Das Dokument gilt als Meilenstein in der Ökumene. Es war vor zehn Jahren in Augsburg unterschrieben worden. Mit der Erklärung vom 31. Oktober 1999 hatten der Lutherische Weltbund (LWB) und der Vatikan einen jahrhundertealten theologischen Streit in der Lehrfrage um Gottes Gnade beendet. Im Kern ging es um Martin Luthers These, dass sich der Mensch das Seelenheil nicht verdienen kann, sondern aus Gottes Gnade geschenkt bekommt.
"Gottloses Gejammer über vermeinlichen Ökumene-Stillstand"
Der im Vatikan für Ökumenefragen zuständige Kurienkardinal Walter Kasper würdigte im katholischen Hohen Dom die ökumenische Bewegung. Es gebe zu ihr keine Alternative. "Sie ist nicht Werk des Liberalismus, sie ist Impuls des Geistes Jesu." Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen kritisierte laut Redetext das "gottlose Gejammer über vermeintlichen Stillstand in der Ökumene und die elende Miesmacherei, die nur sieht, was alles noch nicht erreicht ist."
Kasper forderte die Kirchen auf, sich ungeachtet aller Enttäuschungen, Widerstände und Querschüsse wie vor zehn Jahren die Hand zu reichen, "und wir lassen uns nicht mehr los". Nicht nur in der Ökumene hätten die Kirchen in Deutschland neuen Schwung und eine tiefgreifende geistliche Erneuerung nötig. "Wir sind zu behäbig und zu selbstzufrieden geworden", sagte der Kardinal weiter.
"Es gibt viel zu tun, packen wir's an"
Der Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), Ishmael Noko, sagte in seiner Predigt, man habe sich in Augsburg versammelt, um sich an einen historischen Moment zu erinnern. Auch er rief dazu auf, den ökumenischen Dialog weiter zu führen und verbleibende Lehrverurteilungen auszuräumen.
Der Augsburger katholische Bischof Walter Mixa erinnerte im Gottesdienst daran, dass der verstorbene Papst Johannes Paul II. die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre" einen "Meilenstein" der Ökumene genannt habe. Aber, so Mixa, ein Meilenstein sei erst eine Wegmarke und der Weg noch weit. "Es gibt noch viel zu tun, packen wir's an", sagte der Bischof.
Ähnlich äußerte sich zuvor der Mainzer Kardinal Karl Lehmann in einem der Festvorträge bei der Augsburger Gedenkveranstaltung. Die Gemeinsame Erklärung müsse zu einem "neuen Aufbruchsignal" der Ökumene werden, sagte der frühere Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz am Samstag in Augsburg. In mancher Hinsicht sei dieser Meilenstein bisher leider folgenlos geblieben, weil man die Erklärung "nicht weiter vertieft, umgesetzt und so auch spirituell fruchtbar gemacht hat".
"Mehr Sorgen um Gesundheit als um Jüngstes Gericht"
Der Altbischof der Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, Walter Klaiber, rief die Kirchen auf, "weniger die Einigung zu zelebrieren, sondern an noch offenen Fragen zu arbeiten." Klaiber stellte bei den Gedenkveranstaltungen zur Unterzeichnung des Papiers fest, dass die Rechtfertigungslehre zwar "brandaktuell", aber den Menschen schwierig weiterzugeben sei. "Viele in unserer Gesellschaft spüren schmerzlich, wie aufgrund von Leistungen und Erfolg über Menschenleben entschieden wird", sagte Klaiber.
"Zumindest im mitteleuropäischen Kontext sorgen sich Menschen kaum um ihr Geschick im Jüngsten Gericht, sondern um ihre Gesundheit und ihr Auskommen", betonte Klaiber. Selbstrechtfertigung ohne Gott sei auch heute noch eine "falsche Grundeinstellung". Die Antwort auf die Lebensfragen vieler sei dagegen die Botschaft von der Rechtfertigung allein aus der Gnade Gottes. "Gemeinsam stehen wir vor der Aufgabe, dies deutlich zu machen."
In Tradition des Augsburger Bekenntnisses und Religionsfriedens
Der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Johannes Friedrich (München), bezeichnete in seinem Grußwort Augsburg als den passenden Ort für die zentrale Gedenkfeier zur Erinnerung an die "Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre". Friedrich, der auch bayerischer Landesbischof ist, erinnerte an das "Augsburger Bekenntnis", das 1530 in Augsburg erstmals verlesen wurde und an den "Augsburger Religionsfrieden" von 1555.
Am Reformationstag (31. Oktober) 1999 unterzeichneten hochrangige Vertreter des Vatikan und des Lutherischen Weltbundes in Augsburg die '"Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre". Damit hoben die Kirchen ihre gegenseitigen Lehrverurteilungen aus der Reformationszeit auf. Martin Luthers Lehre von der Rechtfertigung des Menschen vor Gott löste Anfang des 16. Jahrhunderts die Kirchenspaltung in Europa aus. Im Jahr 2006 schloss sich die methodistische Kirche mit ihren rund 75 Millionen Mitgliedern weltweit der Gemeinsamen Erklärung an.