Bundestag will Atom-Laufzeiten bis Sommer klären

Bundestag will Atom-Laufzeiten bis Sommer klären
Die Bundesregierung will bis Mitte des Jahres Klarheit über eine Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke schaffen. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte am Donnerstag im Bundestag: "Wir wollen bis zur Sommerpause Klarheit haben." Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) verlangte in einem dpa- Gespräch, die Entscheidung über längere Laufzeiten an die Zusage der Energieversorger zu knüpfen, "die Bürger spürbar zu entlasten".

Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) bekräftigte seine Ankündigung, in diesem Jahr ein energiepolitisches Gesamtkonzept vorzulegen. Dazu gehöre das Problem der Atommüllentsorgung. Er versicherte, die Frage der Endlagerung in seiner Amtszeit entscheidend voranbringen zu wollen.

Im Kanzleramt berieten am Abend Vertreter der Kraftwerksbetreiber mit Amtschef Ronald Pofalla (CDU) und den Staatssekretären der Ministerien für Umwelt und Wirtschaft, Jürgen Becker und Jochen Homann. Auf ihrer Tagesordnung stand die Überprüfung der Sicherheitsanforderungen an die 17 deutschen Atommeiler. Fragen der Sicherheit waren zuletzt nach den mehrfachen Pannen der Vattenfall- Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel in Schleswig-Holstein aufgekommen. Zudem geht es um die von den Kraftwerksbetreibern geforderte Verlängerung der Laufzeiten älterer Meiler.

Zusatzgewinne für Öko-Energien und Verbraucher einsetzen

Dazu hatten sie eine Umschichtung der nach dem Atomgesetz noch zulässigen Stromproduktionsmengen von neuen auf ältere Anlagen verlangt. Dies hatte der frühere Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) mit Hilfe von Gerichtsurteilen nur zum Teil abwehren können. Die eigentlichen Verhandlungen über die von Schwarz-Gelb geplante allgemeine Verlängerung von Laufzeiten soll den Chefs vorbehalten sein. Über das Gespräch der Gruppe wurde Stillschweigen vereinbart. Röttgen hat inzwischen allerdings erste Verhandlungskontakte zur Laufzeitverlängerung mit den Konzernvorständen aufgenommen. Nach dem bisherigen Atomgesetz sollten die letzten Anlagen etwa 2022 vom Netz gehen.

Die Stromkonzerne machen Druck bei der Entscheidung über längere Laufzeiten, weil den Kraftwerken Biblis A und Neckarwestheim laut Atom-Ausstiegsbeschluss bald die Abschaltung droht. Zusatzgewinne der Konzerne aus längeren Laufzeiten will der Staat zum großen Teil für den Ausbau der Öko-Energie abschöpfen. Vor allem soll die Technik zum Stromspeichern erforscht werden. "Der Wind weht nicht immer dann, wenn wir das Licht einschalten", sagte Brüderle. Er strebt an, mindestens die Hälfte der Zusatzgewinne durch längere Laufzeiten zugunsten der Öko-Energien und der Verbraucher abzuschöpfen.

Aigner sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa: "Die Konzerne haben durch eine Laufzeitverlängerung erhebliche wirtschaftliche Vorteile. Diese müssen auch den Verbrauchern zugutekommen." Außerdem müssten strengste Sicherheitsstandards gelten. "In letzter Zeit haben große Energiekonzerne nur durch permanente Preiserhöhungen und dürftigen Service von sich reden gemacht", kritisierte Aigner. Sie erwarte jetzt eine "klare Ansage" über stabile Preise und sichere Versorgung.

Schweigen bis zur Wahl in Nordrhein-Westfalen

Scharfe Kritik an den Regierungsplänen kam von der Opposition. SPD-Chef Gabriel sagte am Rande einer Demonstration gegen längere Laufzeiten vor dem Berliner Kanzleramt, der Deal dürfe nicht lauten: "Wir produzieren mehr Atommüll und dafür gibt's Geld zur Sanierung des alten (Mülls). Das ist ein unanständiges Angebot." Er warnte wie Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin davor, ältere Anlagen wie Biblis A in Hessen, die vor der Abschaltung stehen, weiterlaufen zu lassen.

Trittin kritisierte: "Während die Bürger und der Bundestag bis nach der NRW-Wahl im Unklaren gelassen werden, macht man im Kanzleramt Nägel mit Köpfen." Kanzlerin Angela Merkel und die CDU scheuten die öffentliche Auseinandersetzung über Laufzeitverlängerung oder Endlagerung. Den Energiekonzernen RWE, E.ON und Co. würden "längere Laufzeiten und damit Milliardengewinne versprochen". Röttgen betonte, er sei jedoch "nicht bereit, die Entsorgungsfrage als ungelöste Frage nachfolgenden Generationen zu hinterlassen".

dpa