In der Debatte um die Missbrauchsfälle hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Signale aus Rom begrüßt. Es sei für die Bundesregierung ein gutes Zeichen, dass die katholische Deutsche Bischofskonferenz für ihre Aufarbeitung der Fälle die Rückendeckung des Vatikans bekommen habe, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans am Montag in Berlin.
"Sie ist zufrieden mit der Botschaft, die Erzbischof Robert Zollitsch aus dem Vatikan mitgebracht hat", fügte Steegmans hinzu. Es gehe zudem nicht nur um die katholische Kirche beim Thema Kindesmissbrauch, sondern um eine gesamtgesellschaftliche Debatte. Merkel schloss sich damit der Kritik am Papst angesichts der Missbrauchsfälle nicht an.
Hahn: Ausweitung der Verjährungsfristen "widerspräche Rechtssystem"
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will erst nach einem Gespräch mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, entscheiden, in welcher Form eine Aufarbeitung der Missbrauchsfälle stattfinden könne, sagte ihr Sprecher Anders Mertzlufft. Ob dies ein Runder Tisch oder eine unabhängige Ermittlungskommission sein werde, sei zweitrangig. Wichtig sei eine institutionalisierte Form der Aufarbeitung. Das Gespräch soll der Bischofskonferenz zufolge am 15. April stattfinden.
In der Debatte um rechtliche Konsequenzen sprach sich der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) gegen eine Verlängerung der Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch aus. Eine Ausweitung allein der Verjährungsfristen "widerspräche dem Rechtssystem", erklärte Hahn in Wiesbaden. Die Fristen für die Verjährung von Straftaten richteten sich laut Strafgesetzbuch nach dem jeweiligen Höchstmaß der im Gesetz angedrohten Freiheitsstrafe. Die FDP-Bundestagsfraktion befürwortet indes eine Verlängerung.
Derzeit liegt die strafrechtliche Verjährungsfrist in Fällen sexuellen Kindesmissbrauchs bei zehn Jahren, die Verjährungsfrist für Vergewaltigung beträgt 20 Jahre. Die Verjährungsfrist beginnt erst, wenn das Opfer volljährig ist, also das 18. Lebensjahr vollendet hat.
Katholische Jugend verlangt Stellungnahme des Papstes
Am Wochenende berichteten mehrere Zeitungen, dass in der Amtszeit des heutigen Papstes als Erzbischof von München und Freising ein wegen Kindesmissbrauchs vorbelasteter Priester in der Gemeindearbeit eingesetzt worden sei. Der Vatikan sprach daraufhin von einer Verleumdungskampagne gegen den Papst. Kirchenkritiker und Missbrauchsopfer forderten eine Entschuldigung des Papstes.
Maria Flachsbarth, kirchenpolitische Sprecherin der Unions-Fraktion, sagte auf NDR Info, der Papst nehme die Missbrauchsfälle keinesfalls auf die leichte Schulter. In seiner Amtszeit habe er mit schweren Missbrauchsverfahren in verschieden Ländern zu tun gehabt. Dabei habe er unmissverständlich klar gemacht, "dass für ihn Null Toleranz gilt".
Dagegen verlangte die katholische Jugend eine Stellungnahme des Papstes. "Das beschäftigt die Menschen, ob sie gläubig sind oder nicht, und der Heilige Vater sollte sich dazu äußern", sagte der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Dirk Tänzler, der "Berliner Zeitung". Die Kirche in Deutschland stecke "in einer ihrer tiefsten Sinnkrisen seit 1945".
Glück: Der Papst muss sich nicht einschalten
Auch Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, sprach von einer "schweren Krise der katholischen Kirche in Deutschland". Den Papst indes sieht er nicht am Zug. "Wenn die Verantwortlichen der katholischen Kirche in Deutschland ihrer Pflicht zur Aufarbeitung nicht gerecht würden, wäre es Sache des Papstes, sich einzuschalten", sagte Glück der "Passauer Neuen Presse". "Aber ich sehe nicht, dass das notwendig wäre", fügte der CSU-Politiker hinzu.
Das Ökumenisches Netzwerk "Initiative Kirche von unten" fordert die Einsetzung einer unabhängigen Kommission durch die Bundesregierung. "An einer unabhängigen Kommission wie in Irland und den Niederlanden führt kein Weg vorbei", erklärte Bundesgeschäftführer Bernd Hans Göhrig. Diese Kommission habe einen klaren Arbeitsauftrag, die Aufklärung der Fälle aus den vergangenen Jahrzehnten.
Dienstrechtliche Schritte nach Vorfällen im evangelischen Internat
Auch im oldenburgischen Münsterland ist es offenbar in katholischen Einrichtungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gekommen. Ein Sprecher des Offizialatsbezirks Vechta im Bistum Münster bestätigte dem epd fünf Fälle in Vechta, Cloppenburg, dem Nordkreis Cloppenburg und Neuenkirchen aus den 50er und 60er Jahren. Sie würden nun untersucht.
Unterdessen weist die badische evangelische Landeskirche darauf hin, dass nach Bekanntwerden von fünf Missbrauchsfällen am evangelischen Internat Gaienhofen am Bodensee in allen Fällen dienstrechtlich gegen die Täter vorgegangen worden sei. Allerdings sei in keinem Fall von sexuellem Missbrauch an den Schülern Strafanzeige durch die Landeskirche oder die Schule selbst erstattet worden, so die Landeskirche.