Wegen Schweinegrippe: Lieferengpässe bei Impfstoffen für Babys

Wegen Schweinegrippe: Lieferengpässe bei Impfstoffen für Babys
Wegen der Herstellung des Impfstoffs gegen Schweinegrippe kommt es aktuell zu Lieferengpässen bei Impfstoffen für Kleinkinder. Der Hersteller GlaxoSmithKline hat auf die Kinderimpfstoffe ein Quasi-Monopol. Ärzte sehen das mit gemischten Gefühlen und warnen vor Folgen für Kleinkinder.

Der akute Lieferengpass bei mehreren Impfstoffen für Babys kann nach Mediziner-Einschätzung gravierende gesundheitliche Folgen für Säuglinge haben. "Besonders gefährlich für Säuglinge sind HIB-Infektionen und Keuchhusten, die so schwere Komplikationen hervorrufen können, dass sie zum Tode führen", sagte der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Köln. "Bei den entscheidend wichtigen Sechsfach- und Vierfach- Impfstoffen gibt es in den Arztpraxen entweder nur noch kleine Restbestände oder gar nichts mehr." Kinderarzt Martin Böhle ergänzte aber: "Es gibt eine medizinische Alternativlösung."

Sechsfach-Impfung ab der achten Woche

Dem Allein-Hersteller Glaxosmithkline (GSK) machte Verbandschef Hartmann schwere Vorwürfe. Die Produktion der Impfstoff-Kombinationen dürfe nicht einem einzigen Unternehmen in einer Quasi-Monopol-Stellung überlassen werden. Der Sechsfach-Impfstoff gegen Diphtherie, Wundstarrkrampf, Kinderlähmung, Keuchhusten, HIB-Infektion und Hepatitis B wird ab der achten Lebenswoche verabreicht. HIB (Haemophilus influenza b) infiziert die Atemwege und kann auch auf die Hirnhäute übergreifen. Babys ab dem elften Monat werden mit einer Vierfach-Kombination gegen Mumps, Masern, Röteln und Windpocken geimpft.

"Keuchhusten bei Säuglingen kann lebensgefährlich sein, und eine HIB-Infektion kann zu Kehlkopfentzündung oder Hirnhautentzündung führen, die beide den Tod bedeuten können", erklärte Hartmann. Mediziner Böhle aus Lüdenscheid sagte, in den Praxen sei nun als Alternative eine "Fünf plus eins"-Impfung möglich: Bei einem Termin werde gegen fünf Krankheiten geimpft, in einem zweiten Termin dann noch gegen Hepatitis B. Dies müsse zweimal wiederholt werden. "Da man die Neugeborenen in der Regel im dritten, vierten und sechsten Monat impft, bedeutet das allein hier insgesamt drei Termine und dreimal mal Pieksen mehr pro Kind." Gegen Keuchhusten können sich zudem die Eltern impfen lassen, damit sie ihre Säuglinge nicht anstecken.

Institut prüft Alternativprodukte

Allerdings werde wohl auch die alternative Fünfer-Kombination bald Mangelware werden. Der Vierer-Impfstoff kann dem Kinderarzt zufolge ersetzt werden durch eine Dreier-Impfung gegen Mumps, Masern und Röteln und - in einem weiteren Praxistermin - gegen Windpocken.

Einige der nicht mehr lieferbaren Impfstoffe für Kinder dürften bereits in rund einer Woche wieder zur Verfügung stehen. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) im hessischen Langen teilte dies unter Berufung auf Angaben des britischen Herstellers GlaxoSmithKline (GSK) mit. Das PEI verweist zudem auf Alternativen für den nicht lieferbaren Vierfach-Impfstoff Priorix- Tetra von GSK: Gegen Masern, Mumps und Röteln seien die Impfstoffe Priorix der Firma GSK und M-M-RVAXPRO der Firma Sanofi Pasteur MSD verfügbar. Bezüglich der Windpockenkomponente könne der Einzelimpfstoff Varivax der Firma Sanofi Pasteur MSD eingesetzt werden. Außerdem prüft das PEI zurzeit die Verfügbarkeit weiterer Alternativprodukte, auch von anderen Herstellern als GSK.

Hartmann übte scharfe Kritik an dem britischer Hersteller Glaxosmithkline: "Die haben die Produktion des Schweinegrippe-Impfstoffs Pandemrix angenommen, weil damit viel Geld zu verdienen war und haben die Bedürfnisse von Kindern ganz hinten angestellt." Der Mediziner sprach von einen "nicht hinnehmbaren Skandal", der die Politik auf den Plan rufen müsse.

Späte Information bemängelt

"Wir können nicht akzeptieren, dass die Kinder-Sicherheit gefährdet wird, weil sich ein Pharmaunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen für die Produktion lukrativerer Impfstoffe entscheidet." Bei einer stabilen Geburtenzahl von 670.000 bis 680.000 pro Jahr sei der Bedarf an Impfstoff ganz klar kalkulierbar. "Man weiß vorab genau, welche Menge nötig ist. Diese Mengen müssen über Lieferverträge gesichert sein. Die Impfstoffe sind mehrere Jahre haltbar und können auch mühelose eingelagert werden."

Glaxosmithkline habe Anfang Januar die Kinderärzte auf drohende Engpässe hingewiesen, Ende Januar war es schon so weit, kritisiert Hartmann. "Es wurde so kurzfristig informiert, um Hamsterkäufen vorzubeugen". Nun sitzen dem Verbands-Präsidenten zufolge schon viele Arztpraxen auf dem Trockenen. Es sei unklar, wie lange es keine Impfstoff-Lieferungen mehr geben werde. "Bis dahin sollten Ärzte, die noch Restmengen haben, auf Auffrischungen verzichten, um stattdessen noch Erstimpfungen für Säuglinge zu ermöglichen".

Der Mediziner forderte ein Eingreifen der Politik. "Kinder haben ein Recht auf bestmögliche Gesundheitsversorgung und dazu zählen alle wichtigen Impfungen", betonte Hartmann. "Diese sicherzustellen ist eine gesundheitspolitische Aufgabe, da kann sich die Politik nicht zurücklehnen und sagen: "Das macht die Pharmaindustrie"."

dpa