Für mich ist sie das Gesicht des deutschen Protestantismus, nun ist sie also doch zurückgetreten – Margot Käßmann. Ich war mächtig stolz, als diese Frau im vergangenen Oktober zur obersten Protestantin Deutschlands gewählt wurde. Ein frisches Gesicht, und endlich, endlich eine Frau – eine junge, ein kreative, eine attraktive, eine mutige Frau. Vier Kinder, geschieden, krank – und echt und volksnah, ohne dass sie das vor sich hertrug wie ein Reklameschild. Zu dieser Kirche mochte ich mich gerne bekennen.
Kein langer Eiertanz, keine faulen Ausreden
Und gestern nun der Rücktritt. Aus Gründen, die man respektieren muss. Autofahren mit anderthalb Promille Alkohol im Blut ist kein Kavaliersdelikt, absolut nicht. Was, wenn da jemand auf der Kreuzung gestanden hätte? Ein Alptraum. Wie kann man so dumm sein, habe ich mich gefragt, wieso hat sie kein Taxi genommen? Am Geld dürfte es ja wohl nicht gescheitert sein. Aber das sind unnütze Fragen. Man kann Zahnpasta nicht in die Tube zurückdrücken. Es ist geschehen, wie es geschehen ist, daran führt kein Weg vorbei. Und nun hat sie die Konsequenzen gezogen, schnell und radikal, und auch das ist ganz genau ihre Art. Kein langer Eiertanz, keine faulen Ausreden. Einfach konsequent handeln.
Wer sagt, dass Gottes Hand immer weich gepolstert ist?
Als evangelischer Christ fühle ich mich jetzt einfach ein bisschen kleiner. Fühle mich um mindestens zehn Zentimeter geschrumpft und wieder etwas blasser und grauer und mausiger und angekränkelt. Man kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand, hat Margot Käßmann gestern gesagt. Sie hat das in letzter Zeit etwas oft gesagt, finde ich. Sie hat es auch schon beim Selbstmord von Robert Enke gesagt. Der Spruch mag ja stimmen, aber manchmal ist bestimmt auch ein solcher Fall ganz schön tief. Und wer sagt, dass Gottes Hand immer schön weich gepolstert ist?
Trotzdem muss man sich auch nach einem harten Fall aufrappeln und die Knochen neu sortieren. Es schmerzt und tut weh und knirscht im Gebälk, aber irgendwie wird es schon gehen. Darauf müssen wir wohl hoffen. Die Kirche, für die Margot Käßmann steht – „steht“ wohlgemerkt, nicht „stand“! – diese Kirche hat viele Gesichter, und die werden sich bemerkbar machen, gute, neue Gesichter, von denen man jetzt noch nichts ahnt. So wird es sein, so soll es sein, auch, wenn ich darauf im Prinzip nur hoffen kann. Und wenn ich im Moment erstmal nur Traurigkeit empfinde.
Pastor Olaf Droste ist der Rundfunkbeauftragte der Bremischen Evangelischen Kirche. Seit Jahren sorgt er für die Übertragung von Gottesdiensten in Hörfunk und Fernsehen. Seine Morgenandacht zu Käßmanns Rücktritt lief Donnnerstagmorgen in der Serie "kurz & gut" im NordWestRadio (Radio Bremen/NDR).