Hartz-IV-Sätze sind verfassungswidrig

Hartz-IV-Sätze sind verfassungswidrig
Die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Erwachsene müssen neu berechnet werden. Die bisherige Regelung verstößt gegen die Verfassung. Die Berechnung sei nicht transparent genug, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Das Gericht forderte den Gesetzgeber auf, bis zum 31. Dezember eine an der Realität orientierte Neuregelung zu schaffen.

Ob Bezieher des Arbeitslosengeldes II deshalb mehr Geld bekommen müssen, ließ das Gericht offen. Bis zu einer Änderung bleibt die bisherige Regelung gültig. Ab sofort können Hartz-IV-Empfänger jedoch einen besonderen Bedarf geltend machen, der durch die bisherigen Zahlungen nicht gedeckt wird. Damit drohen dem ohnehin schwer verschuldeten Staat in diesem Jahr höhere Ausgaben für Hartz IV. In Deutschland beziehen mehr als 6,5 Millionen Menschen Hartz-IV-Leistungen.

Das Urteil hat unmittelbare Auswirkungen auf rund 1,7 Millionen Mädchen und Jungen unter 14 Jahren, die in Hartz-IV-Familien leben, stellt darüber hinaus aber auch die weiteren Berechnungen von Hartz-IV-Leistungen infrage. Hans-Jürgen Papier, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, sagte in der Urteilsbegründung, die bisherigen staatlichen Leistungen für Kinder wie Erwachsenen gewährleisteten nicht das Recht auf ein "menschenwürdiges Existenzminimum". Das Existenzminimum müsse auch eine Mindesteilnahme von Leistungsempfängern am gesellschaftlichen Leben berücksichtigen.

Bislang wurde der Bedarf für Kinder und Jugendliche nicht eigenständig errechnet. Sie erhalten je nach Alter zwischen 60 und 80 Prozent der Hartz-IV-Leistungen für Erwachsene. Kindern unter sechs Jahren stehen 215 Euro zu, im Alter bis zu 13 Jahren gibt es 251 Euro. Jugendliche erhalten bis zur Volljährigkeit 287 Euro. Insgesamt leben 6,7 Millionen Menschen in Deutschland von Hartz IV.

Ins Blaue hinein schätzen ist verfassungswidrig

Ein konkretes Verfahren zur Neuberechnung der Regelsätze schlug das oberste Gericht nicht vor. Die Leistungen müssten auf Grundlage "verlässlicher Zahlen" und "tragfähiger Berechnungen" erbracht werden. Schätzungen "ins Blaue hinein" seien verfassungswidrig, sagte Papier. Der Staat dürfe zwar Regelsätze festlegen. Sie sind aber bisher nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht korrekt berechnet worden. Die Hartz-IV-Sätze müssten nun nun in einem transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen Bedarf neu ermittelt werden und sich besonders bei Kindern stärker an der Realität orientieren.

Geklagt hatten drei Familien aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005. Sie hatten argumentiert, dass die Regelsätze für Kinder unter 14 Jahren von damals 207 Euro willkürlich festgelegt seien und das Existenzminimum nicht abdeckten. Außerdem werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt, da Kinder von Sozialhilfeempfängern einen zusätzlichen Bedarf geltend machen können, Kinder von Arbeitslosengeld-II-Empfängern jedoch nicht. Die Diakonie lobte die Entscheidung aus Karlsruhe: "Die vom Grundgesetz garantierte Existenzsicherung ist nicht verwirklicht", sagte Diakonie-Präsident Klaus-Dieter Kottnik

Der Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene liegt derzeit bei 359 Euro monatlich, bei Inkrafttreten des Gesetzes Anfang 2005 waren es noch 345 Euro. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Leistungen gestaffelt, und zwar ausgehend vom Regelsatz: Unter sechs Jahren gibt es 60 Prozent (215 Euro), unter 14 Jahren 70 Prozent (251 Euro), darüber 80 Prozent (287 Euro).

epd/dpa