Sascha Bergmann vom LKA Graz resümiert süffisant: "Es gibt Untadelige und Adelige". Tatsächlich zeigt sich recht bald, dass die Sippschaft derer von Glanzberg einander nicht mal den selbstredend nicht vorhandenen Dreck unter den Fingernägeln gönnen würde. Weil auch im Adel jeder Fisch vom Kopf her stinkt, ist der von Tobias Moretti als personifizierte Noblesse inklusive entsprechendem Standesdünkel verkörperte Patriarch der Verursacher allen Übels: Erst hat er seiner Frau eine junge Firmenmitarbeiterin mit vietnamesischen Wurzeln vorgezogen, dann hat er Linh in den Vorstand des familieneigenen Unternehmens befördert, und nun will er sie auch noch heiraten. Sämtliche Mitglieder der Familie sind finanziell vom Grafen abhängig und fürchten nun um ihre Pfründe.
Doch zur zumindest klammheimlichen Erleichterung der Familie wird es keine Hochzeit geben: Die Verlobte ist entführt worden. Otto zieht die Lösegeldübergabe, eine Million Euro, alleine durch, alles scheint glatt zu gehen; aber Linh lebt nicht mehr.
Das ist natürlich nicht lustig, und in der Tat beginnt der wie alle Steiermark-Krimis von Wolfgang Murnberger inszenierte zwölfte Fall für Bergmann (Hary Prinz) als Thriller: Erst wird Linh auf dem Heimweg mit einem hinterhältigen Trick dazu gebracht, ihr Auto zu verlassen, dann kommt es tags drauf im Wald zum Treffen zwischen den Entführern und Otto. Als er Linhs Leiche entdeckt, verfolgt er die auf einem Motorrad geflüchteten Kidnapper, und da der passionierte Jäger den Wald wie seine Westentasche kennt, nimmt er eine Abkürzung und erschießt einen der Verbrecher. Bei der Obduktion von Linhs sterblichen Überresten stellt sich heraus, dass ihr Tod nicht etwa, wie der erste Anschein vermuten ließ, ungeplant war: Die zukünftige First Lady des Hauses Glanzstein ist ermordet worden.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Prompt geraten alle in Verdacht, die durch die Heirat Nachteile erlitten hätten; und das ist mit Ausnahme Ottos die gesamte Familie, denn bei seinem Tod hätte die deutlich jüngere Frau den Löwenanteil des beträchtlichen Vermögens geerbt.
Neben der interessanten Geschichte mit ihren vielen Verdächtigen lebt "Steirermord" vor allem von den Dialogen. Gerade die Gespräche zwischen Bergmann und Anni Sulmtaler (Anna Unterberger) sind ein großes Vergnügen, weil der Chefinspektor aus seinen Vorbehalten gegenüber den Adeligen keinerlei Hehl macht und die Kollegin ihm, wenn’s ihr zu bunt wird, keck Kontra gibt. Dass seine Vorgesetzte (Bettina Mittendorfer) eine gute Bekannte des ohnehin bestens vernetzten Grafen ist und Otto über die laufenden Ermittlungen informiert, trägt ebenso wenig zu seiner guten Laune bei wie das ohne Personal funktionierende, dafür aber steril wie eine Raumstation wirkende Hotel, in dem Sulmtaler sich und ihn untergebracht hat; prompt zieht der bodenständige Bergmann lieber in ein uriges Wirtshaus mit Gästezimmern um.
Sehenswert ist auch die Besetzung der Familienmitglieder, selbst wenn Moretti alle überstrahlt; aber Graf Otto ist ja auch der Anführer, der sich, Adel verpflichtet, natürlich nicht anmerken lässt, wie tief ihn der Verlust seiner offenbar aufrichtig geliebten Verlobten trifft. Das Duo aus Graz ermittelt in alle Richtungen; allerdings sind die zumeist konfrontativ verlaufenden Befragungen der Glanzsteins viel fesselnder als die Ebene mit Linhs Angehörigen oder der Freundin des von Otto erschossenen Entführers. Gerade die verbitterte Ex-Frau (Petra Morzé) lässt kaum ein gutes Haar an den anderen. Als Figur ähnlich reizvoll ist Ottos Bruder: Heinrich (Ulrich Reinthaller) ist ein Bücherwurm, der sein Leben der Geschichte des Hauses Glanzstein widmet; für Verwandte interessiert er sich erst, wenn sie tot sind. Als sich ein Mitglied der Familie zur Entführung bekennt und sich das Leben nehmen will, scheint der Fall geklärt; aber der Film ist noch lange nicht zu Ende.
Ungewöhnlich für die heitere Reihe ist die von passender Thriller-Musik untermalte Action-Sequenz im ersten Akt, als Otto das Motorrad durch den Wald verfolgt; da zeigt Murnberger, der das Drehbuch wie gewohnt gemeinsam mit Gattin Maria verfasst hat, dass er auch dieses Genre beherrscht. Für die von der Chefin gedeckte Selbstjustiz ("eine Notsituation") des Grafen hat Bergmann im Übrigen keinerlei Verständnis: "wie im Wilden Westen".