Heinrich Seidel (1842-1906) dichtete mit Galgenhumor: «Solchen Monat muss man loben; keiner kann wie dieser toben, keiner so verdrießlich sein, und so ohne Sonnenschein! Keiner so in Wolken maulen, keiner so mit Sturmwind graulen! Und wie nass er alles macht! Ja, es ist 'ne wahre Pracht.» Immerhin verspricht der Hundertjährige Kalender, dass der November mit einigen sonnigen Tagen endet. Andererseits droht eine alte Bauernregel: «November hell und klar bringt Übel für das nächste Jahr.»
Nebel als Stimmungskiller
Dass schon unsere Altvorderen wussten, was sie erwartet, bezeugen die alten deutschen Namen für den November wie Windmond oder Nebelung. Nebel und unheimliche Stimmung gehörten auch damals schon zusammen. Kein Zufall also, das es nach Jahrhunderte alter Sage Hexen besonders zum Brocken (Blocksberg) zieht. Der 1142 Meter hohe Harz- Gipfel hält laut Wetterdienst den deutschen Nebelrekord. Im Jahr 1958 war die «graue Suppe» dort an 330 Tagen so dick, dass die wilden Weiber bestenfalls auf Besen mit Autopilot die markanten Felsen ihrer Teufelskanzel hätten finden können.
Der Novembernebel erweist sich als besonders zäher Stimmungskiller. Über den oft vom Nachtfrost ausgekühlten Böden drückt warme Luft das kalte Grau auf Dauer nach unten und schränkt nicht selten stundenlang die Sicht auf maximal einige hundert Meter ein. Wenn zur «Straßenblindheit» auch noch überfrierende Nässe, Raureif oder erste vor-winterliche Schneefelder kommen, gilt für Autofahrer: Fuß vom Gas.
Staumonat Nummer Eins
Der November ist zudem der Staumonat Nummer Eins. Zu keiner Jahreszeit wird man auf der Fahrbahn so oft ausgebremst. Verkehrsexperten haben errechnet, das rund zehn Prozent mehr Autos unterwegs sind als in anderen Monaten. Niemand macht freiwillig im November Urlaub, zudem setzen nun viele Sommer-Radfahrer bei dem Arbeitsweg auf ein Verkehrsmittel mit Heizung und Dach. Und die vielen, die unterwegs sind, fahren bei zunehmender Dunkelheit und häufig nassen Straßen auch noch vorsichtiger und hemmen so den Verkehrsfluss weiter. Will jemand den November gar auf Sommerreifen überstehen, macht nicht selten seine Rutschpartie mit Blechschaden eine Staugefahr zur Staugewissheit.
Also besser zu Hause bleiben? «Seltsam, im Nebel zu wandern! Leben ist einsam sein. Kein Mensch kennt den anderen, jeder ist allein», schreibt Hermann Hesse (1877-1962) in seinem «November»-Gedicht. Von diesem Stimmungsbild ist es nicht mehr weit zur «Saisonal abhängigen Depression» (SAD), unter der hierzulande 13 Prozent der Menschen leiden sollen.
Zeit der Besinnlichkeit
Bot der Oktober noch mit Erntedank, Winzerfest und - nomen est omen - Oktoberfest noch Platz für allerlei geselliges Treiben in fröhlicher Runde, gilt der November als Monat der Trauer und Besinnung. Am 1. November ist traditionell das katholische Allerheiligen. Am Tag drauf gedenken katholische Christen an Allerseelen ihrer Verstorbenen, am Totensonntag (Ewigkeitssonntag) vor dem ersten Advent tun es auch Gläubige der evangelischen Kirche. Zwei Sonntage vor dem ersten Advent wird am Volkstrauertag an die Toten der Weltkriege erinnert. Die Besinnung am evangelischen Buß- und Bettag soll eine Umkehr zu Gott bewirken.
Ganz weltlich wird immerhin am 11.11. um 11.11 Uhr daran erinnert, dass nach dem Dreikönigstag in den Karnevalshochburgern am Rhein die fünfte Jahreszeit beginnt. Hier und da wird schon mal ein Prinzenpaar vorgestellt, aber das war es dann meist auch schon wieder mit dem bunten Treiben. Und ist die Martinsgans verzehrt, sollte eigentlich die mehrwöchige Fastenzeit beginnen. Eigentlich.