evangelisch.de: Ein Vulkanausbruch auf Island hat den Flugverkehr in ganz Europa lahmgelegt – ein Hinweis der Natur, unser auf Schnelligkeit getrimmtes Leben zu überdenken?
Ernst Elitz: Die ungezähmte Natur als Menschheitspädagogin – eine schöne Idee. Wir können Vulkane nicht abschalten, und auch Stalins wahnwitzige Idee, die sibirischen Ströme nach seinem Gusto umzulenken, ging schief. Wir wollen menschengemachte Umweltgifte vermeiden und stellen erschreckt fest, dass auch Pflanzen giftig sein können. Das kannten wir nicht aus unserem Blumenkasten. Die Natur kann ohne den Menschen leben, der Mensch nicht ohne Natur. Diese Einsicht sollte uns demütig machen. Vor den Gewalten der Natur sind alle gleich. Die Natur handelt – im übertragenen Sinne - demokratisch. Selbst die Kanzlerin konnte sich einen schnellen Weg ins heimische Kanzleramt nicht qua Regierungserlass erkaufen. Der Gleichmut, mit dem sie ihre Pfadfindertour durch Europa absolvierte, hat sich auf die Bürger übertragen, und der Vulkan mit dem schönen Namen Eyjafjallajökull hat uns den Sinnspruch "Eile mit Weile" wieder ins Gedächtnis gerufen. Danke, Eyjafjallajökull!
evangelisch.de: Bischof Walter Mixa hat seinen Rücktritt eingereicht – ein angemessener Schritt oder Reaktion auf ein gesellschaftliches Reizklima?
Ernst Elitz: Bruder Mixa hatte den Zeitpunkt für einen Rücktritt mit Anstand verpasst. Wäre der Augsburger Bischof bekennender Ökumeniker, hätte er sich an seiner protestantischen Kollegin Käßmann ein Beispiel nehmen können. Sie hat nicht vertuscht und rumgeeiert, sondern sich klar und schnell zu ihrer Schuld bekannt. Aus diesem Schuldbekenntnis "ohne Wenn und Aber" hat sie neue Glaubwürdigkeit gewonnen. Als Mixa seinen Rücktritt einreichte, war das längst kein angemessener Schritt mehr, sondern ein erzwungener: erzwungen von den Gläubigen, vom Priesterrat und von der Bischofskonferenz. Mixa hat nichts gewonnen, sondern nur verloren.
evangelisch.de: Niedersachsen erhält eine muslimische Ministerin – Normalität im Einwanderungsland Deutschland oder wichtiges Zeichen in der Islamdebatte?
Ernst Elitz: Da hat die CDU den Sozialdemokraten wieder die Show gestohlen. Man hätte ja denken können, dass in den von Immigration geprägten SPD-regierten Stadtstaaten Berlin oder Bremen eine solche Personalentscheidung fällt. Nein, das geschieht im Land der "lüttje Lage" und des Oldenburger Löffeltrunks. Ministerpräsident Christian Wulff hatte ja schon vor Jahren den von den Vietnamesen als einen der Ihren verehrten Philipp Rösler zum Minister gemacht. Übrigens trägt der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion in Hannover herkunftsbedingt den wohlklingenden Namen David McAllister. Und nun Aygül Özkan. In Niedersachsen ist zu studieren, was in ein paar Jahren überall in Deutschland die Regel sein wird. Je selbstverständlicher Minister ohne kerndeutsche Herkunft werden, desto sachlicher lässt sich über Islam und Demokratie diskutieren. Danke, Hannover!
Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete.