Frühlingsgefühle: Das Liebesleben im Federkleid

Frühlingsgefühle: Das Liebesleben im Federkleid
Während bei Schnee und Eis die Menschen mit dem Valentinstag an zärtliche Zuneigung erinnert werden müssen, schmettern Vogelmännchen schon ihre Liebeslieder.
12.02.2010
Von Birgit Sander

Obwohl es draußen eiskalt ist, haben Kohl- und Blaumeisen oder Sperlinge schon zarte Frühlingsgefühle, wie Dieter Martin, Leiter der Forschungsstation der Deutschen Wildtier Stiftung in Klepelshagen (Mecklenburg-Vorpommern), sagt. "Licht bringt den Hormonhaushalt der kleinen Vögel in Schwung."

Während etwa Amselmännchen im Winter die Weibchen vom Futterplatz vertreiben, ticken sie ab Mitte Februar, wenn Licht und Sonne sich Raum verschaffen, völlig anders, berichtet der Naturschützer Ernst Paul Dörfler. "Sie verbeugen sich in höflicher Weise und schenken den nun holden Weibchen alle ihre Aufmerksamkeit", schreibt der Autor aus Steckby (Sachsen-Anhalt) in seinem Buch "Die Liebe der Vögel" (2009). "Obwohl es unzählige Bücher über die Liebe gibt und sehr viele über Vögel, hat noch kein Mensch dieses Thema bearbeitet", sagt er.

Dörfler hat seine Beobachtungen und die von Ornithologen zusammengetragen und mit Fotos von Tierfotografen sowie eigenen zu einem amüsant zu lesenden populärwissenschaftlichen Band gefügt. Von der ersten Brautwerbung bis zum Ausfliegen des Nachwuchses - dem häufigen Ende einer Vogel-Ehe - stellt er Eigenheiten im Liebesleben der rund 260 in Deutschland heimischen Brutvogelarten dar.

Vogel-Weibchen pflegen zahlreiche Extravaganzen

Was Menschen nur ungern zugeben, gilt bei Singvögeln nicht als Schande: Frauen begehren Männer mit einem großen Grundstück, weil das eine gute Versorgung verspricht. Ähnlich wie beim Menschen betört schöner Gesang die Frauen. Je größer der Stimmumfang bei Nachtigall, Amsel, Meise oder Lerche, je variabler die Melodien, je zahlreicher die Strophen, desto beliebter sind die Sänger, berichtet Dörfler. Wer nicht singt, der klappert oder trommelt wie Storch und Specht, oder erzeugt mit seinen Flügeln eine Art Instrumentalmusik wie der Fasan.

Zudem haben auffallend gesunde Männer Vorteile bei den künftigen Vogelmüttern. Eine besonders rote Brust bei Rotkehlchen und Gimpel, ein orangeroter Schnabel bei der Amsel sind Zeichen einer guten Versorgung mit Carotinoiden, die in Früchten enthalten sind - und damit für gute Futterquellen. Darüber hinaus pflegen Vogel-Weibchen zahlreiche Extravaganzen: Schwalben achten auf lange, symmetrische Schwanzspieße der Männer. Die Weibchen der Eisvögel, Seeschwalben und Fischadler erwarten Geschenke in Form von Fischen, und Krähen eine Verbeugung bei jedem "Krah"-Ruf des sie anbetenden Männchens.

Vor allem auf Stärke legen die Weibchen solcher Vogelarten Wert, bei denen die Gruppen-Balz an der Tagesordnung ist, wie Hühner, Enten und Schwäne. Beim Sieger eines Hahnenkampfes stehen die Hennen Schlange. Gerechter geht es bei Sperlingen zu. Allein zu balzen macht keinen Spaß: am Ende geht in der Clique kaum ein Spatz leer aus.

Häufigkeit beim Sexbei Vögeln unübertroffen

Haben sich die Paare gefunden, geht es noch immer nicht zur Sache. Manche Vögel liefern sich vor dem Sex turbulente Verfolgungsflüge, so die Amseln, Goldhähnchen, Lerchen, Bartmeisen und Möwen. Der folgende Liebesakt ist kurz: Das Männchen hüpft auf das sich duckende Weibchen. Sie dreht ihren Schwanz nach links, er nach rechts oder umgekehrt, und die nun freiliegenden Geschlechtsöffnungen werden aufeinandergepresst, umreißt Dörfler den Vogel-Sex.

Die meisten Arten haben keinen Penis, Ausnahmen sind Enten, Schwäne, Strauße und Nandus. Diese lassen sich mehr Zeit bei der Paarung. Bei penislosen Arten ist der Akt in Sekunden oder Sekundenbruchteilen vorbei. Der Grund: Vögel leben gefährlich. Ein erigierter Penis wäre hinderlich, würde beim Liebesakt etwa eine plötzliche Flucht notwendig.

Dafür sind die Vögel wohl unübertroffen, was die Häufigkeit beim Sex betrifft. Tauben tun es bis zu siebenmal pro Tag, Spatzen kommen auf eine zweistellige Zahl. Greifvögel kopulieren im Durchschnitt fünfmal täglich, der Schwarz-Milan 14 Mal. Bei Arten, die nur ein Mal pro Saison brüten, hat es sich dann für fast ein Jahr mit dem Sex erledigt. Viele Singvögel aber schaffen zwei oder gar drei Bruten. "Die Liebe der Vögel" ist das siebte Buch Dörflers. Der 59-jährige Öko-Chemiker kam 1990 für Bündnis 90/Die Grünen in die erste freigewählte Volkskammer der DDR, später in den Bundestag. Heute engagiert er sich vor allem für den Schutz der Elbe.

dpa