Käßmann hatte am 24. Februar die Konsequenzen aus einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss gezogen, alle kirchlichen Leitungsämter niedergelegt und sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Elf Wochen nach ihrem Rücktritt wird die 51-Jährige am 13. Mai erstmals wieder in der Öffentlichkeit auftreten: Beim Ökumenischen Kirchentag in München hält die ehemalige hannoversche Landesbischöfin am Morgen von Christi Himmelfahrt eine Bibelarbeit. Auch nach dem Kirchentag wird sie noch in Gottesdiensten und Vorträgen zu hören sein, allerdings nicht lange.
Denn im August geht die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für vier Monate nach Atlanta in den Süden der USA. Die im 19. Jahrhundert von Methodisten gegründete Emory-University hat sie für Gastvorträge eingeladen.
In Atlanta wurde Käßmanns Vorbild, der Bürgerrechtler und Baptisten-Pastor Martin Luther King, geboren und auch beerdigt. Seine Ideen inspirierten die damals 16-Jährige bei einem einjährigen Schüleraustausch zum Theologiestudium. Während ihres Aufenthaltes in Emory wird auch das geistliche Oberhaupt der Tibeter, der Dalai Lama, mehrere Tage das College besuchen.
Elf Veranstaltungen beim ÖKT, dann in die USA
Wenn Käßmann dann im Dezember zurückkehrt, ist in Hannover bereits ihr Nachfolger oder ihre Nachfolgerin im Bischofsamt gewählt worden. Und die EKD-Synode, die im November ebenfalls in Hannover tagt, wird über den neuen Ratsvorsitzenden entschieden haben. Über Käßmanns weitere Pläne ist nichts bekannt.
Der Kirchentag ist für Käßmann eine Art Heimspiel. Seit ihrer Jugend hat sie keines der Christentreffen versäumt. Als Generalsekretärin hat sie die Kirchentage von 1994 bis zu ihrem Amtsantritt 1999 in Hannover mitverantwortet. In München wird sie - bis auf die Auftritte als EKD-Ratsvorsitzende - alle ursprünglich geplanten Termine wahrnehmen. So predigt sie am 13. Mai in einem Frauengottesdienst in der katholischen Frauenkirche. Im Olympiapark eröffnet sie zwei Tage später mit einem Sportgottesdienst ein Fußballfest.
Vor einem Jahr beim Deutschen Evangelischen Kirchentag in Bremen waren rund 8.500 Zuhörer zu ihrer Bibelarbeit in den AWD-Dome geströmt. In München dürften die Besucherzahlen ähnlich hoch sein. Seit ihrem Rücktritt haben ihr mehr als 14.000 Menschen in Mails, Briefen und Karten gute Wünsche geschickt und ihren Respekt bekundet. Und mit insgesamt elf Veranstaltungen ist der Terminkalender der populären Theologin beim ÖKT vom 12. bis 16. Mai gut gefüllt.
Auf dem Podium zu "Frauen und Macht"
Käßmann, die ihre Wurzeln in der Ökumene der weltweiten Christenheit hat, über die sie auch promovierte, wirkt dort bei einem internationalen Abendgottesdienst mit. Auch auf diversen Podien ist die ehemals mächtigste deutsche Protestantin dabei, etwa bei dem Thema "Frauen und Macht". In einem der drei Hauptvorträge des Kirchentages spricht sie über "Die Kirchen als Zeichen der Hoffnung für die Welt".
Am letzten Abend wird Käßmann dann von einer Bühne am Marienplatz aus den Abendsegen erteilen. Vor einem Jahr am Bremer Weserufer war dies für sie das schönste Kirchentagserlebnis: "Es ist sehr anrührend, wenn so viele Menschen ganz still werden, auf die Glocken hören, Kerzen entzünden und Segen empfangen", sagte sie damals.
Lesungen und Predigten von Hannover bis Italien
Nach dem Kirchentag predigt die geschiedene Mutter von vier Töchtern in Gottesdiensten in Hannover und Berlin. Dazu kommen Vorträge, zum Beispiel Anfang Juni auf dem Hessentag in Stadtallendorf, wo sie aufgewachsen ist, oder auf dem Martin-Luther-Forum in Gladbeck.
Außerdem wird die 51-Jährige in Lüneburg und Rotenburg bei Bremen aus ihrem Buch "In der Mitte des Lebens" lesen, das seit Monaten auf der Bestseller-Liste steht. Dem Herder-Verlag zufolge gibt es auch Anfragen aus Italien und Österreich für Leseabende, die Auflage liegt bei inzwischen bei 217.000 Exemplaren. In dem Buch schreibt Käßmann unter anderem, in der Lebensmitte lasse sich lernen, dem Verlorenen nicht nachzutrauern und das Misslungene anzunehmen: "Ich schaue gern zurück und ohne Angst nach vorn."