Und er hält - so kennt man ihn - in einem Rückblick auch nicht mit Kritik an Entscheidungswegen im Vatikan hinterm Berg. Der katholischen Kirche sagt der Jesuit noch "schwere Zeiten" voraus: "Wenn diese Kluft größer wird zwischen dem, was die Menschen tun und dem, was die Kirche lehrt, ist das halt einfach schwer verträglich."
"Etliche Holperer" des Papstes
1982 zu Radio Vatikan gewechselt und ein paar Monate später dann zum Leiter ernannt, blickt Eberhard von Gemmingen auf eine bewegte Zeit mit dem "Medien-Papst" Johannes Paul II. und dem immer wieder aneckenden deutschen Nachfolger Benedikt XVI. zurück. Von dem, was ein Kirchenoberhaupt von der journalistischen Arbeit so hält, "weiß man dabei nichts, da hat man keine Ahnung", hält er in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa fest. Aber immerhin war es dem erfahrenen und anerkannten Medienmann gelungen, im August 2005 bei Joseph Ratzinger den ersten exklusiven Interview-Termin mit einem Papst zu haben. "Das ist mir aber in den Schoß gefallen, ich habe mich nicht danach gedrängt. Es war dann 16 Minuten lang", erzählt er.
Nur jemand, der in einem engen Zirkel im Vatikan lebt, könnte diese beiden Päpste noch besser vergleichen. Er tut das jedenfalls mit der gebotenen journalistischen Distanz: "Durch die fulminante Beerdigung von Johannes Paul II. mit dem Ansturm der Millionen und der Präsidenten hat man den Eindruck gewonnen, da ist ein Titan zu Grabe getragen worden, ein Superman, der es mit allen konnte." Man vergesse dabei, dass es auch an dem konservativen Polen viel Kritik gegeben habe. Und was den deutschen Papst angeht, der für Gemmingens Redaktion mit sechs Vollzeit-Redakteuren natürlich immer besonders wichtig war, spricht er "von etlichen Holperern". Er meint etwa die umstrittene Rücknahme der Exkommunikation der traditionalistischen Piusbrüder oder auch Benedikts Front gegen Kondome zur Aids-Abwehr.
"Erklären hilft verstehen"
"Wenn solche Dinge vom Vatikan rechtzeitig erklärt worden wären, dann hätte man sie vielleicht auch besser verstehen können", sieht Gemmingen Mängel beim "Personal unter ihm", dem Papst. Offenbar sei man überfordert gewesen, was Kommunikation und Organisation angeht. Benedikt selbst sei eine "reine Seele" (anima candida), also oft weit weg von der Realität. Wenn Gemmingen der Kirche noch "schwere Zeiten" prophezeit, weist das über diesen Papst hinaus: "Es geht etwa darum, dass Frauen als Frauen eine Stimme in der Kirche haben müssen." Auch wenn der Vatikan bei den Konfliktthemen wie Pille, Wiederverheiratung Geschiedener oder Aids nichts sagen wolle, "dann muss klar sein: Wir sagen nichts dazu". Mehr vorausdenken sei so gefragt, weniger mauern.
Und was rät er seinem Nachfolger, dem jesuitischen Mitbruder Bernd Hagenkord (41), "der aus dem heidnischen Hamburg in dieses Rom kommt und dann sehen muss, dass hier die Uhren etwas anders gehen"? Radio zu machen, sei zwar natürlich nicht bedeutungslos, der elektronische Newsletter und die Homepage von Radio Vatikan aber zur Information der Öffentlichkeit inzwischen 100-mal wichtiger: "Er soll sich sehr bemühen, dort die Zahl der Abonnenten zu erhöhen." Nach dem Motto: Welcher Lehrer oder Journalist hört heute schon Radio Vatikan? Denn es geht nicht darum, ein Sprachrohr zu sein, man muss mehr vermitteln und somit dafür werben, dass deutsche Skepsis gegenüber Rom abnimmt.
Dazu hat er selbst auch mit TV-Auftritten etwa während der Krise um die Piusbrüder und den Holocaust-Leugner Richard Williamson beizutragen versucht. Jetzt gibt der Pater den Staffelstab weiter. Er kehrt nach Deutschland zurück: "Ich will mich dort dem Fundraising für die pastorale und seelsorgerische Arbeit der Jesuiten widmen."