evangelisch.de: Herr Stockmann, ist der angekündigte Zusammenschluss von GTZ, DED und Inwent der richtige Schritt?
Stockmann: Ja, ohne Zweifel. Mit dieser Fusion werden alle drei staatlichen Organisationen der technischen Zusammenarbeit zusammengefasst. Ein Schritt in die richtige Richtung, der längst überfällig war. Allerdings kann dies nur der erste Teil einer notwendigen Gesamtreform sein.
evangelisch.de: Was fehlt?
Der finanzielle Arm fehlt
Stockmann: Es fehlt noch die Fusion mit der KfW - dem finanziellen Arm der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Es ist nicht einzusehen, warum die außen vor bleiben soll.
evangelisch.de: Ist die ganze Diskussion für Laien und interessierte Steuerzahler überhaupt noch nachvollziehbar?
Stockmann: Das ist bestimmt schwer. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist organisatorisch sehr zersplittert. Bei den staatlichen sogenannten Durchführungsorganisationen unterscheiden wir: die GTZ, den DED, InWEnt und die Entwicklungsbank KfW. Zurzeit wird nur eine Fusion ohne die KfW diskutiert.
evangelisch.de: Entschuldigung, aber das ist jetzt auch nicht unbedingt verständlicher ....
Stockmann: ... um zu verstehen, woher diese vielen Organisationen kommen, müssen Sie zurückschauen: Zu Beginn der Entwicklungszusammenarbeit war diese noch wenig komplex und beschränkte sich vor allem auf die Durchführung einzelner Projekte. Für die verschiedenen Aufgaben entstanden einzelne Organisationen - etwa für die Unterstützung der Entwicklungsländer durch Fachleute die GTZ. Für die Finanzierung von Krediten wurde die KfW zuständig. Um einzelne Personen weiterzubilden, wurden zwei weitere Organisationen geschaffen, die später dann zu InWEnt verschmolzen wurden. Und schließlich gab es eine Freiwilligenbewegung von Menschen, die für wenig Lohn praktische Hilfe leisten wollen. Daraus entstand der DED.
evangelisch.de: Gut, das war einmal, aber heute?
Stockmann: Heute hinkt diese Aufspaltung in verschiedene Hilfsinstrumente der Realität hinterher. Es geht doch schon längst nicht mehr darum, ein paar Brunnen zu bohren, sondern darum, ganze Systeme zu reformieren, beispielsweise die gesamte Abwasserwirtschaft eines Landes zu verbessern. Und dafür braucht man alle Instrumente aus einer Hand: Technik, Personal und Geld. Deshalb macht es Sinn, dass es eine Organisation gibt, die über alle Instrumente verfügt, damit keine aufwändigen Abstimmungsprozesse mehr notwendig sind.
evangelisch.de: Was hat Dirk Niebel besser als seine Vorgängerin gemacht?
Stockmann: Das kann ich nach gerade mal 100 Tagen nicht sagen. Aber ich denke, er hat speziell in der Frage der Fusion politisch klüger agiert als seine Vorgängerin. Er hat erst mal das angepackt, was machbar ist und worüber sich alle Beteiligten einig sind: die technische Zusammenarbeit zu fusionieren.
Verschmelzung von Organistionskulturen
evangelisch.de: Warum tun sich die beiden Elefanten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, GTZ und KfW, so schwer mit einer Fusion?
Stockmann: Es geht einerseits um Machtverluste und andererseits um die Verschmelzung zweier ganz unterschiedlicher Organisationskulturen. Ich kann das schon verstehen - da trifft der entwicklungspolitische Berater auf den Banker, die - um es mal vereinfacht zu sagen - ganz unterschiedliche Denk- und Herangehensweisen haben. Aber das kann und darf kein Hinderungsgrund sein. Wir machen ja nicht Entwicklungszusammenarbeit, damit es die KfW und die GTZ gibt. Die entwicklungspolitischen Ziele stehen im Vordergrund, nicht die Organisationen.
evangelisch.de: Wie wirkt diese ganze Diskussion im Ausland?
Stockmann: Kein anderes westliches Industrieland hat so komplizierte Strukturen wie wir. Nehmen Sie die USA - die haben US-Aid, und wer in Kamerun mit amerikanischen Staatsdollar unterstützt wird, der erkennt das auf den ersten Blick. Bei uns haben Sie, oft sogar an einem Standort, gleich mehrere deutsche Geber: KfW, DED, InWEnt und GTZ. Jeder zahlt ein bisschen, und für den Kameruner ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass alle diese unterschiedlichen Hilfen aus einer Hand, nämlich vom deutschen Steuerzahler, kommen.
Ministerium hat zu wenig Kompetenz
evangelisch.de: Zusammengefasst - eigentlich müsste Dirk Niebel doch mal kräftig auf den Tisch hauen, oder?
Stockmann: Damit ist es nicht getan. Ein wesentliches Problem, das bei der gesamten Diskussion um Zusammenlegung und Fusion vernachlässigt wurde und wird, ist die mangelhafte Steuerungskompetenz des Entwicklungshilfeministeriums. Stellen Sie sich vor, wir bekommen nun tatsächlich eine große Agentur für Entwicklung. Wie soll diese kontrolliert werden? In der GTZ allein arbeiten schon heute weltweit 14.000 Menschen. Das BMZ hat gerade mal 600 Mitarbeiter. Und da es einen generellen Einstellungstopp gibt, holt man sich schon seit Jahren Leute aus den Fachorganisationen dazu. Soweit ich weiß, arbeiten zurzeit an die 60 GTZler als sogenannte "Abgeordnete" im Ministerium, das sind zehn Prozent aller Mitarbeiter. Da könnte man schon fast von einer personellen "Unterwanderung" sprechen.
evangelisch.de: Und mit der Fusion wird das nicht besser?
Stockmann: Im Gegenteil, die Fusion verschärft dieses Problem eher. Denn während das Ministerium schwach bleibt, entsteht eine Superagentur mit enormer Macht. Damit es keine Missverständnisse gibt: Die Fusionen sind wichtig und richtig. Aber parallel dazu muss man im Entwicklungshilfeministerium Strukturen entwickeln, die es in die Lage versetzen, diesen neuen Supertanker auch zu lenken. Darüber wurde bisher meines Erachtens viel zu wenig nachgedacht.
Dorothea Heintze ist Redakteurin beim evangelischen Monatsmagazin "chrismon" und arbeitet als freie Autorin regelmäßig für verschiedene Tages- und Wochenzeitungen.