Das Leben ist schön

Das Leben ist schön

Schon wieder stiftet Konstantin Neven DuMont schönste Verwirrung in Echtzeit- und Medienmedien. Außerdem: eine Pressefreiheits-Posse am Rande des Kachelmann-Prozesses.

Vielleicht doch erstmal einfach: herzlichen Glückwunsch, Konstantin Neven DuMont! Schließlich ist dieser 11.11. der 41. Geburtstag des im Prinzip weiterhin amtierenden, jetzt aber erst einmal urlaubenden Vorstandsmitglieds der Mediengruppe M. DuMont Schauberg (MDS). Die aktuelle Lage mag zum Gratulieren nicht unbedingt Anlass geben. Aber zum Glück Wünschen.

Und vielleicht ist, gesamtgesellschaftlich betrachtet, ja sogar die neueste Kabale um den Jörg-Kachelmann-Prozess noch aufregender: "Richter lässt dpa-Reporter festnehmen" (fr-online.de, ein DuMont-Medium, via DPA).

Der Chefredakteur der DPA, Wolfgang Büchner, spricht in der eigenen Sache (und vor allem auch im Leitmedium Spiegel Online, dessen Chefredakteur er zuvor war), von einem "Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Pressefreiheit". In der Tat klingt relativ absurd, was SPON gestern abend als Aufmacher brachte:

"Der Journalist, der seit Monaten über den Vergewaltigungsprozess gegen Kachelmann berichtet, hatte am Nachmittag auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude nach eigenen Angaben einen Radiobeitrag in ein Aufnahmegerät gesprochen. Dabei habe er unwissentlich vor dem Fenster eines Raumes gestanden, in dem sich die Richter der Strafkammer nach der Verhandlung aufhielten. Nach Angaben des Redakteurs waren die Fenster geschlossen und die Vorhänge zugezogen. Ein Richter habe plötzlich ein Fenster geöffnet und ihn beschuldigt, die Kammer abzuhören, so der Journalist. Anschließend seien Justizwachtmeister alarmiert worden, die ihn hinderten wegzugehen."

In der Darstellung der Süddeutschen liest sich die Sache einen Tick nüchterner:

"Die vorübergehende Festnahme sei vom Gericht veranlasst worden, weil man es 'ungewöhnlich und verdächtig' gefunden habe, wie der Journalist mit einem Aufnahmegerät auf dem Bürgersteig vor dem Beratungszimmer des Gerichts gestanden sei, das im Erdgeschoss liegt."

Sowieso scheint aus dem Kachelmann-Prozess, nicht zuletzt unter dem Einfluss der Presseberichterstattung durch Bild-Zeitung, Bunte und Spiegel, aller Ernst entwichen zu sein, wie der Fortgang desselben SPON-Berichts beweist. Da geht es dann um "die Freundin der Försterin", die vor Gericht aussagte, sowie eine E-Mail Kachelmanns an den Mitteldeutschen Rundfunk (SPON: "Er wolle nicht als 'Deisler reloaded' enden oder als Heulsuse oder Schlimmeres, schrieb er in der Mail, die in der Sitzung vorgelesen wurde.").

Damit also zu Konstantin Neven DuMont, der gestern nachmittag auch durch seine Handhabung der Echtzeitmedien Twitter und Facebook für sehr viel Verwirrung sorgte. Einerseits meldete der Branchendienst kress.de um 13.48 Uhr: "Konstantin Neven DuMont seiner Aufgaben entbunden". Das bezog sich auf eine Telefonkonferenz unter MDS-Führungskräften - und wurde vielleicht noch angefeuert durch einen zuvor erschienenen Tweet Neven DuMonts selbst in dem typischen, etwas kindlichen Tonfall, den man nicht mögen muss (aber kann):

"Juhu, heute beginnt mein Urlaub. Das Leben ist schön."

Während sich die Abgangs-Meldung in den Echtzeit- und Nicht-ganz-Echtzeit-Medien lauffeuerartig verbreitete, twitterte Neven DuMont kurz darauf "Diese Meldungen stimmen nicht. Ich bleibe Vorstand und Herausgeber."

Insofern herrschte einige Stunden lang schönste Verwirrung, zumal natürlich die Mediengruppe M. DuMont Schauberg sich in dieser Sache gar nicht äußert (und auch heute auf ihrer Pressemitteilungs-Seite als aktuellste Meldungen die Bündelung von IT-Aktivitäten im September und die von Plätzchen-Rezepten im November präsentiert).

Mit Konstantin Neven DuMont live in Kontakt zu treten, gelang gestern dann Spiegel Online und dem Evangelischen Pressedienst EPD. Ebenfalls mit ihm gesprochen, offenbar noch vorher, hat die Süddeutsche Zeitung, deren Medienseite 15 heute einen ausführlichen, mit allerhand Krisenberichterstattung rund um die MDS-Blätter Berliner Zeitung ("bedenklicher Sinkflug" der Auflage) und Frankfurter Rundschau ("tiefrote Zahlen") angereichten Artikel über die Neven DuMonts bringt (S. 15, derzeit nicht frei online zu haben). Das also scheint der Stand der Dinge zu sein: Konstantin Neven DuMont macht "ein bisschen Urlaub" (sagte er dem EPD), nimmt eine "kreative Auszeit" (sagte er SPON).

Der SZ-Redakteur Marc Felix Serrao (den Neven DuMont neulich noch in seinem Geschenkpapier zum Altpapier-Geburtstag kritisiert hatte), fragte ihn offenbar, "ob sein Urlaub womöglich nie enden könnte", und erhielt die Antwort: "Ich bleibe definitiv Vorstand, zu hundert Prozent". "Außerdem behalte er seine Verantwortung als Herausgeber (Frankfurter Rundschau, Mitteldeutsche Zeitung, Kölner Stadt-Anzeiger, Kölner Express)" - was wiederum offenbar nicht alle MDS-Führungskräften so sehen, so Serrao.

Diese Angelegenheit wird sich also nicht bloß "noch über viele Jahre hinziehen" (noch ein Neven DuMont-Tweet), sondern schon heute oder in den nächsten Tagen (Neven DuMont zur SZ: "Ich werde weiter ganz normal bei Facebook und Twitter meine Beiträge schreiben") weitergehen. Einerseits alles geklärt, andererseits praktisch nichts.

Bahn frei für die Kommentatoren, die - das wird ja von Journalisten verlangt oder verlangen sie von sich selbst - jederzeit alles einschätzen können müssen. "Die Familien-Ehre der DuMonts ist zumindest vordergründig wieder hergestellt. Wenigstens so lange, bis sich der mitteilungsbedürftige Konstantin aus seinem Dauer-Urlaub zu Wort meldet", meint Stefan Winterbauer auf meedia.de.

[listbox:title=Artikel des Tages[kress.de zur aktuellen Neven DuMont-Lage##meedia.de zur aktuellen Neven DuMont-Lage##EPD zur aktuellen Neven DuMont-Lage##SPON zur aktuellen Neven DuMont-Lage##...und zur Kachelmannprozess-Pressefreiheitssache##TAZ zu Rechtsfragen zur Castor-/Sixt-Sache]]

Aus der Welt der Zeitungen wären ferner die Artikel "Kronprinz Konstantin im Zwangsurlaub" (FTD) und "Alfreds Albtraum" zu vermelden: Da schwankt die TAZ (beinahe Neven DuMont-artig) zwischen den Ansichten, dass die Neven DuMont-Story ein "Sturm im Wasserglas" bzw. eine Saga von antiken Ausmaßen sei, die am besten einer wie Voltaire aufschreiben müsste. Michael Hanfeld von der FAZ, der derlei Epen ja zu gestalten verstünde, beschränkt sich heute auf eine 15-zeilige Meldung (S. 39).

Rasch noch ein paar Kommentare aus dem Parallelunviersum von Twitter: Da gab es (u.v.a.) charmante Scherze, eher sarkastische und sehr populäre zum Thema. Sowie bemerkenswert primitives Triumphgeheul fröhlicher Aggregatoren.

Dabei, falls sich herausstellen sollte, dass es Anlass zum Triumphieren gibt, und falls dann jemand triumphieren wollen sollte, müsste das ja Stefan Niggemeier sein.

In dessen Blog steht momentan ganz oben jener "Flausch", den man wahrscheinlich auch irgendwie liebenswert finden könnte. Die aktuellsten Kommentare dagegen stammen von den Usern "aktivkohle" und "Golo Goldkommentator" und sind die 1210. bis 1212. unter dem Artikel "Ein Sandkasten für Konstantin Neven DuMont".

 


Altpapierkorb

+++ "Wenn Personen, die an dieser Castor-Demonstration teilgenommen haben, im Rahmen von Werbefilmen gezeigt werden, müssen sie vorher gefragt werden. Ansonsten wäre dies rechtswidrig". Solche Personen haben einen "Unterlassungsanspruch" zum Beispiel gegen Autovermietungsfirmen, die Demonstrationen für solche Werbung ge- oder missbrauchen. Das sagt Rechtsanwalt Dirk Feldmann der TAZ (in Gestalt Silke Burmesters, die sich gestern auf andere Weise mit dem Thema befasste). +++ Ebd. betrachtet Jan Feddersen die Youtube-Show mit Wolfgang Schäuble und seinem inzwischen ehemaligen Sprecher Markus Offer (siehe Altpapier gestern) und lobt deren "Authentizität". +++

+++ Stefan Kuzmany ist neuerdings Kulturredakteur bei Spiegel Online (als Daniel-Haas-Nachfolger) . Der Job ist vermutlich etwas weniger beneidenswert, als er klingt, schließlich muss dort sehr sehr oft jenes ödes Fernsehgetalke besprochen werden, dessen flächendeckende Nachbetrachtung zum SPON-Kultur-Profil zählt. Nun konnte Kuzmany aber auch mal freier kolumnieren, und zwar über den grotesken CDU-Plan eines "Ältestenrats zur Evaluation der Medien". +++

+++ Der Kölner Stadtanzeiger (DuMont-Presse) schaut nach Stuttgart und berichtet über die "Wut über die Berichterstattung" dortiger Medien zu  "Stuttgart 21": "Tatsächlich haben die von der Südwestdeutschen Medienholding verlegten Tageszeitungen vor Ort das Projekt von Beginn an fortschrittsgläubig begleitet", so Senta Krasser. Medienbeobachter wissen: Die Südwestdeutsche Medienholding ist jener Konzern, zu dem auch die Süddeutsche Zeitung gehört. +++

+++ Der Braunschweiger Professor Ulrich Reimers, einer der Erfinder des digitalen Antennenfernsehens DVB-T, hält wenig von 3-D-Fernsehen. Das zeigt sich im Interview der Berliner Zeitung (auch DuMont). +++ Indes "eine der größten Mediensensationen des Internetzeitalters" (ebd.): tmz.com. +++

+++ Der Tagesspiegel (nicht DuMont) macht seine Leser ein wenig mit der Neven DuMont-Story vertraut und interviewt RTLs Formel 1-Reporter Kai Ebel. +++

+++ Das FAZ-Medienressort beschäftigt sich in der Papierzeitung ausschließlich mit Fernsehen ("Die Deutschen", "Die Snobs", George W. Bush bei Oprah Winfrey), bietet online aber auch einen Bericht über die Lage russischer Journalisten nach den jüngsten Überfällen sowie inzwischen den gestrigen Print-Bericht über die Medienarbeit europäischer Institutionen, die sich besser dargestellt sehen wollen. +++

+++ Die Süddeutsche beschäftigt sich nicht nur mit Josef Fritzl als asset der Springer-Presse, sondern empfiehlt auch: "Altpapier für mehr Durchblick". +++

 

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.

weitere Blogs

Regenbogengottesdienst  in Adventszeit
Ein Gedicht zum Heiligen Abend aus queerer Perspektive nicht nur für queere Christ:innen.
Warum Weihnachten hinter einer Mauer liegt und was sie überwinden kann.
In einer Kirche hängt links neben dem Altar ein Schild mit der dreisprachigen Aufschrift No pasar - Überholverbot - no passing
In Spanien gibt es ein Überholverbot am Altar.