Ost-West-Drama beim Kika? Neues zum alten Aufreger Leistungsschutzrecht. Und: Wann kommt der Blogger-Verband?
Hmpf. Derart zersplittert wie an diesem Donnerstag stellt sich die Mediennews-Lage beim frühmorgendlichen Überfliegen selten dar. Falls man nicht gesteigertes Interesse für Dieter Nuhr hegt, der heute am späteren Abend als Moderator des "Satire-Gipfels" der ARD debütieren wird (und der in der TAZ, die ihn interviewt, und im Tagesspiegel, der ihn zum Porträt traf und auch sein Sternzeichen enthüllt, wirklich alles tut, um sämtliches Interesse an ihm zu zerstreuen), ist es arg schwer, das relativ interessanteste Thema zu identifizieren.
Es erfreut bzw. betrübt eine beachtliche Auswahl internationaler Themen, die allerdings überwiegend nicht frei online zu haben ist. Z.B. sei in San Francisco eine gemeinsame Performance von Rupert Murdoch und Steve Jobs gescheitert, nicht an Jobs' Krankheit, sondern an Software-Problemen, derentwegen es The Daily, die erste Tageszeitung fürs iPad, noch immer nicht gibt (21 Zeilen in der Süddeutschen, S. 17). Z.B. taucht Harald Keller mal wieder in der FAZ auf, mit einem großen Bericht über "das walisische Hollywood", Cardiff, wo nämlich die Serie "Torchwood" gedreht wird. Z.B. soll in Israel "die letzte deutschsprachige Tageszeitung" eingestellt werden, wie Chefredakteurin Helga Müller-Gazmawe ebenfalls der FAZ sagte. Zu den frühen Autoren des seit 1936 zunächst unter dem Namen "Blumenthals Neueste Nachrichten" erschienenen Blattes zählte einst auch Max Brod. Hier geht's zum Internetauftritt der Zeitung und der Aktion "Die 'Israel-Nachrichten' dürfen nicht sterben!".
Wer sich dennoch mehr für die inländische Rundfunkanstalten interessiert, findet den bislang wohl informativsten Bericht über die Kika-Betrugs-Affäre (zuletzt gestern im Altpapier) in der Süddeutschen. "Mithin wanderten beinahe zehn Jahre lang mehr als zwei Prozent des Jahresumsatzes jeweils in private Taschen, ohne dass irgendetwas auffiel in dem Kanal, der federführend vom MDR geführt wird", fasst Christiane Kohl das Skandalon zusammen. Der Schaden werde inzwischen gar auf 7,3 Millionen Euro taxiert. Eine sozusagen zeithistorisch-dramatische Dimension gewinne der Fall aber auch:
"Ausgebildet noch beim DDR-Fernsehen in Ost-Berlin, war Marco K. schon seit der Gründung des Kika im Jahr 1997 dabei. Stets als tüchtig und kompetent beschrieben, musste der Ostdeutsche jedoch wiederholt zusehen, wie ihm ein westdeutscher Chef vor die Nase gesetzt wurde. Entsprechend gibt es nun Deutungen, dass der heute 43-Jährige aus Enttäuschung möglicherweise eine Art 'Résistance-Gefühl gegen die West-Besatzer' entwickelte, wie es heißt."
Leider steht auch dieser Artikel nicht frei online (wohingegen der verfügbare Artikel, in dem sich die Süddeutsche nochmal mit den Schleichwerbe-Vorwürfen gegen die Oliver-Berben-Produktion fürs ZDF, "Meine Familie bringt mich um", beschäftigt und exklusiv leichte Umstrukturierungen bei der Berben-Firma "Moovie" enthüllt, eher blass bleibt).
Wer sich ganz massiv für inländische Rundfunkanstalten interessiert, könnte sich allerdings sicher auch für die nüchternen Berichte zum jüngsten Reformplan für die Deutsche Welle (Tsp., FAZ) interessieren.
Worüber man ganz gern noch etwas mehr läse: das zumindest vorläufige Aus der individualisierten Tageszeitung namens niiu (siehe z.B. altes Altpapier von 2009 zum Start des Projektes), von dem Daniel Bouhs bei meedia.de bereits am Dienstag berichtete. Der taz.de-Artikel allerdings aggregiert in Umkehrung der üblichen Abläufe den meedia.de-Artikel sozusagen bloß.
Heute nun erscheint Bouhs, bekanntlich einer der leistungsstärksten Medienjournalisten, in der Berliner Zeitung mit einem großen Interview zum alten, aber wohl noch nicht verhallten Aufreger namens Leistungsschutzrecht. Sein Interviewpartner heißt Markus Runde, ist Chef der Verwertungsgesellschaft VG Media und argumentiert dennoch, wie es Hubert Burda nicht schöner könnte, z.B.:
"Autoren und Künstler profitieren von der Schaffenskraft der Verleger bei der Herstellung und dem Vertrieb der Zeitungen oder der Sender bei der Produktion der Radio und TV-Programme. Diese Kreativität ist erheblich, gilt es doch, ein insgesamt attraktives Programm, eine durchgehend lesenswerte Zeitung zu schaffen."
Auf Nachfrage wird er auch einen Tick konkreter:
"Es geht in der Debatte nicht um den Käufer der Zeitung oder den Konsumenten des Fernsehprogramms, sondern um den Unternehmer, der rund um die TV-Programme oder mit Zeitungsinhalten mit ein wenig digitaler Technik eigene Geschäftsmodelle mit fremden Leistungen aufbaut."
Nun ja. Man könnte sich auch fragen, ob diese VG Media, zumal seitdem sie nicht mehr ProSiebenSat.1 und RTL, sondern nur noch P7S1 gehört, nicht ein ganz besonderer Papiertiger in der vielköpfigen Medienlobbyistenlandschaft ist. Wucht verleiht Rundes Ansinnen aber zumindest die von der BLZ online in der Randspalte angebotene "Top-Fotostrecke" "Spitzenpolitiker und Promis zu Gast im Berliner Verlag". Wir empfehlen besonders Foto 12, auf dem "Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP)... gut gelaunt mit der Verlegergattin Hedwig Neven DuMont scherzt". Vielleicht wird's ja tatsächlich noch was mit dem Leistungsschutzgeld in dieser Legislaturperiode!
[listbox:title=Artikel des Tages[Leistungsschutzrecht-Interview (BLZ)##"Ob Konstantin nicht wieder was Lustiges gesagt hat" (Jakubetz)]]
Insofern wird das Interview zumindest unser Artikel des Tages. Falls jemand immer noch zweifelt, dass das Thema derzeit zum Aufreger taugt, hilft Stefan Niggemeier. Im neuesten Eintrag seines Blogs spannt er aus irgendeinem Grund, der womöglich auch einfach darin besteht, dass das "Dschungelcamp" immer und überall zieht, die Themen Leistungsschutzrecht und "Dschungelcamp" zusammen.
Dass Robert Basic gerade die vieldiskutierte Ansicht äußerte, "Ich denke, dass Stefan mittlerweile mehr BILD ist denn die BILD selbst", hängt indes nicht mit diesem Artikel zusammen, sondern mit Niggemeiers vorvorigem.
Altpapierkorb
+++Robert Basic, Robert Basic... Holzpresse-fixierte Menschen wissen es vielleicht nicht sofort: Das ist der, der seine ursprüngliche Domain verkaufte und jetzt gerade auch "bittere Bilanz" (meedia.de) zog. Also sozusagen ein indirektes Äquivalent zu René "Nerdcore" Walter, der seiner beliebten Domain unfreiwillig verlustig ging (siehe Altpapier gestern). Die Diskussionen dazu verlaufen überraschend entspannt. "Manchmal hilft es Dinge geregelt zu kriegen, wenn man Briefe auch schon öffnet, bevor der dritte derselben Sorte angekommen ist", meinte jetzt.de unter Bezugnahme auf ältere Empfehlungen Sascha Lobos und Kathrin Passigs. Die Freischreiber empfehlen per Update (am Ende des älteren EIntrags) den Bloggern die Gründung eines Blogger-Verbandes. +++
+++ Wer beim glamourösen Neujahrsempfang im Berliner Verlag abwesend war: Konstantin Neven DuMont. Wer sich bei Facebook einloggt, kann dort die Diskussion zu dessen jüngsten Äußerungen zu einem älteren Kurt-Kister-Artikel verfolgen. Darüber, wie der Lothas-Matthäus-Medienjournalismus der Aggregatoren das sofort gern aufgriff, hat Christian Jakubetz eine Art Streiflicht gebloggt. +++
+++ Potenzieller Aufreger in einer Spaltenmeldung der SZ: Beim Buchhandels-Filialisten Hugendubel könnten "bestimmte kirchenkritische Buchtitel" eine Zeitlang nicht mehr verkauft worden sein, weil das Unternehmen mit dem Weltbild-Verlag (im Besitz der katholischen Kirche) kooperiert. +++
+++ Zu den Meldungen in der Süddeutschen zählt die, dass mit der unter Auflagen gebilligten Fusion des Fernsehunternehmens NBC Universal mit dem Kabelnetzbetreiber Comcast der größte Medienkonzern der USA (bzw. der Welt) entstehen kann. Siehe auch TAZ. +++ Und die, dass der Focus von seinem 1-Euro-Jubiläumsheft 150.000 Hefte nachdrucken ließ. +++ Im FAZ-Feuilleton warnt Frank Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, vor den neuen Regierungs-Plänen, die Vorratsdatenspeicherung zu ersetzen, zumal angesichts des neuen Internet-Adress-Systems IPv6 ("Das kommende Vorratsdatendrama", S. 32). +++
+++ Auf der FAZ-Medienseite stellt Michael Hanfeld Gregor Gysi neben Carsten Maschmeyer. Auch bei Gysis Weigerung, mit den Autoren des ARD-Films "Die Akte Gysi" (im Anschluss an den "Satire-Gipfel" um 23.30 Uhr) zu sprechen, stelle sich "der Eindruck ein, hier werde versucht, Berichterstattung durch Schweigen oder Ausreden zu ersticken". +++ "Durchaus unterhaltsam", der BLZ zufolge: "Fashion & Fame" auf ProSieben. +++ "Alles ist wahnsinnig kreativ und irre aufregend", würde Helmut Höge (TAZ) sagen. +++
+++ Die Agenturmeldung über Zoff zwischen den "Musikantenstadl"-Protagonisten Andy Borg und Karl Moik vertieft sueddeutsche.de. +++ Und Joachim Huber hat zu den jüngsten "Dschungelcamp"-Folgen eine Art Poesiealbum veröffentlicht (tagesspiegel.de). +++
Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.