Der erste Besuch von Papst Benedikt XVI. in seiner Amtszeit in einer protestantischen Kirche war zugleich ein Wiedersehen mit alten Bekannten. Ebenso wie sein Vorgänger Johannes Paul II. vor rund 25 Jahren wählte sein Nachfolger die deutschsprachige Gemeinde der römischen Christuskirche für seine Begegnung mit lutherischen Christen. Am selben Ort hatte er 1998 mit dem späteren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber, über Ökumene diskutiert. Viele der rund 300 Anwesenden kannte der langjährige Präfekt der Glaubenskongregation noch aus seinen Zeiten als Kurienkardinal. Sie bereiteten ihm einen herzlichen Empfang, bevor Gemeindepräsidentin Doris Esch die Hoffnung betonte, er möge sich bei ihnen "zu Hause fühlen".
Zusammenhang zwischen Hoffnung und Kreuz
Die Gemeinde wollte den Besuch als Visite des "Bischofs von Rom" verstanden wissen. Gemeindemitglieder, die teils länger als er selbst in Rom leben, hießen Benedikt dennoch als Papst willkommen. Der Besuch sei "ein Glied in einer langen Kette", meinte Kurt Becker, der 1961 für die Welternährungsorganisation nach Rom kam und sich aus seiner Zeit im Gemeinderat an katholische Predigten eines Prälaten in der Christuskirche bereits in den 70er Jahren erinnert.
Nachdem Gemeindepfarrer Jens-Martin Kruse eine Predigt über den scheinbaren Widerspruch des Sonntags Laetare gehalten hatte, an dem die Christen in der Fastenzeit wörtlich aufgefordert sind, sich zu freuen, bestieg der Gast im roten Samt mit weißem Hermelinbesatz die Kanzel. In seiner frei auf Deutsch gehaltenen Predigt erklärte der Papst den Zusammenhang zwischen Hoffnung und Kreuz und wandte ihn zugleich auf den Dialog zwischen Katholiken und Protestanten an.
"Wir hören heute viele Klagen, dass die Ökumene zum Stillstand gekommen ist", gestand das Kirchenoberhaupt offen ein. Die Spaltung verdunkle das gemeinsame Zeugnis der Christen. Sie sollten "traurig" darüber sein, dass sie nicht gemeinsam Eucharistie feiern könnten. Katholiken und Protestanten forderte der Papst in der neobyzantinischen Kirche aus dem Jahr 1914 jedoch zugleich auf, froh darüber zu sein, "dass wir heute gemeinsam beten und miteinander singen". Nach außen hin sollten sie weniger "Zank" zeigen und mehr von den bereits erreichten Fortschritten. "Zu allererst sollten wir dankbar sein, dass es so viel Einheit gibt."
Schwierigkeiten in Italien unbekannt
Unabhängig von mittlerweile zum Alltag der Ökumene gehörenden Klagen über mangelnde Fortschritte im Dialog zwischen den Kirchen forderte auch der Pfarrer der Christuskirche dazu auf "die Einheit, von der wir leben, sichtbarer und wirksamer werden lassen". Italienische Teilnehmer des abendlichen Gottesdienstes hielten den Dialog zwischen der katholischen und anderen Kirchen für eine Selbstverständlichkeit. Schwierigkeiten bei der Ökumene sind ihnen unbekannt.
Während Väter ihre kleinen Kinder mit Mühe davon abhielten, in das Geschehen einzugreifen, fragten Italiener sich, wer wohl der sagenumwobene Sekretär des Papstes sei. Bei der Übergabe von Geschenken fühlte sich der katholische Vater eines italienischen Schülers der Deutschen Schule Rom an den Austausch der Maskottchen von Fußballmannschaften am Beginn der Sonntagsspiele erinnert.
Im Anschluss an den Gottesdienst traf Benedikt mit Vertretern der Gemeinde zusammen. Dafür hatten Mütter junger Gemeindemitglieder eigens deutschen Kuchen gebacken, den sie mit Frühlingsblüten verziert in die Kirche schickten, als ob ein Treffen in der evangelisch-lutherischen Kirche mit dem Papst zu einem ganz normalen Sonntag gehörte.