Die Arbeitsmarktreform Hartz IV werde am Mittwochabend Thema des Treffens von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer sein, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Montag in Berlin. Er machte deutlich, dass Merkel die bestehenden Sanktionsmöglichkeiten für ausreichend hält. Damit widersprach die Kanzlerin Westerwelle, der in der "Bild am Sonntag" verlangt hatte, junge und gesunde Sozialhilfeempfänger zu "zumutbaren" Arbeiten zu verpflichten, beispielsweise zum Schneeschippen. Wer sich dem verweigere, dem müssten die Mittel gekürzt werden.
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe mahnte: "Es verbietet sich aus unserer Sicht ein Generalverdacht" - auch wenn es Missbrauchsfälle gebe. Das Dreier-Gespräch am Mittwoch sei kein Krisengespräch, betonte Gröhe. Die drei Parteivorsitzenden hatten bei einem ersten Gespräch am 17. Januar vereinbart, sich regelmäßig zu treffen. Diese erste Zusammenkunft galt allerdings als Krisentreffen.
FDP will Debatte versachlichen
Die FDP will die von ihr lautstark angestoßene Debatte zur Erneuerung des Sozialstaats nun versachlichen und in Kürze konkrete Vorschläge zur Hartz-IV-Reform vorlegen. Neue Sanktionsmöglichkeiten für den Missbrauch von Sozialhilfe gehörten nicht dazu, sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner. Ziel sei es vielmehr, die Effizienz des Sozialstaats zu erhöhen. Die FDP wolle die Zusatz-Verdienstmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose verbessern, die Sozialbeiträge für Geringverdiener langsamer als bisher anheben und bei Bildungsausgaben für Kinder mehr auf Sach- als auf Geldleistungen setzen. Lindner meinte, die CDU solle nicht nur "Stilkritik" an Westerwelle üben, sondern selbst Reformvorschläge machen.
Wilhelm ging auf Distanz zu Westerwelles Forderung, Hartz-IV-Empfänger auch für gemeinnützige Arbeiten wie Schneeschippen zu verpflichten. Solche Einsätze dürften reguläre Arbeit nicht verdrängen und auch nicht in privatem Auftrag erfolgen. Das Räumen von Schnee und Eis auf den Straßen nannte Wilhelm "eine unaufschiebbare Pflichtaufgabe der Kommunen", für die sie "auch Gebühren erheben". Langzeitarbeitslose könnten von den Kommunen bestenfalls gegen Aufwandsentschädigung - also als Ein-Euro-Jobber - zum Winterdienst eingesetzt werden.
Der Regierungssprecher verwies auch auf die geltende Rechtslage: "Es gibt einen umfangreichen Katalog an Sanktionsmöglichkeiten." Bei der ersten Pflichtverletzung würden die Bezüge um 30, bei der zweiten um 60 Prozent gekürzt. Danach falle die Unterstützung ganz weg. Bei Erwerbslosen unter 25 Jahren geschehe dies sofort, wenn sie eine zumutbare Arbeit ablehnen. Allerdings setzten die jeweiligen Verwaltungen der Bundesländer diese geltende Rechtslage unterschiedlich um. Auch darüber müsse gesprochen werden.
"Vorurteile über Arbeitslose gefährden sozialen Frieden"
Die Diakonie kritisierte die Äußerungen Westerwelles. Die Empfänger von staatlichen Leistungen dürften weder verdächtigt werden, sich in der sozialen Hängematte auszuruhen, noch zu Arbeitseinsätzen gezwungen werden, sagte Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik. Vorurteile über Arbeitslose gefährdeten den sozialen Frieden in Deutschland.
Westerwelle schüre Ressentiments gegen Hartz-IV-Empfänger und versuche, sich auf Kosten der Arbeitslosen zu profilieren, monierten auch Grünen-Chef Cem Özdemir und der stellvertretende SPD-Vorsitzende Klaus Wowereit im rbb-Inforadio.
Große Bundestagsdebatte am Donnerstag?
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa laufen im Bundestag Bemühungen, eine für diesen Donnerstag geplante Aktuelle Stunde zu den Auseinandersetzungen über die Leistungen des Staates für Hilfebedürftige zu einer mehrstündigen Generaldebatte auszuweiten. Auch die FDP habe daran großes Interesse.
Wie Merkel setzen führende CDU-Politiker darauf, die Sanktionsmöglichkeiten konsequent anzuwenden. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, es gebe bereits Regelungen, Hartz-IV- Empfänger zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen und Bezüge bei Verweigerung zu kürzen. Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte, es stelle sich allerdings die Frage nach der sinnvollen Umsetzung. Sie sei oft unzureichend beantwortet worden. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verlangte, die Sanktionen gegen Arbeitsunwillige nach bayerischem Vorbild umzusetzen. "Das muss künftig überall in Deutschland so hart sanktioniert werden wie in Bayern", sagte der "Passauer Neuen Presse" (Montag).