Monika Piel übernimmt den ARD-Vorsitz und gewährt Einblicke in das Leben einer Führungsperson. Der Chaos-Computer-Club-Kongress ist derweil zu Ende gegangen - mit Einblicken in das Leben von führungspersonenskeptischen Personen, sogenannten Nerds oder Hackern.
Hoch die Tassen: Die erste inhaltlich zusammenhängende Erwähnung von Konstantin NevenDuMont und Stefan Niggemeiers Blog in einem Altpapier wird am morgigen Dienstag ein Jahr alt!
Was wiederum daran liegt, dass Niggemeiers nicht völlig ungelesen gebliebener Blogeintrag "Ein Sandkasten für Konstantin NevenDuMont" am heutigen Montag ein Jahr lang im Netz steht.
Und somit ist zu vermerken: Eines der großen Medienthemen des Jahres 2010 wurde an einem 3. Januar in die Welt gesetzt. An alle, die glauben, man könne doch im Januar noch nicht schreiben, dass eine Neuveröffentlichung die "Platte des Jahres" sei - eat this!
Was aber wird das Medienthema des Jahres 2011?
Wenn man vom Stand am 3. Januar ausgehen kann, und das kann man ja offensichtlich, ist "Das Traumschiff" ein Burner dieses Jahr (Quotensieger an Neujahr plus zwei weitere Erwähnungen anlässlich der Veröffentlichung von Christoph Maria Herbsts Buch "Ein Traum von einem Schiff" in FAS, S. 28, und Spiegel, S. 127). Außerdem der Film "Rottmann schlägt zurück" mit Heino Ferch (wir kommen im Altpapierkorb darauf zurück).
Aber weil wir beides irgendwie nicht so recht glauben wollen, verzichten wir auf Jahresprognosen und nehmen für diesen einen Tag in die engere Auswahl als Themen des Tages:
a) Netzpolitik und die Zukunft des Leakens und Hackens. Und
b) den ARD-Vorsitz der WDR-Chefin Monika Piel, die heute so gut wie nirgends nicht auftaucht.
Anlass für die Berichte über das Hacken und den Nerd an sich ist in diesen Tagen der 27. Chaos Communication Congress, der bis Donnerstag in Berlin stattfand.
Die taz hatte in einem im Altpapier bereits erwähnten Artikel berichtet. Julia Seeliger, gewohnt netzpolitikaffin, berichtet nun noch einmal und fasst das Geschehen auf dem Kongress direkter zusammen:
"Eine Absage (...) erteilte das Podium der Idee 'Post Privacy'. Constanze Kurz (vom Chaos Computer Club; AP) bezeichnete ihre Verfechter mehrfach als 'Post-Privacy-Spackos' und sagte: 'Wir haben ja nichts dagegen, dass sich Leute im Netz nackig machen können. Man soll es nur nicht als Lebensstil, als soziale Norm propagieren'."
Und auch FAZ.net legt in der Kongressberichterstattung nach dem Startbericht nochmal nach. Detlef Borchers widmet sich dabei unter anderem der Zukunft des Journalismus:
"Als 'Hacker Journalist', als 'Data Mining Reporter' und als 'Crowd Engineer' werden Journalisten im Jahr 2050 arbeiten und so einen respektablen Posten in ihrer jeweiligen 'Community' einnehmen – weil sie den Hackern verwandt sein werden. Der Journalist der Zukunft wird nach der Vision von Newitz (Annalee Newitz, Chefredakteurin von io9.com; AP) als Data Mining Reporter mittels ausgefeilter, selbst programmierter Software unbekannte Zusammenhänge aufdecken. Als Crowd Engineer wird er Diskussionsforen moderieren und Debattenthemen in Artikeln zusammenfassen. Vom Journalismus heutiger Prägung wird nur noch der investigativ arbeitende Journalist übrigbleiben, der sich inkognito in Unternehmen und Behörden einnistet und Missstände aufdeckt."
Zudem zog am Sonntag noch die FAS nach, deren Medienseite sofort als besondere auffällt, wenn mal nicht einer der Hauptautoren schreibt, sondern zum Beispiel Alard von Kittlitz. Der verzichtet, was in Netzkongressberichten auf der FAS-Medienseite nicht völlig selbstverständlich ist, auf jede billige Polemik gegen langhaarige Blogger, wenn er auch den Hacker bzw. Nerd als langhaarig und männlich definiert (was ja empirisch vielleicht auch nicht falsch ist) in einer kurzen Passage einer ebenfalls äußerlichkeitslastigen Typologisierung unterzieht:
"Die größte Gruppe zum Beispiel stellen die sozial desinteressierten Nerds dar, die sich an einem Kleidungsstil erkennen lassen, der dem Praktischen eindeutig den Vorzug lässt vor dem Ästhetischen, in dem die soziale Funktion von Kleidung also unerkannt geblieben ist." usw.
[listbox:title=Artikel des Tages[Piel im Interview (taz)##Piel im Interview (TSP)##Piel im Interview (BLZ und Co.)##Der CCC-Kongress (taz.de)##Zukunft des Journalismus (FAZ.net)]]
Was trägt andererseits die WDR-Vorsitzende Monika Piel, fragt sich da der gemeine Ballonseidenästhet - und erfährt es aus all den Interviews mit ihr nicht, die in der Landschaft herumstehen.
Es wären an dieser Stelle vier zu erwähnen: das aus der SZ von Christopher Keil (S. 17), jenes aus der taz von Steffen Grimberg auf den tazzwei-Seiten, das von Thomas Gehringer im Tagesspiegel sowie das von Anne Burgmer in den Blättern der DuMont-Gruppe, KSTA/FR/BLZ.
Ein Interview ist schöner als das andere, und jedes könnte wohl auch in jeder anderen der vier Zeitungen stehen. Das am breitesten angelegte, vielleicht auch das im Detail informativste, ist das der taz, das konfrontativste das der Süddeutschen. Am wenigsten ergiebig ist dabei allgemein die Pflichtfrage, ob die ARD so viele Talkshows brauche, wie sie 2011 habe. Was soll Piel dazu schon sagen? Dass ihr dieses selten dumme Gequatsche persönlich auch tierisch auf den Senkel gehe? Aber wie gesagt: Pflichtfrage.
Fassen wir zusammen:
"Man muss viele föderale Interessen unter eine Melone bringen". (TSP)
"Wenn der Verlegerverband die Apps kostenpflichtig macht, dann werde ich mich auch vehement dafür einsetzen, dass unsere öffentlich-rechtlichen Apps kostenpflichtig sind." (BLZ)
"Ich fände es persönlich sehr schön, wenn Günther Jauch bei uns auch ein Unterhaltungsformat übernehmen würde, aber das steht im Moment nicht zur Debatte." (SZ)
"Medienjournalisten sehen das Programm anders als glücklicherweise das Publikum. Und das sieht die vier Talks, die schon heute laufen, sehr gerne - Akzeptanz und Quote steigen." (taz)
Nur noch eines wüsste doch immer zu gern, wenn Medienjournalisten in Reihe empfangen werden: was es zu essen gab.
Altpapierkorb
+++ Die taz mit einem Medienthema auf dem Titel: Die Pressefreiheit in Ungarn, folglich auch bedacht mit einer Seite vorne im Blatt und einem Essay über Ungarns "autoritären Umbau" +++
+++ Ansonsten viel Fernsehen heute. Im Fernsehen zum Beispiel gibt es einen Sender namens RTL. Er ist Marktführer 2010, was etwa die FR online länger meldet, ebenso die taz, und was DWDL erwartungsgemäß großflächig begeht. Bild feiert mit einer Gewinnerin des Tages +++ Darin, also in RTL, heute: "Rachs Restaurantschule", die auch die SZ (S. 17) gerne sieht: "Rachs Restaurantschule ist das Beste, was der selbsternannte Familiensender aus Köln, der am liebsten dysfunktionale Familien zeigt, seit langem zustande gebracht hat." +++
+++ Mehr über Wikileaks, das auch in den CCC-Berichten auftaucht, steht in Niklas Hofmanns genau geschriebenen "Nachrichten aus dem Netz" im Feuilleton der Süddeutschen: Er begibt sich in die "Schützengräben des letzten großen Bloggerkriegs von 2010, der wohl auch im neuen Jahr nicht so rasch befriedet wird": Wired.com hatte über die Verhaftung von Bradley Manning berichtet, "jenem Armee-Gefreiten, der das Video eines tödlichen Helikopter-Angriffs auf Zivilisten im Irak und die (...) diplomatischen Depeschen an Julian Assanges Wikileaks weitergegeben haben soll. Dazu bekannt hatte er sich angeblich in einem Chat mit dem wegen Computerhackens vorbestraften Adrian Lamo, der Manning daraufhin angezeigt und mit dem FBI kooperiert hatte. Wired.com ließ er Protokolle des fraglichen Chats zukommen. Aus diesen hat die Website auszugsweise zitiert." Der Streitpunkt ist: Gibt es eine Komplizenschaft zwischen Wired.com-Autor Kevin Poulsen und Adrian Lamo, der sich "gegenüber verschiedenen Medien in Widersprüche verwickelt (hat), vor allem in der Frage, ob ihm Manning im Chat berichtet habe, dass Assange und Wikileaks ihn beim Entwenden der Daten aktiv unterstützt hätten. Eine Frage, die für eine mögliche Anklage gegen Assange in den USA von entscheidender Wichtigkeit wäre." +++
+++ Mehr Fernsehen: Heino Ferch in: "Rottmann schlägt zurück", 20.15 Uhr, ZDF, besprochen in der FAZ (S. 31) und im Tagesspiegel +++ Und vor allem: die Trilogie "Yorkshire Killer" – FAS-Kinokritiker Peter Körte bejubelt die Ausstrahlung im ZDF und nutzt jede Schwäche der britischen Miniserie, um sein eigentliches Gebiet, den Kinofilm, zu feiern: "aber noch immer weit überm Fernsehdurchschnitt" +++ Auch Hannah Pilarczyk (SpOn) rezensiert die Trilogie und schreibt, der in jedem Teil auftauchende Schlachtruf ("Dies ist der Norden, wo wir tun, was wir wollen") "lässt einen nachhaltig vor der süßlichen Heimatverbundenheit der deutschen 'Tatorte' zurückschrecken" +++ Im Tagesspiegel außerdem: ein Pro und Contra zur Synchronisierung von TV-Serien +++ Und Jan Freitag blickt im KSTA aufs Fernsehjahr voraus +++
+++ Klatsch und Tratsch, vielleicht aber auch doch ein wenig mehr als das? Der investigativ arbeitende Marvin Oppong beendet seine Arbeit für Carta - und begründet das in einem in der Silvesternacht morgens um vier an der Redaktion vorbei geposteten Text, zu dessen Einordnung aus allen Perspektiven sich einiges in den Kommentaren findet +++