Wenn über 1.000 Stimmen ertönen

Martin Luther King Generalprobe Aufführung Essen 2019
Stiftung Creative Kirche
Die Generalprobe zur "Martin Luther King"-Aufführung in Essen 2019.
Chormusicals der Superlative
Wenn über 1.000 Stimmen ertönen
Was 1993 ohne Geld, Personal und Strukturen mit einem kleinen Chorprojekt mit 60 Sängerinnen und Sängern und einer ganzen Portion Mut und Begeisterung begann, ist nach fast 30 Jahren eine Stiftung mit vielfältigen Angeboten geworden. Die Rede ist von der Creative Kirche, die mit Chormusicals der Superlative in Deutschland Erfolge feiert. evangelisch.de-Redakteurin Alexandra Barone war bei der Creative Kirche zu Besuch.

evangelisch.de: Das aktuelle "Martin Luther King"-Musical ist auf seiner letzten Tour. Am 15. März sind in Flensburg rund 1.500 Sängerinnen und Sänger aus Schleswig-Holstein aufgetreten. Am 22. März wird das MLK-Musical in Berlin mit 2.500 Mitwirkenden präsentiert.

Abschließend wird es am 29. März im Rahmen der Kulturhauptstadt in Chemnitz mit nochmals 1.500 Aktiven vorgeführt. Herr Volkmann, können Sie als Zuständiger für die Chormusicals bereits eine Bilanz ziehen?

Marcel Volkmann: Auf jeden Fall. Das Musical wurde bisher 50 Mal in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgeführt. Die Besonderheit ist aber, dass eigentlich jedes Konzert, jede Aufführung, eine Premiere an sich ist, denn die Sängerinnen und Sänger kommen immer aus der jeweiligen Region. Das ist nicht nur musikalisch eindrucksvoll, sondern auch inhaltlich wichtig und richtig in der heutigen Zeit.

Marcel Volkmann, Stefanie Brenzel, Martin Bartelworth (v.l.n.r.).

Es ist aber auch ein wichtiger Moment für die Sängerinnen und Sänger, weil sie ihre Stimmen vereinen, um gemeinsam eine Botschaft zu vermitteln. Und es ist natürlich ein Gänsehautmoment, über 1.000 Stimmen gleichzeitig zu hören – für die Sänger selbst und auch für die Besuchenden. Beeindruckend ist auch die Mitgliederanzahl, es sind mittlerweile 25.000, die bisher mitgesungen haben. Die Jüngste ist sieben Jahre alt und der Älteste ist 91 Jahre. Aber es sind auch Männer dabei, junge Mütter, ganze Schulklassen und natürlich beteiligen sich auch Politikerinnen und Politiker.

Gab es Besonderheiten? Bei den Proben oder Aufführungen?

Volkmann: Wir sind nicht nur in großen Hallen, sondern auch viel lokal unterwegs und da bekommt man bei den Proben und Aufführungen auch viel mehr von den Menschen mit. Als wir den 91-Jährigen auf der Bühne vorgestellt haben, da hat er gesagt: "Ich bin zwar der Älteste, habe aber meine jüngere Schwester mitgebracht!" Und diese war dann 90 Jahre alt. Da hat natürlich der ganze Saal applaudiert und gelacht. Dieses Miteinander ist schon beeindruckend.

Herr Bartelworth, Sie haben vor rund 30 Jahren Creative Kirche gegründet und sind jetzt Vorstand. Gibt es Momente oder Situationen, die Sie auch nach 30 Jahren immer noch überraschen?

Martin Bartelworth: Was uns sehr begeistert und uns auch immer wieder Energie gibt, sind die einzelnen Reaktionen der Menschen. Es ist spannend zu sehen, was das mit ihnen macht, und das gibt nicht nur den Menschen Kraft, sondern auch uns. Einer der wohl beeindruckendsten Reaktionen war die eines 60-jährigen Mannes, der gesagt hat, das Singen im Chor war sein tiefstes Gesangserlebnis in seinem Leben gewesen.

"Wir wollen nicht nur unterhalten, sondern auch etwas bewirken, eine Botschaft der Liebe vermitteln, des Miteinanders"

Ich habe auch noch eine Reaktion einer Frau in Erinnerung, die mir gesagt hat, dass das Singen ihr mehr Mut gemacht hat, gegen Rassismus aufzustehen. Sie saß dann im Bus und griff ein, als ein anderer Mann einer jungen Mutter keinen Platz machen wollte. Die Frau war schwarz und der Mann sagte, er macht nur für Deutsche Platz. Zu sehen, dass unsere Arbeit solche Auswirkungen haben kann, macht einem Mut und das bestätigt mich als Gründer, dass ich das Richtige gemacht habe.

Denn wir von der Creative Kirche wollen nicht nur unterhalten, sondern auch etwas bewirken, eine Botschaft der Liebe vermitteln, des Miteinanders. Daher ist uns auch wichtig, dass alle bei unseren Chormusicals mitmachen können – unabhängig von Konfession, Alter, Geschlecht und Nationalität.

Das "Martin Luther King"-Chormusikal (2019) in der Grugahalle, Essen.

Nun steht ein neues Projekt an, "7 Worte vom Kreuz". Frau Brenzel, können Sie als Verantwortliche für das Projekt einen Ausblick geben?

Stefanie Brenzel: Wir haben die Musik von Albert Frey gehört und ausgewählt. Wir wissen natürlich, wie das klingt, aber die Musik aus den Mündern von über 1.000 Menschen zu hören, ist schon beeindruckend. Auch bei den "7 Worte vom Kreuz"-Musical haben wir eine große Choreographie mit dabei und die umzusetzen mit mehr als 1.000 Menschen ist nicht immer leicht – der Eine ist begabt, der Andere nicht. Wir haben dann also nochmal nachgearbeitet.

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Es ist ein besonderes Musical, das sich auch noch mal ein wenig von den anderen unterscheidet, denn die Passionszeit ist ja eher ein trockenes Thema, mit dem man jetzt nicht unbedingt ein Musical verbindet, aber mit der Musik von Albert Frey wirkt es spannend. Wir haben auch vier Solo-Parts und während sie singen, werden andere Choristen auf die Bühne gehen und ihnen etwas in die Hände oder auch direkt vor das Kreuz legen.

Diese Dinge können unterschiedlich sein, das sind Dinge, mit denen die einzelnen Menschen etwas verbinden, wie beispielsweise Baby-Schuhe. Mit dem Niederlegen vor dem Kreuz legen sie auch die Last nieder. Somit befreien sie sich von etwas, was sie mit sich herumtragen und bedrückt. Das ist natürlich sehr emotional und dann sind schon mal Tränen geflossen.

Die Aufführung des Musicals ist 2026 in der Passionszeit geplant – Dieser Zeitpunkt ist bewusst gewählt, da es die Menschen auf Ostern vorbereitet?

Brenzel: Ja natürlich, die Tour ist im März und April 2026. Die Menschen können sich auf Ostern vorbereiten. Jesus stirbt am Kreuz, aber dann ist die Auferstehung. Wir wollen die Menschen anregen, alte Lasten abzulegen, ihnen sagen: ‚Du musst nicht alles alleine mit dir herumtragen, was dich bedrückt! Lege es nieder, befreie dich von deiner Last und beginne ein neues Leben.‘

"Singen ist ein Lebenselixier und das wurde den Menschen während der Corona-Zeit genommen"

Herr Bartelworth, als Vorstand haben Sie ja über 30 Jahre Erfahrung mit singenden Menschen. Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie, in der Singen im Chor verboten war, auf das öffentliche Singen und das gemeinschaftliche Musikerlebnis?

Martin Bartelworth: Ich denke dabei sofort an den Satz: ‚Wer singt, betet doppelt‘ und ich denke, dass Singen ein Grundbedürfnis des Menschen ist. Gerade im Protestantismus gibt es eine Gesangskultur, und in einem Chor kann man wichtige Erfahrungen machen, das Miteinander erleben.

Mit Singen kann man sein Innerstes ausdrücken. Singen ist ein Lebenselixier, und das wurde den Menschen während der Corona-Zeit genommen. Das Lebenselixier, das, was uns am Leben hält, wurde plötzlich zum Gesundheitsrisiko. Nach der Corona-Zeit hatten wir dann natürlich einen großen Zulauf. Die Menschen wollten wieder gemeinsam singen, das Miteinander spüren.

Eine letzte Frage an den Zuständigen der Chormusicals. Herr Volkmann, welche Musicals sind noch in der Pipeline. Was ist für das nächste Jahr geplant?

Marcel Volkmann: Wir starten im nächsten Jahr auch ein neues Musical "Das Wunder der Schöpfung". Auch hier geht es um ein christliches Thema, das Libretto ist fast fertig, danach beginnt die Musikproduktion. Wir werden natürlich auch verschiedene Materialien entwickeln, die Interessierte für den Gottesdienst, aber auch für den Religionsunterricht verwenden können.

Gerade in diesen schwierigen Zeiten, mit der Migrationsfrage und der Spaltung in der Gesellschaft, ist es ein wichtiges Thema, das es Hoffnung gibt. Aber wir gehen das Thema realistisch an, es kommen auch die Ultra-Pessimisten zu Wort, die Unentschlossenen, die Aggressiven, einfach alle, denn wir wollen ein Spiegelbild der Gesellschaft abbilden, mit so vielen Charakteren wie möglich. Das ist auch das erste Mal, dass wir eine weibliche Hauptrolle haben.