Elitz: Brender kein Fall fürs Verfassungsgericht

Elitz: Brender kein Fall fürs Verfassungsgericht
Die Brender-Entscheidung ist nach Ansicht von Ex-Deutschlandradio-Intendant Ernst Elitz kein Fall für das Verfassungsgericht. Eine Reform der ZDF-Aufsicht hält er aber für notwendig. Drei Fragen an den Ex-Deutschlandradio-Intendanten.
27.11.2009
Von Henrik Schmitz

evangelisch.de: Der Verwaltungsrat des ZDF hat den Vorschlag von Intendant Schächter, den Vertrag mit Nikolaus Brender als Chefredakteur zu verlängern abgelehnt. Ist diese politische Einflussnahme aus Ihrer Sicht ein Fall für das Verfassungsgericht?

Elitz: Sicher nicht. Die Verknüpfung "Wenn nicht Brender, dann nach Karlsruhe" hat die Unterstützer-Initiativen ohnehin etwas fragwürdig erscheinen lassen. Die Entscheidung gegen Brender ist durch einen nach dem geltenden ZDF-Staatsvertrag korrekt zusammengesetzten Verwaltungsrat zustande gekommen. Um bei der Person zu bleiben: Wenn der für Programmfragen zuständige Fernsehrat Brender für einen guten Chefredakteur hält, der eine dritte Amtszeit verdient, dann könnte er den Verwaltungsrat auch jetzt noch in die Schranken weisen. Dazu braucht er keine Fahrkarte nach Karlsruhe. Wenn er das nicht tut, dann teilt er entweder die Beurteilung der Brender-Gegner im Verwaltungsrat oder er hat keinen Mumm in den Knochen, um den hohen Herren zu widersprechen. Die halbe-halbe-Entscheidung ist ja eine klare Herausforderung für einen eigenen Standpunkt.

evangelisch.de: Ist der Fall Brender nur die Spitze des Eisberges? An welchen Stellen nimmt die Politik Ihrer Meinung und Erfahrung nach noch Einfluss auf den Rundfunk und welche Gefahren verbinden Sie damit?

Elitz: Die Politik nimmt ständig Einfluss auf den Rundfunk. Das Grundgesetz hat den Ländern nämlich die Rundfunkhoheit zugewiesen. Ich halte es auch für sinnvoll, dass Politiker in den Rundfunkgremien sitzen. Sie haben ein weitaus gewichtigeres repräsentatives Mandat als die Vertreter von Verbänden, deren Fachkenntnis in Rundfunkfragen möglicherweise geringer ist, und deren Interesse naturgegeben darin besteht, die Wünsche ihrer jeweiligen Klientel zu bedienen. Insoweit müssen beide Gruppen bei der Beurteilung programmlicher Fragen über ihren Schatten springen. Das macht das Amt eines Intendanten so reizvoll: Er muss für seine Überzeugungen kämpfen, Bündnispartner gewinnen, argumentieren und überzeugen. Er muss Spezialist in Gefahrenabwehr sein.

evangelisch.de: Sie halten es also nicht für sinnvoll, gewählte Politiker aus den Aufsichtsgremien des Rundfunks herauszuhalten? Aber wie sieht Ihrer Meinung nach eine unabhängige und demokratisch legitimierte Medienaufsicht aus?

Elitz: Für das ZDF wäre sinnvoll, den Paragrafen 21 des ZDF-Staatsvertrages auf der Grundlage des Deutschlandradio-Staatsvertrages zu ändern. Beim ZDF werden die Vertreter von Verbänden und sonstiger Gruppen auf der Grundlage eines von den entsendenden Organisationen vorgelegten Dreiervorschlages durch die Ministerpräsidenten ausgewählt und berufen. Das hat Geschmäckle. Beim Deutschlandradio entscheiden die Verbände selbständig, wen sie in die Gremien schicken. Trotzdem wird jeder der Entsandten eine politische Grundstimmung mit sich herumtragen. Das sind doch keine politischen Eunuchen. Aber sie müssen nicht parieren, wenn ein Parteifunktionär zum Strammstehen aufruft. Das müssen sie auch heute nicht. Insoweit ist und bleibt das Abstimmungsverhalten eine Charakterfrage.


Prof. Ernst Elitz (geb. 1941 in Berlin) war von 1994 bis 2009 Intendant des Deutschlandradio. Von 1983–1985 war Elitz stellvertretender Leiter und Moderator des "heute-journals" im ZDF und wechselte dann als Chefredakteur zum Süddeutschen Rundfunk (heute SWR).