Nach dem Erdbeben vom Dienstagabend läuft die Unterstützung für die Opfer langsam an. Die Vereinten Nationen (UN) richteten 15 Zentren für die Auslieferung von Hilfsgütern ein. Nach Auskunft der Organisation "Aktion Deutschland Hilft" vom Samstag beaufsichtigen UN-Soldaten die Verteilung. Dies solle dazu beitragen, Unruhen unter den verzweifelten Menschen zu vermeiden. Haitis Präsident Réne Préval klagte, ein großes Problem für seine Regierung sei es, die Hilfsgüter aus aller Welt zu den Bedürftigen zu bringen.
Tausende Leichen wurden nach Medienberichten am Freitag mit Lastwagen aus der Stadt gebracht und in einem Massengrab nördlich der Hauptstadt Port-au-Prince beigesetzt. Mindestens 50.000 Menschen sind nach Schätzungen bei dem Beben mit der Stärke 7,0 ums Leben gekommen. Die Opferzahl liegt vermutlich aber weit höher. Haitis Regierung befürchtet bis zu 100 000 Tote. Mindestens 250.000 Menschen müssen ärztlich versorgt werden.
Unterdessen schwindet vier Tage nach dem Beben die Hoffnung, noch Überlebende zu finden. Ein Mensch kann nur etwa drei Tage ohne Wasser auskommen. Inmitten der apokalyptischen Szenen gibt es aber auch Lichtblicke: Britische Rettungskräfte holten am Freitag ein zweijähriges Mädchen lebend aus den Trümmern eines zusammengestürzten Kindergartens. Das Kind war drei Tage lang verschüttet, wie das Ministerium für Entwicklungshilfe am Samstag in London mitteilte. Am Samstagmorgen wurde die 33-jährige Lidovia Pierressaint verletzt geborgen. Sie hatte 82 Stunden unter den Trümmern ausgeharrt.
US-Außenministerin erwartet
US-Außenministerin Hillary Clinton will sich selbst ein Bild über die Lage machen, sie wird am Samstag in Haiti erwartet. Sie will sich unter anderem mit Préval und Vertretern der UN treffen. US-Präsident Barack Obama hatte eine massive Hilfsaktion für das bitterarme und immer wieder von Naturkatastrophen heimgesuchte Land angekündigt. Am Freitag war der US-Flugzeugträger "Carl Vinson" eingetroffen, an Bord eine Anlage zur Aufbereitung von Trinkwasser und Versorgungsgüter. Die USA haben die Kontrolle des überlasteten Flughafens in der Hauptstadt übernommen, so sollen die internationalen Hilfslieferungen schneller abgefertigt werden.
Viele Bewohner der Hauptstadt campieren in Parks und auf der Straße. Die Menschen sind traumatisiert und warten verzweifelt auf Hilfe. Nach Angaben der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" haben drei Millionen Menschen keinen Zugang zu Lebensmitteln, Wasser und sanitären Einrichtungen. Die Mitarbeiter hätten noch keine Probleme wegen möglicher Gewaltausbrüche. "Die Bevölkerung ist aber noch immer sehr unruhig und es gibt viele Gerüchte über ein zweites Erdbeben und einen steigenden Meeresspiegel. Es könnte eine Panik auslösen. Es gibt auch Spannungen, da es nicht ausreichend Wasser und Nahrung gibt", sagte Laurent Dedieu, logistischer Manager für die Projekte der Hilfsorganisation auf Haiti.
Deutsche unter den Opfern?
Das Auswärtige Amt hat weiter keine Erkenntnisse darüber, ob Deutsche bei dem Erdbeben in Haiti verletzt wurden oder ums Leben gekommen sind. «Wir sind dabei aufzuklären, ob Deutsche betroffen sind», sagte eine Sprecherin in Berlin am Samstag. Bislang gebe es auch «keine verlässlichen Zahlen», wie viele Deutsche mittlerweile ausgeflogen wurden. In Paris waren am Freitag etwa 150 Überlebende eingetroffen, darunter neben Franzosen auch Deutsche, Italiener und weitere Ausländer.
In Berlin startete am Samstagmorgen ein Flugzeug mit Hilfsgütern. Die Maschine soll am Sonntag in der Krisenregion ankommen, sagte die Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Svenja Koch. Das Flugzeug bringt eine mobile Mini- Klinik. Das Lazarett soll in der Krisenregion die medizinische Grundversorgung Tausender Menschen gewährleisten. Es kann innerhalb eines Tages aufgebaut werden. In sieben großen Zelten wollen die Helfer dann täglich bis zu 250 Patienten versorgen.
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Auch aus London hob ein Flugzeug mit tonnenweise Material in Richtung Haiti ab. Die Niederlande schickten ein Kriegsschiff mit Trinkwasser, Nahrung und medizinischen Hilfsgütern. Die «MS Pelikaan» mit rund 80 Mann Besatzung könne weitgehend selbstständig operieren, teilte das Verteidigungsministerium am Samstag mit. Es stach von den Niederländischen Antillen aus in See. Zuvor hatten die Niederlande ebenfalls ein Flugzeug mit Hilfsgütern geschickt. Auch vom Flughafen in Peking hob ein Jumbojet mit 90 Tonnen Hilfsgütern an Bord ab.