt: 'Das war heute relativ schnell. Wir hatten mal mehr Zeit, war mein Eindruck', meinte Deppendorf allen Ernstes."

Gerade sind weder der GZS selbst, noch das noch anbiederndere Guttenberg-Rückblicks-Reportagchen, das die ARD im Anschluss an die Live-Übertragung (und vor "Das Duell im Ersten") sendete, in der Das Erste-Mediathek zu finden. Doch sollte KT zu Guttenberg doch noch einmal Kanzler werden, wer weiß, Deppendorf könnte ihm als Steffen Seibert dienen.

Herein kommt gerade noch die "kleine Nachtkritik" von sueddeutsche.de, der an Deppendorf allerdings lediglich das Rauschen des Windes in seinem Mikrofon aufgefallen ist. Dafür beschreibt Lilith Volkert die aufwändige Machart ("...zehn Kameras setzen die düstere Stimmung in Szene") und hat ingesamt den Eindruck, "ein bisschen wirkt es, als hätte die Bundeswehr einen halbstündigen Werbefilm bestellt."

Tatsächlich ist die Bundeswehr ja heftig am Werben. Gestern vermeldete die TAZ vorn im Blatt in eigener Sache ihren beim Landgericht Berlin gestellten "Strafantrag gegen das Bundesministerium der Verteidigung" wegen der womöglich geplanten (und vom Bild-Zeitungs-Buddy KT noch in seinen letzten Amtstagen unter Dach und Fach gebrachten) "alleinigen Anzeigenschaltung bei den Bild-Medien". "Die bevorzugte Behandlung eines Mediums unterliege dem Subventionsverbot seitens staatlicher Stellen", argumentiert TAZ-Anwalt Johannes Eisenberg.

Die Süddeutsche hat daher beim Verteidigungsministerium nachgefragt [Nachtrag am Nachmittag: nein, der EPD hat nachgefragt] und weitere Details erfahren, u.a.,

"dass kein Beamter, sondern die Werbeagentur Zenithmedia die Medienpartner der Kampagne ausgewählt habe. Deren Fokus liege auf der 'Laufbahn der Mannschaften'; sie richte sich an Zeitsoldaten oder freiwillig Wehrdienstleistende. Von den knapp 5,7 Millionen Euro, die die Bundeswehr in diesem Jahr für 'personalwerbliche Anzeigen' ausgeben könne, seien 4,8 Millionen für die Werbung neuer Mannschaften vorgesehen, hieß es. Davon entfielen 'nach derzeitiger Planung' nur 12,5 Prozent - also 600.000 Euro - auf Bild, BamS und bild.de. In welchen anderen Printmedien Anzeigen erscheinen, steht dem Sprecher zufolge noch nicht fest."

Die Bewerbungsfrist läuft, könnte man vielleicht auch sagen. Allerdings flössen nur 18 Prozent des Budgets in die Presse, ebensoviel wie ins Internet.

Mehr Wind macht heute die andere Werbesache um zu Guttenberg, von der gestern auf dem süddeutschen Boulevard (siehe Altpapier) sowie dann mit Abbildung des Anzeigenmotivs und Nennung des werbetreibenden Bekleidungsunternehmens bei meedia.de die Rede war. Also die unfreiwillige und unbezahlte Werbung mit der Person des stets auch fesch gekleideten Ex-Ministers. Da steckte "die Werbeagentur Webguerillas" dahinter, weiß die BLZ. Daran, dass die Neue Zürcher Zeitung aber schon witziger mit zu Guttenberg geworben hatte, erinnert die Süddeutsche.

[listbox:title=Artikel des Tages[GZS-Kritik bei taz.de##Die aktuelle Bundeswehr-Werbekampagne (SZ)##Wie geht es Bradley Manning? (ebd.)##Digitalsenderzoff in der ARD (BLZ)]]

Die sich im Aufmacher ihrer heutigen Medienseite ebenfalls einem Soldaten widmet, dem "mutmaßlichen Wikileaks-Informanten" Bradley Manning. Wie der 23-Jährige "seit acht Monaten täglich 23 Stunden in einer weniger als sieben Quadratmeter kleinen Zelle verbringen" muss, "die kein Fenster mit Blick ins Freie habe", wie er "als Insasse unter 'maximaler Aufsicht'" ziemlich guantanamoartig vor sich hin vegetieren muss, beschreibt Janek Schmidt ausführlich.

Hätte Manning sich besser nicht an Wikileaks gewandt, das ungefähr ist dann die Botschaft des Artikels. "Während traditionelle investigative Journalisten ihre Informanten zur Diskretion mahnen und ihnen sogar helfen, mögliche Spuren zu verwischen, gibt es bei Wikileaks keine solche Betreuung für unerfahrene Quellen", heißt es weiter im Text (und wird unten drunter von Hans Leyendecker in einem weiteren Artikel noch mal anders formuliert).


Altpapierkorb

+++Nicht oder noch nicht wegen Deppendorf, aber wegen der beiden recht unbekannten Digitalsender "Eins Plus" und "Eins Festival" kracht es hinter den Kulissen der ARD. "Im letzten Moment" sei die schon lang geplante Fusion zu einem jungeleutetauglichen Konkurrenzsender für ZDF-Neo "überraschend gescheitert", berichtet Peer Schader in der Berliner Zeitung, und zwar "auf höchster Ebene", also der des SWR-Intendanten und vorigen ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust sowie der aktuellen Vorsitzenden und WDR-Intendantin Monika Piel. +++

+++ Minister Schäubles neuer Sprecher Martin Kotthaus war auch mal Journalist. Und obwohl er "ein early adopter ist, der neue elektronische Apparate gerne früh ausprobiert, hält er nichts von Neuerungen wie Facebook und Twitter. Bei dem einen missfällt ihm, dass die Privatsphäre nicht geschützt werde, bei dem anderen fragt er sich: Wer nutzt das?" (Hans-Jürgen Jakobs in der SZ). +++

+++ Die FAZ widmet sich auf ihrer Medienseite 37 Siegfried Lenz-Porträts im Fernsehen. Und versucht, Politik zu machen, indem sie angeblich Auswirkungen der Bundesverfassungsgerichts-Entscheidung von vor einem Jahr, dass die Vorratsdatenspeicherung gegen das Grundgesetz verstößt, auf die Arbeit der "Zentralen Internetrecherche" des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamts schildert: "Unmittelbar nach der Urteilsverkündung bricht im Verhältnis der ZIR-Ermittler mit den Providern das helle Chaos aus. Und die Aufklärungsquote, die seit der Gründung der ZIR bei 90 Prozent lag, bricht dauerhaft um 30 Prozentpunkte ein." +++ Dazu passt ein Interview mit Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger in der aktuellen Zeit, auf das netzpolitik.org aufmerksam macht. +++

+++ AOL, dem inzwischen ja die Huffington Post gehört, "streicht 20 Prozent aller Stellen", nämlich 1000 (SPON-Netzwelt). +++ Ins merkwürdige Biotop öffentlich-rechtlicher Medien der USA schaut die TAZ. +++ Auf die Rekordgeschäftszahlen der RTL-Group die SZ. +++ Schon wieder auf Golf als potenziellen Fernsehsport der Tsp. +++

+++ Der Fernsehfilm heute abend: "Amigo" von Lars Becker bei Arte Die TAZ empfiehlt ihn nicht, im Tsp. lobt Rainer Tittelbach die Schauspielerin Ina Weisse, an der Hitchcock "seine Freude gehabt" hätte (und lobt den Film selbst im eigenen Netzauftritt eher nicht). +++ Man könnte auch im ZDF "Der Krimininalist", ab heute ohne Frank Giering, dafür mit Janek Rieke (BLZ), gucken. +++ Auch wenn das Erdbeben in Japan die Programmplanung vermutlich durcheinanderbringen wird... +++

Neues Altpapier gibt's wieder am Montag.


 

weitere Blogs

Regenbogengottesdienst  in Adventszeit
Ein Gedicht zum Heiligen Abend aus queerer Perspektive nicht nur für queere Christ:innen.
Warum Weihnachten hinter einer Mauer liegt und was sie überwinden kann.
In einer Kirche hängt links neben dem Altar ein Schild mit der dreisprachigen Aufschrift No pasar - Überholverbot - no passing
In Spanien gibt es ein Überholverbot am Altar.