Den Öl-Scheichs in Abu Dhabi ist es gelungen, eine triste kleine Wüstenstadt binnen weniger Jahre in eine boomende Metropole zu verwandeln. Jetzt haben sie damit begonnen, ihre bislang vor allem auf Gewinnmaximierung und Konsum fixierte Ausrichtung zu erweitern und mit Ausstellungen, Konzerten, Literaturwettbewerben und Filmfestivals der Gesellschaft eine kulturelle Seele einzuhauchen. Ziel ist es dabei sowohl, die lokale Bevölkerung zu inspirieren, als auch eine Perspektive für die Zeit zu schaffen, wenn die Öl-Vorräte zur Neige gehen. Wie am Golf üblich, so soll auch im kulturellen Bereich alles möglichst in Lichtgeschwindigkeit passieren.
Da sich exquisite Veranstaltungsorte aber nicht über Nacht aus dem Boden stampfen lassen, finden viele Ausstellungen und Konzerte derzeit noch in einem pompösen Palasthotel mit Meerblick statt. "Für iranische Künstler sind die Vereinigten Arabischen Emirate ein wichtiges regionales Zentrum geworden, denn hier gibt es mehr Freiheit als in der Heimat, vor allem für die jüngere Generation, die sehr stark politisch denkt", erklärt der Bildhauer Paviz Tanavoli. Der Iraner, der abwechselnd in Teheran und Vancouver lebt, zeigt seine von Kalligraphie inspirierten Skulpturen diesen Monat in Abu Dhabi in einer Doppelausstellung mit dem ägyptischen Künstler Adam Henein. Am 27. April kommen drei Skulpturen von Tanavoli bei Christie's im Nachbaremirat Dubai unter den Hammer.
Transparente Konzerthalle in der Form eines Libellenflügels
Es wird mindestens noch drei Jahre dauern bis das erste der drei großen Museen auf der Museumsinsel Saadijat ("Glückseligkeit") in Abu Dhabi eröffnet wird. Nach der bisherigen Planung soll das vom Londoner Architektenbüro Foster & Partner entworfene Nationalmuseum, dessen Design bis heute unter Verschluss gehalten wird, 2013 fertiggestellt werden. Der Bau des Ablegers des Pariser Louvre soll im gleichen Jahr abgeschlossen sein. Das Guggenheim Abu Dhabi soll dann wenige Monate später seine Pforten öffnen.
Der von Stararchitektin Zaha Hadid für die Insel entworfene Konzertsaal in Form eines Libellenflügels wird dagegen noch acht bis zehn Jahre auf sich wartenlassen - wenn er denn überhaupt so gebaut wird, wie ihn die visionäre Irakerin ersonnen hat. "Ihr Entwurf hat viele Glasflächen, das ist nicht einfach zu realisieren und natürlich haben die Toningenieure ihre eigenen Vorstellungen", erklärt Hoda Kanoo, die Gründerin des Abu Dhabi Festivals für klassische Musik.
Weltklasse-Orchester im Behelfskonzertsaal
Zwar müssen das Festival und die neue Konzert-Serie Abu Dhabi Classics bislang noch in einem Luxushotel mit suboptimaler Akustik oder und unter freiem Himmel stattfinden. Doch ist die Liste der Solisten und Orchester, die in den vergangenen zwei Jahren hier aufgetreten sind, beeindruckend. Zu ihnen zählen unter anderem die New Yorker Philharmoniker, die Geigerin Anne-Sophie Mutter, der polnische Komponist Krzystof Penderecki und die Wiener Philharmoniker.
Böse Zungen behaupten, die Stars würden mit Traumgagen an den Golf gelockt. Doch viele von ihnen kommen vor allem aus Neugier auf eine Region, in der ihre westliche klassische Musik bislang kaum eine Rolle spielte.
Kulturmix ist in den Emiraten schon lange Alltag
Für die Menschen in den Emiraten, wo die Bevölkerung zu 80 Prozent aus Ausländern besteht, ist Kulturmix dagegen schon lange Alltag. Sie hören im Taxi indische Musik, bekommen bei geschäftlichen Terminen türkischen Kaffee serviert und tanzen beim WOMAD-Weltmusikfestival zu den Klängen algerischer Rai-Musiker.
"Gerade in diesen Zeiten, wo wir so viele politische Probleme haben und wo die US-Armee im Irak steht, ist es wichtig, das Menschen mit Liebe und Respekt aufeinander zugehen", sagt Hoda Kanoo. Die Sternstunde des diesjährigen Abu Dhabi Festivals für klassische Musik war für sie deshalb ein spontanes Duett des US-Jazztrompeters Wynton Marsalis mit dem irakischen Oud-Spieler Nassier Schamma.