Was ist neu und was wussten wir schon immer: Gleichheit und Monopolisierung im Internet, Sky in der Krise, Julian Assange in den Medien, Helmut Markwort gekränkt.
Und dann das: "Der Traum vom klassenlosen Internet ist ausgeträumt", nimmt uns ein Text von Ulrich Clauß auf Welt-Online jegliche Hoffnung. Kalt wird uns ums Herz, da wir lesen müssen:
"Eine Gründungslegende begleitet die Entwicklung des Internets von allererster Stunde an. Diese Legende klang eigentlich schon immer viel zu schön, um wahr zu sein. Und doch war sie lange Zeit die Voraussetzung für den atemberaubenden Fortschritt der weltweiten Datenkommunikation für jedermann. Es ist der Traum von der Gleichheit aller Daten respektive ihrer Nutzer im Internet, für den der technische Ausdruck 'Netzneutralität' steht."
Ja, diese Legende ist zu schön. Man kann sich bildhaft vorstellen, wie diese ganzen Messiasse und Großkonzern-CEOs in ihren Garagen und Führungsetagen stehen, zum Fenster raus oder auch nur an die Wand schauen und nachdenklich werden: Was ich tue, tue ich für die Gleichheit der Menschheit und ihrer Daten!
Jetzt könnte man spielverderberisch sagen:
"Seit über 500 Jahren, seit der Erfindung des Buchdrucks, wird die Mär verbreitet, der technische Fortschritt sei das Mittel zur (damals noch nicht so genannten) Demokratisierung des Wissens, denn die Menschen hätten nunmehr alle Möglichkeiten, sich zu informieren."
Aber erstens schreitet der Fortschritt einfach weiter fort, und zweitens geht es Clauß gar nicht um Wissensdemokratisierung, sondern um die Hierachisierung der Datenstromdurchleitung:
"Die Sache wird einfach zu teuer. Die Übertragungskapazitäten beim mobilen Netzzugang sind im Gegensatz zum drahtgebundenen Internetzugang Mangelware. Das hängt vor allem aber mit den Funkfrequenzen zusammen, die für das mobile Internet gebraucht werden und die als seltene Güter gelten, weil sie nicht wie Kupfer oder Glasfaserkabel beliebig vermehrbar sind."
Was kann man tun? Eine "ideologische Aufladung ist wenig hilfreich", rät der Text. Also lesen wir weiter auf Carta, wo Christian Stöcker seinen Text aus dem Buch "2020. Gedanken zur Zukunft des Internet" (das von einem Kollektiv, herausgeben wird, das demnächst bestimmt zur 2.000-Euro-Frage bei "Wer wird Millionär?" taugt: Hubert Burda, Mathias Döpfner, Bodo Hombach, Jürgen Rüttgers herausgegeben wird) teilweise vorabveröffentlicht.
Auch hier macht sich Ernüchterung breit:
"Das Internet hat sich, für viele überraschend, als eine Struktur entpuppt, die monopolistische Tendenzen hervorbringt. Obwohl es als freie, offene Plattform eigentlich den Wettbewerb befördern sollte, sieht die Realität anders aus."
Gründe gibt's auch.
"Die Tendenz zur Monopolbildung hängt mit einer zentralen Eigenschaft vieler Onlinedienste zusammen: Ihre Nützlichkeit wächst mit der Zahl ihrer Nutzer."
Das ist ein Vorteil, den der deutsche Bezahlsender Sky, obwohl er das Synonym für Pay-TV ist so wie Amazon für Internet-Buchhandel, leider nicht hat. Das HD-Bild von Karl-Heinz Rummenigges Kopf zeigt nicht noch mehr Rötungen, nur weil der Abonnentenstamm gewachsen ist. Deshalb muss Sky jetzt so genannte Vertriebspartnerschaften eingehen, wie dem HB zu entnehmen ist.
"Wie das Handelsblatt erfahren hat, ist ein Abschluss zwischen Microsoft und Sky zum Greifen nah... Mit seiner Vertriebsoffensive will Sky der ungeliebten Konkurrenz durch die Deutsche Telekom wirksamer begegnen."
Dass das gelingt, bezweifelt Focus-Online.
"Das liest sich beim ersten Hinsehen gut, dürfte dem angeschlagenen Bezahlsender auf Dauer aber wenig helfen. Das Kursfeuerwerk, das nach Bekanntwerden der Meldung ausbrach, verglimmt aller Voraussicht nach ganz schnell wieder, weil die Munition ausgeht. Gefreut haben sich vor allem die Zocker, die auf die Schnelle einige 100 Euro verdienten."
[listbox:title=Die Artikel des Tages[Internet doch nicht demokratisch (Welt-Online)##Internet total monopolistisch (Carta)##Sky erfreut die Aktionäre (Focus)##Markwort wird doch wohl nicht (FR)##]]
Es geht doch immer nur ums Geld. Schalten wir also lieber mal zur Wahrheit. Die über Wikileaks herauszufinden, namentlich über das Wikileaks-Gesicht Julian Assange, macht sich Christoph von Marschall im Tagesspiegel durch eine vergleichende Analyse der amerikanischen und deutschen Berichterstattung, wobei letztere noch einmal in Print und Online unterschieden wird. Die beruhigende Nachricht vorweg:
"Print-Redaktionen sind in der Regel personell besser ausgestattet und haben mehr international erfahrene Redakteure. Onliner sind jünger, idealistischer und neigen dazu, Neuerungen im Internet als per se gute Entwicklung zu betrachten."
Deshalb können Print-Redaktionen knallhärter nachforschen.
"Viele deutsche Medien übernahmen Wikileaks’ Behauptung, das Video zeige ein unbekanntes Gesicht des Krieges. US-Blätter analysierten, die Fakten seien nicht neu. Sie hatten mehrfach ausführlich berichtet."
Leider haben wir dem Krieg zu selten ins Auge geschaut, um zu wissen, was an seinem Gesicht neu ist und was nicht. Vermutlich könnte das hochauflösende HD-Bild von Sky hier Abhilfe schaffen.
Altpapierkorb
+++ Aufregung verbreitete Kai-Hinrich "Wühlmaus" Renner letztens in seiner Medienkolumne beim Hamburger Abendblatt. Helmut Markwort, Burdas Erster Journalist, Noch-Focus-Chef, Schauspieler und Verwaltungsbei- wie Aufsichtsrat bei Bayern München, soll einen Artikel über die Sex-Affäre von Franck Ribéry (Fußballspieler bei Bayern München) verhindert haben: "Insbesondere bei Sportthemen ist Markwort immer noch die letzte Instanz, wenn es darum geht, zu entscheiden, welches Stück ins Blatt kommt. So hat er nach Angaben von Redaktionsmitgliedern am Freitag vor drei Wochen verhindert, dass eine Weiterdrehe des Skandals um Franck Ribéry erscheinen konnte." +++ Nun kann, zum Glück, die FR Entwarnung geben: "Der Frankfurter Rundschau sagte Markwort: 'Nach den vielen Jahren als Chefredakteur des Focus empfinde ich es als Kränkung, mir so etwas (einen Intersessenkonflikt, die Red.) vorzuwerfen.'" Eine Kränkung von Helmut Markwort – das kann keiner wollen. +++
+++ Die geplanten Kürzungen bei der FR (siehe Altpapier von gestern) sind heute noch mal Thema in der TAZ. Steffen Grimberg: "Der neue Spardruck kann dabei wohl nicht DuMont-Schauberg allein in die Schuhe geschoben werden: Dem Konzern gehört zwar die Mehrheit an der FR, doch mit 40 Anteilsprozenten ist auch die SPD-eigene Presseholding DDVG mit an Bord. Und die hatte just vergangene Woche an ihre Titel appelliert, die 'Personalkosten in Verlagen strukturell auf den Prüfstand zu stellen'. Die eigentlichen Scharfmacher, heißt es denn auch in Frankfurt, säßen dieses Mal bei der DDVG." +++ Die FAZ (Seite 33) entschuldigt sich derweil für ein Versehen beim letzten Wikipedia-Artikel: "Am 19. August haben wir in einem Stück über Wikipedia das Magazin 'Newsweek' mit der Aussage zitiert, zum ersten Mal in der Geschichte von Wikipedia seien mehr Artikel gelöscht als geschrieben worden. Richtig muss es heißen, dass sich erstmals seit Bestehen mehr Wikipedia-Autoren abmelden als neue hinzukommen." +++
+++ Die SZ portraitiert den ARD-Wissenschaftsjournalisten Ranga Yogeshwar, der gerade sich gerade mit der grobmotorischen "Generation Internet" befasst hat: "'Man kann zehn Prozent der Nutzer als pathologische Fälle bezeichnen. Die leben schon virtuell. Wir brauchen eine Debatte, ob man ,World Of Warcraft" nicht verbieten sollte.'" +++ Erstmal brauchen wir eine W-Lan-Party im Bundestag (FTD). +++ Für die FAZ (Seite 31) interviewt Oliver Jungen die Comediennes Cordula Stratmann und Annette Frier, die auf Sat.1 gemeinsame Sache machen: "Ulknudel ist natürlich das schlimmste deutsche Wort für komische Frauen." +++ Tagesschau-App hat 3-Stufen-Test bestanden (Carta). +++ Günther Jauch kann vor Gericht nicht verhindert werden (TSP). +++
+++ Lothar Loewe ist gestorben im Alter von 81 Jahren (TSP, Berliner). +++
Neues Altpapier gibt's morgen wieder ab 9 Uhr.