Ist lange her, dass wir eine Kolumne mit Stefan Winterbauer beginnen durften, der, wenn diese uns sonst fern stehende Jovialität gestattet ist, zweifellos als guter Freund des Hauses gelten muss.
Winterbauer hat auf Facebook Seiten entdeckt, die brancheninterne Redewendungen zusammentragen, und auf Meedia.de darüber geschrieben ("Kultige Journalisten-Sprüche bei Facebook"). Naheliegenderweise interessiert er sich zuerst für den so genannten Journalistensprech:
"Das Tolle an den Sprüchen beispielsweise aus Journalistensprech ist, dass wirklich jeder Journalist die meisten der dort veröffentlichten Sprüche selbst aus eigener Erfahrung kennt und wahrscheinlich auch schon mehr als einmal benutzt hat (Schande!)."
Das Bekenntnis ehrt ihn; ob wirklich jeder Journalist die meisten der dort veröffentlichten Sprüche schon einmal verwendet hat, ist empirisch womöglich nicht haltbar. Es sind tatsächlich auch Journalisten bekannt, die Pressekonferenz statt PK sagen.
Zu erörtern, woran das liegt, würde vermutlich nur zurückführen zum Selbstbild des Berufs und damit in die Bundestagsanhörung zum Qualitätsjournalismus (siehe Altpapier von gestern). Auch nimmt der Kommentar von Andreas Kunze stärker für die Kommunikation in anderen Branchen ein.
Ausgenommen hier von bleibt das Berater- und Investorenvokabular. Man möchte sich gar nicht ausmalen, wie die jüngste Entscheidung im Hause Sky verbal performt worden ist.
Es wird jedenfalls investiert: in einen Sportnachrichtenkanal.
"Das neue Angebot von Sky Deutschland würde sich natürlich an der Rangliste der Sportarten orientieren, die das meiste Interesse im Publikum generieren, 'Fußball an der Spitze, aber auch Ruder-WM, wenn deutsche Sportler aussichtsreich vertreten sind', wie Schmidt sagte."
Schreibt Joachim Huber im Tagesspiegel. Schmidt, Carsten, ist übrigens "Sky-Vorstand Sports, Advertising Sales & Internet", was wenig Lust auf O-Töne macht (siehe Sports-Advertising-Sales-Internet-Vorstandssprech).
Aus der SZ ist unter der Überschrift "Murdoch spendiert einen Sender" zu erfahren:
"Das Geld für das Projekt soll vom Großaktionär kommen, teilte Sky Deutschland mit. Der News-Konzern und Rupert Murdoch werden dafür über eine Tochterfirma ein Gesellschafterdarlehen in Höhe von 48 Millionen Euro an Sky Deutschland geben. Eine teure Finanzierung: Die Verzinsung beträgt immerhin zwölf Prozent, deutlich mehr als der Marktzins, Kredit und Zinsen werden zusammen 2014 fällig."
Das mit den Investitionen war doch auch einmal anders, denkt man sich, aber gut, Murdoch hat schon öfter Geld gegeben:
"Seit seinem Einstieg vor drei Jahren greift Murdoch Sky damit zum fünften Mal unter die Arme - er hat mittlerweile 1 Mrd. Euro nach München überwiesen."
Steht in der FTD. Dort ist auch zu lesen:
"Sky hat in den 20 Jahren seit seiner Gründung erst einmal einen Jahresgewinn erzielt - im Jahr des Börsengangs 2005."
Und die aktuellen Zahlen stiften zwar Hoffnung (niedrige Kündigungsquoten, Abonnentenzuwachs, geringer Verlust), aber auch 2010 hat Sky Deutschland Verlust gemacht.
"Damit verlor der Bezahlsender immer noch mehr als eine Million Euro am Tag."
Hat die SZ ausgerechnet. Und die weiß, dass so was an der Börse interessiert:
"Die Sky-Aktie gab Donnerstag um knapp zehn Prozent nach."
Immerhin wird ja was frei. ARD und ZDF werden die Leichtathletik-WM aus Südkorea nicht live übertragen. Und ARD und ZDF wollen sich dafür auch nicht dumm anmachen lassen, wie es im Straßensprech heißt:
[listbox:title=Die Artikel des Tages[Murdoch gibt Darlehen (SZ)##Murdoch gibt Darlehen (TSP) ##Sky schreibt rote Zahlen (FTD)##Südkurier will sich kaufen (TAZ)##Dirk-Thiele-Sprech (Forum)##]]
"ARD und ZDF, sagte er (ARD-Programmdirektor Volker Herres, AP), an diesem Donnerstag, 'haben sich nicht verweigert. Wir haben ein marktgerechtes Angebot abgegeben, das wurde ausgeschlagen, und wir haben zu akzeptieren, wenn dann mit uns kein Vertrag zustande kommt.' Dass die Anstalten für die Weltmeisterschaften in Berlin und Osaka zuvor zusammen 20 Millionen Euro zahlten, stehe in keinem Widerspruch."
Schreibt wiederum die SZ. Im Agentursprech, dem der Tagesspiegel huldigt, heißt das:
"Nach eigenen Angaben haben ARD/ZDF ein 'offensichtlich unübertroffenes' Angebot abgegeben. Deshalb lehnten es die TV-Sender ab, die Verantwortung dafür zu übernehmen, dass es keine Live-Bilder in diesem Jahr zu sehen gibt."
Neben Skys Nachrichtenkanal bleibt einem Eurosport. Dort sitzen Siggi Heinrich und Dirk Thiele hinterm Mikrofon, was den Vorteil hat, das man es da nicht mit Journalistensprech zu tun bekommt: Die Fernsehrpreisgewinner Heinrich und vor allem Thiele sind die ungekrönten Könige des sprachlichen Bildes, die Jackson-Pollock-Ernst-Ludwig-Kirchner-Pablo-Picassos der Metaphorik.
Sie sind ihre eigene Facebook-Gruppe.
Altpapierkorb
+++ Julian Assange kann ausgeliefert werden. Niklas Hoffmann hält dem Wikileaks-Gesicht aus diesem Anlass in der SZ vor, lange nicht mehr Kerngeschäft betrieben zu haben. +++ Der große Detlef Borchers weitet in der FAZ (Seite 39) das Verhältnis von Gejagten und Verfolgern informativ: "Joe Applebaum, der mehrmals als Redner in Vertretung von Julian Assange aufgetreten ist, berichtete von mehrstündigen Aufenthalten auf Flughäfen, bei denen Spezialisten versuchten, seine Daten auszulesen. Mittlerweile ist Applebaum ein 'analoger Nomade' geworden, der ohne Laptop, Telefon und USB-Sticks verreist – und darum von den verdutzten Spezialisten umso intensiver kontrolliert wird." +++
+++ Im Bundestag war nach dem Qualitätsjournalismus auch noch die Gaming Szene am Start. Emily Thomeys Bericht von der dortigen LAN-Party in der TAZ kommt allerdings zum Schluss, dass nur die Abgeordneten mitgeballert haben, die Counter Strike sowieso nicht verbieten wollen. +++ Keine Genehmigung droht der gemeinsamen Online-Plattform von RTL und ProSiebenSat.1 berichten SZ, TSP und HB. +++
+++ Die TAZ berichtet von Träumen der Südkurier-Belegschaft, die eigene Zeitung kaufen zu können. +++ Der Tagesspiegel informiert über isharegossip.com, eine Seite, die weniger dem gepflegten Lästern als dem gemeinen Dissen unter Schülern Raum verschafft. +++ Die Berliner stellt die Website daswortzumord.de von Krimiexperte Tobias Goltz vor, auf der Prominente über den je aktuellen "Tatort" reden.* +++
+++ Fernsehen gibt's auch: Die SZ empfiehlt ein Franz-Xaver-Kroetz-Portrait auf Arte. +++ Die Berliner würdigt den Abschied von Frank Giering als Darsteller der Ermittlerfigur in "Der Kriminalist". +++
+++ Jörg Kachelmann will return dagegen im Radio (FR). Vielleicht ein wenig früh. +++
Neues Altpapier gibt's Montag wieder ab 9 Uhr.
*Der Verfasser ist selbst Autor einer wöchentlichen Tatort-Rezensionsdiskussion auf freitag.de