"In der Mitte des Lebens" heißt das Buch der hannoverschen Landesbischöfin. "Ich möchte damit vor allem Mut machen, über die eigene Lebensmitte nachzudenken", sagte die 51-Jährige bei der Buchvorstellung in Hannover. Aus Sicht einer überzeugten Christin und Theologin beschreibt Käßmann in zehn großen Bögen die Spannungen, die diese Lebensphase prägt: "Wir sind nicht mehr jung, aber auch noch nicht ganz alt."
Die einzelnen Kapitel habe sie bewusst sehr unterschiedlich gestaltet, erläuterte Käßmann. Sie spiegelten etwas von der Buntheit und Vielfalt des Lebens. Manche Themen habe sie aus biblischer Perspektive betrachtet und beschrieben, andere seien sehr persönliche Erfahrungen. So enthält das Buch Tagebuch-Aufzeichnungen aus den ersten Tagen der Krebserkrankung der Bischöfin im Spätsommer 2006 oder einen Abschiedsbrief an einen guten Freund, der kurz danach starb.
"Giftspritzen ohne Absender"
Auch ihre Scheidung vor zwei Jahren spart die Mutter von vier erwachsenen Töchtern nicht aus. "Es hat mich gestört, dass die Lebensmitte einer Bischöfin gerade in den Anfechtungen für andere zum öffentlichen Diskussionsthema wurde", schreibt sie. Sie habe damals Zurückweisung und Häme erfahren und "Leserbriefe ohne Barmherzigkeit und Giftspritzen ohne Absender" erhalten: "Es gab dieses Gefühl, beobachtet zu werden: Hält sie durch oder nicht?"
Sie habe standhalten können, weil andere ihr den Rücken gestärkt hätten und sie in ihrem Glauben verwurzelt sei, beschreibt Käßmann diese schwierige Phase. Geblieben seien Ernüchterung, aber auch Demut: "Ich habe nicht alles im Griff, nicht alles ist machbar oder kann selbstbestimmt geregelt werden." In Krisen und "Wüstenzeiten" kämen Menschen an das Ende ihrer Kraft: "Aber aus solchen Zeiten der Klärung können wir eben auch gestärkt hervorgehen, uns neu orientieren und mit frischem Mut nach vorn weiterleben."
Gelassenheit einüben
Weiter reflektiert Käßmann in dem Buch Themen wie vergängliche Schönheit und die wachsende Bedeutung von Freundschaften in der Lebensmitte sowie Fragen zum Alleinsein, zur Einübung von Gelassenheit oder zu Abschiednehmen und Tod. Zum Altwerden gehöre Mut, schreibt sie. Es sei manchmal "fast merkwürdig, sich selbst alt werden zu sehen". Dann wiederum empfinde sie auch mit 50 Jahren "eine unbändige Lust am Leben". In der Mitte des Lebens lasse sich auch lernen, dem Verlorenen nicht nachzutrauern und das Misslungene anzunehmen, bilanziert die Bischöfin: "Ich schaue gern zurück und ohne Angst nach vorn."
Margot Käßmann: In der Mitte des Lebens. Freiburg 2009. Herder Verlag, 16,95 Euro, ISBN: 978-3-451-30201-5