Am Ende ein Cliffhanger

Am Ende ein Cliffhanger

Depublikationen im Internet, Nickeligkeiten zwischen ARD und FAZ sowie tragische Todesfälle im wirklichen Leben stehen im Zentrum der sommerlichen Medienberichterstattung.

Die wichtigste Medien-News des Tages ist eine traurige. Der Schauspieler Heinrich Schmieder ist mit 40 Jahren gestorben, während eines Mountainbike-Rennens in Italien. Seine Teilnahme daran steht auf seiner Homepage noch als latest news.

"Nicht glatte Helden, sondern scheinbar alltägliche, ihr Schicksal tragende, eher stille Figuren mit Hang zur Melancholie" waren seine typischen Rollen, schreibt die FAZ in einem kleinen Nachruf (S. 33). Unser Foto zeigt Schmieder als Nebendarsteller in der "Bubi Scholz Story" der ARD von 1998 neben Benno Fürmann (r.). Kleine Online-Nachrufe gibt's beim KStA, sueddeutsche.de und der Bild-Zeitung (die dazu auch ihren besonders widerwärtigen Bericht über Frank Gierings Tod vor kurzem verlinkt).

Zum gestern viel, auch im Altpapier diskutierten Thema der Drei-Stufen-Tests gibt es heute Nachklapps. Die TAZ verzichtet zwar darauf erklären zu wollen, was diese Tests nochmal waren, denn "eine präzise Erklärung würde die ganze Seite füllen". Aber was "Depublikation" ist, erklärt sie ein bisschen. Die Schuld daran trügen die jetzt verlegenen Verleger.

Etwas verloren steht im selben Artikel die Zahlen-Information, dass ard.de "ja nur einen Marktanteil von 0,2 Prozent" hat, und darum sein Budget "von mageren 2,2 auf immerhin 3,5 Millionen Euro pro Jahr" angehoben wird. Dass es sich bei ard.de um ein besonders überflüssiges Alles-Mögliche-Portal handelt, dessen brisanteste Information am Donnerstagmorgen die aktuellen Lottozahlen bilden, hätte sie ruhig noch dazuschreiben können. Immerhin kommen die 3,5 Mio. Euro ja aus GEZ-Gebühren.

Auf Michael Hanfelds sehr kämpferischen FAZ-Titelseitenkommentar von gestern (inzwischen frei online) zum gleichen Thema hat der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust mit einem offenen Brief (nicht an Hanfeld, sondern an dessen Vorgesetzten, den "Sehr geehrten Herr Dr. Schirrmacher" - Dienstweg ist schließlich Dienstweg) reagiert. Dieser Brief ist im Intern-Ressort von ard.de einzusehen:

"... Dies ist geschichtsvergessen und maßlos. Es macht mich sprachlos, dass Sie dies in einer Qualitätszeitung wie der FAZ zulassen."

Hanfeld schreibt am Rande seiner Medienseite, dass die ARD-Gremien ihm "nicht verraten" wollten, was das Gutachten des Ex-Bundesverfassungsgerichts-Präsidenten Hans-Jürgen Papier gekostet hat, das (nicht ganz zu Unrecht, meinten wir hier gestern) seinen Zorn so erregte.

Etwas distanzierter sieht der Freitag das Phänomen des Depublizierens:

"So fürchterlich das viele finden: Das liegt im Trend. Jenseits dessen, dass eine zwei Jahre alte Sportschau für die Wenigsten von Interesse sein dürfte und die ARD vermutlich mehr den bürokratischen Aufwand als den Verlust einer wie auch immer gearteten 'Online-Volkshochschule' fürchtet, will man dem scheinbar unbegrenzten Archiv namens Internet gerade das Vergessen andichten."

Worauf es dann um digitale Radiergummis, das Trendthema Offline und dergleichen geht.

[listbox:title=Artikel des Tages[Heinrich Schmieders Homepage##Pantelouris' Livereportage (neon.de)##Freitag übers Depublizieren]]

Das aktuell wohl spannendste journalistische Format, Michalis Pantelouris' ausgangsoffene "Livereportage" über die (journalistische) Untersuchung eines Todesfalls in Griechenland, ging gestern abend richtig los. Was auch immer man davon hält bzw. vor allem: halten wird, wenn es fertig ist - spannend ist es. Das zeigt schon der Cliffhanger am Ende.

Alles Weitere, das an diesem schon etwas sommerlochigen Donnerstag auf Medienseiten erscheint, ist eher Vermischtes und folgt daher gleich unten im Altpapierkorb.


Altpapierkorb

+++ Zum Beispiel: leichte Nickeligkeiten zwischen hanseatischen Edelmedien. Wie das ebenfalls hanseatische meedia.de gestern berichtete, bringen die Zeit und zeit.de auf Druck des Spiegel heute etwas manirierte "Richtigstellungen" zum Stefan-Aust-Porträt von vor zwei Wochen (siehe Altpapier: Die Yes we can-Mentalität). +++ Vielleicht eine Folge des netten Treffens mit der Zeit? Aust lässt seine Neuerwerbung, den Fernsehsender N 24, künftig von der Holtzbrinck-Tochter IQ Media vermarkten (siehe Tagesspiegel/ auch Holtzbrinck). Von einer "Netto-Garantiesumme von 25 Mio. Euro pro Jahr" berichtet wuv.de. +++

+++ Atlantisch-global präsentiert sich die Medienseite der Südeutschen heute. Vorgestellt werden: erstens der verdiente US-Journalist Mort Rosenblum, der den "Zustand des internationalen Journalismus" "fucked up" nennt, sowie sein neues Buchprojekt "Little Bunch of Madmen: Elements of Global Reporting" (mortrosenblum.net: "You can pre-order now for $9.60. I mean, hey"). Zweitens Hugh Hefners neue Webseite thesmokingjacket.com. Drittens die mit EU-Geld mitfinanzierte marokkanische Telenovela "Touria". +++

+++ Dass Hugo Chavez Venezuelas letzten oppositionellen Fernsehsender Globovision verstaatlichen möchte, berichtet die TAZ. +++ Den merkwürdigen "Medienkrieg" zwischen den einander gar nicht so ungeheuer fern stehenden Hauptstädten Moskau und Minsk, den beleuchtet der Tagesspiegel. +++ Und zeichnet den Weg nach, der BJ Barry aus dem Ghetto von Los Angeles zum Berliner Sender Kiss FM führte, für den er jetzt "die Generation Internet vors Radio" holt. +++

+++ "Wer im Internet surft, der hört uns auch", sagen auch Gert Zimmer, Geschäftsführer von RTL Radio Deutschland, und Joachim Knuth, NDR-Hörfunkdirektor. Die beiden promoten den von öffentlich-rechtlichen und privaten Radiosendern gemeinsam lancierten Deutschen Radiopreis und präsentieren sich vorbildlich friedlich - ausgerechnet vor dem Mikrofon Michael Hanfelds, der sie zum Doppelinterview für die FAZ-Medienseite bat.+++

+++ Aus dem gestern oben im Altpapierkorb verlinkten pro-öffentlich-rechtlichen TAZ-Kommentar von Matthias Greffrath liest Carta ein "großes Problem" des "strukturkonservativen Teils der Linken ...mit dem Internet" heraus. Darüber wird darunter erbittert diskutiert. +++

+++ Marin Majica hat für FR/ BLZ Alex Rühles Buch "Ohne Netz" und Christoph Kochs "Ich bin dann mal offline" gelesen. +++

+++ Na sowas! RTL hat die Hauptdarsteller für seinen Fernsehfilm "Kung Fu Mama - Agentin mit Kids“ "per Online-Casting gefunden" (KStA). +++ Der skurrile Prozess in Duisburg, bei dem der Betreiber einer Erotik-Website die Pay-TV-Plattform Sky wegen des Jugendschutzes verklagte, von dem die Süddeutsche am Freitag berichtete, ist beendet. Das Ergebnis vermeldet die TAZ und gestattet sich den Spaß, online einschlägige Webseiten der Prozessparteien zu verlinken. +++

 

Neues Altpapier gibt's wieder am Freitag.

 

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