Stefan Raab macht sich einen ernsthaften Spaß aus dem Format der Gegendarstellung. Kein Spaß: die Feminismus-Debatte.
Die, wenn man das so sagen kann, Gabe von Stefan Niggemeier besteht darin, den Hype zu kontern durch, wenn man das so sagen kann, Normalität. Er stellt mit, wenn man das so sagen kann, gesundem Menschenverstand Dinge fest, die eigentlich jeder hätte feststellen können, aber keiner festgestellt hat, was wiederum erklärt, warum er sich so großer Beliebtheit erfreut.
Ein schönes Beispiel liefert der jüngste Blogeintrag zur einseitigen Gegendarstellung von Stefan Raab im Focus, der versucht hatte, den beliebten Entertainer kritisch zu würdigen. Niggemeier schreibt:
"Es ist eigentlich ziemlich leicht, Stefan Raab blöd zu finden, aber im 'Focus' liest es sich sehr angestrengt."
Raab liest sich dagegen ziemlich lustig, was selbst der Focus bemerkt hat, der versucht, sich mit vage-lockeren Andeutungen aus dem Schlamassel zu ziehen, das er sich angerichtet hat:
"Den Wahrheitsgehalt der Gegendarstellung wollen wir nicht kommentieren. Unseren Lesern, die sich ein eigenes Bild machen möchten, empfehlen wir besonders die Punkte 6, 18 und 20."
Die pseudo-souveräne Geste ("den Wahrheitsgehalt ... wollen wir nicht kommentieren") ist lächerlich, weil eine Gegendarstellung keine fakultative Rubrik ist, mit der Relevanznachrichtenmagazinmacher ihre Inhaltsverzeichnisse aufhübschen.
Der empfohlene Punkt 20 lautet übrigens:
"20. In der Bildunterzeile des Fotos auf S. 166, das ein Mettbrötchen zeigt, heißt es: 'Sein Brötchen – in der Kölschkneipe'.
Hierzu stelle ich fest, dass es sich nicht um mein Mettbrötchen handelt."
An dieser detaillierten Widerlegung, deren Ernst sich durch die Tatsache erweist, dass sie mit juristischen Mitteln erwirkt wurde, kann man wiederum die, wenn man das so sagen kann, Gabe von Stefan Raab erkennen. Die besteht in der wiederum ernsthaften Parodie von Formaten: So wie Raab mit seinem Grand-Prix-Engagement Casting Show und Ralph-Siegel-Fließbandmusik in Formen seriöser Auswahl und höher stehender Musikperformances verwandelt hat – so macht er aus der Gegendarstellung hier ein Mittel heiterer Medienkritik. Denn um es mit Niggemeier zu sagen:
"Natürlich ist es lächerlich, ein solches Quatschdetail zu korrigieren. Aber noch lächerlicher ist es doch, ein solches Quatschdetail überhaupt erst für berichtenswert zu halten."
Berichtenswert am Streit zwischen Familienministerin für Kristina Schröder und Alice Schwarzer war zumindest unterschwellig, dass hier zwei Frauen diskutieren. Das führt, wie im Focus bei Raab zur stereotyper Fleischer-Metaphorik, zu stereotypen Wahrnehmungen. Anders gesagt: das "Mettbrötchen" der verbreiteten Feminismus-Rezeption ist der "Zickenkrieg".
Reich an Material bringt das der FAZ-Blogbeitrag von Violandra Temeritia von Ávila aka Teresa Bücker auf den Punkt:
"Nun hätte eine kritische Medien- und Netzöffentlichkeit mit Kristina Schröders Spiegel-Interview als Ausgangspunkt anfangen können zu debattieren, was ein stark konservatives Werteverständnis, wie Kristina Schröder es in dem Interview deutlich vertritt, für die Aufgabenbereiche ihres Ministeriums, und somit politisch und gesellschaftlich bedeutet."
Exemplarisch für die Verheerungen, die dieser Streit im Spiegel der Medien hervorgerufen hat, ist Friederike Schröters Text in der ZEIT, den das FAZ-Blog wie folgt kommentiert
"Friederike Schröter ging in der ZEIT sogar so weit, entgegen der Faktenlage beispielsweise zum 'Gender Pay Gap' zu behaupten, eine Ungleichbehandlung sei 'de facto' nicht mehr vorhanden und Emanzipation 'kein Thema mehr'. Und der 'neue Feminismus', also das Engagement der Frauen und Männer, die sich fortwährend für den Abbau von geschlechterbedingter Diskriminierung einsetzen und diese öffentlich thematisieren, sei 'genauso kontraproduktiv wie das Instrument der Frauenquote'."
[listbox:title=Die Artikel des Tages[Stefan Raabs Gegendarstellung im Focus (Bildblog)##Stefan Niggemeier über Stefan Raab und Focus (Blog)##Der Stand des Feminismus-Debatte (FAZ-Blog)##Blochers "Basler Zeitung" (NZZ)##]]
Vielleicht muss Friederike Schröter erst so alt wie die "neuen deutschen Mädchen" werden, um zu merken, dass Ungleichstellung kein Thema mehr ist. Solange bleibt the one and only Heidi Kabel die Prophetin vom Ende der Emanzipation:
"Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist."
Wenn auch mit Abstrichen ist Alan Poseners Text aus der Welt am Sonntag zum Thema bemerkenswert, der versucht, Schröder argumentativ zu widerlegen.
"Ja, der Feminismus - der mit 'links' und 'rechts' wenig zu tun hat, mit oben und unten aber viel - hat die Menschen umerzogen. Zum Glück. Und das Argument des 'Akzeptierens der Realität' war immer eine Waffe in der Hand derjenigen, die oben saßen - oder lagen."
Apropos Emanzipation und pseudo-souveräne Gesten, bekanntlich beides Issues, die das Werk von ZEIT-Magazin-Kolumnist und Buchautor Harald Martenstein antreiben: Ein neuerliches, pseudo-souveränes Kritikerkritisieren wie im letzten ZEIT-Magazin (noch nicht online) bleibt dem Buchautor erspart, dürfen wir hier vermelden.
Anders als der wutgelaunte Christopher Schmidt unlängst in der Süddeutschen ("Samenstaugewinsel") hat Oliver Jungen in der FAZ (Seite 34) an Martensteins Buch "Gefühlte Nähe" nichts auszusetzen.
Altpapierkorb
+++ Schweiz. Rechtspopulist Christoph Blocher hat ein Beratungsmandat bei der "Basler Zeitung" übernommen, deren Chefredaktor eh schon sein Biograf ist, wie die NZZ berichtet. In der Außenwahrnehmung kursiert die Vermutung, dass damit in der Schweizer Medienlandschaft neben der notorischen Weltwoche eine weitere Zeitung den politischen Diskurs von rechts her führen wird. Interessanter ist die Binnenwahrnehmung: Wie will eine rechtsgewendete Zeitung Leser im traditionell "roten" Basel halten? Im NZZ-Text wirft diese Frage Regierungsrat Brutschin auf: "Eine Zeitung mit einseitig rechtsbürgerlicher Ausrichtung sei in Basel mit seinem stark verankerten liberalen Bürgertum schwer vorstellbar. Bewegung in Bezug auf die politische Ausrichtung einer Zeitung eröffne ausserdem immer auch Handlungsspielraum für andere Medien." +++
+++ Facebook. Will jetzt Internetkommunikation vereinheitlichen, also E-Mail abschaffen. Über das Vermelden dieses Ansinnens gehen die wenigsten Beiträge – etwa in FTD, Handelsblatt und SZ – hinaus. Matthias Schwenk meint auf Carta: "Gut gemacht". Und: "Auf der technischen Ebene blieb unklar, wie das System entscheidet, über welchen Weg eine neu verfasste Nachricht an den Empfänger weitergeleitet wird. Der User soll einfach nur den Adressaten auswählen, den Text schreiben und ihn abschicken. Den Kanal zur Übermittlung bestimmt das System dann selbst, was nicht nur Technik-Freaks, sondern auch Datenschützer in erwartungsvolle Stimmung versetzen dürfte."
+++ Fernsehen. Kommt auch wieder was. Etwa der Sat.1-Film "Die Frau des Schläfers" mit Yvonne Catterfeld. "Dennoch kann man dem Film nicht vorwerfen, verharmlosend zu sein", meint die FAZ (Seite 37). +++ "Insgesamt aber zeichnet der Film ein eher seichtes Bild von guten und bösen Moslems", der Tagesspiegel. +++ "Hochkarätig besetzt, hochwertig gedreht", die Berliner. +++
+++ Einer der Größten: Der Tagesspiegel interviewt den ARD-Rechtsexperten Karl-Dieter Möller, den man vor der Kulisse Karlsruhes hat älter werden sehen, kurz vor dem Ruhestand. Der sagt etwa über das ZDF: "Die machen inzwischen um 19 Uhr aber auch Sachen, die wir im Ersten absolut niemals machen würden. Weinende Mütter, die Aufrufe an mögliche Entführer machen. Wie bei RTL." +++ Bald nicht mehr die Größten? Dpa droht, einen Großkunden zu verlieren, wie die TAZ weiß. +++ Die Beste: FR gewinnt Hauptpreis für ihre App. +++
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