Mit einer Schweigeminute wollen Europas Protestanten an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren erinnern. Angesichts der noch immer sprachlos machenden Dimension des damaligen Grauens könnte ein Moment des Schweigens ein angemessenes Zeichen des Erinnerns sein, heißt es in einer am Montag in Kopenhagen veröffentlichten Erklärung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). "In ganz Europa - von Island bis zum Balkan, von St. Petersburg bis Lissabon, von Hammerfest bis Ankara - schweigen Leben und Arbeit am 1. August 2014 um 12 Uhr (MEZ) für eine Minute", wird in dem Kirchenwort empfohlen.Zu einem zentralen Gedenkgottesdienst aus Anlass des Jahrestages laden die GEKE, die Union der Protestantischen Kirchen in Elsass und Lothringen und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für den 3. August nach Gunsbach im Elsass ein. Unweit von Gunsbach ist am selben Tag ein Besuch von Bundespräsident Joachim Gauck und des französischen Präsidenten François Hollande am Gedenkort Hartmannsweilerkopf vorgesehen.
###mehr-artikel###
Der Erste Weltkrieg begann am 28. Juli 1914 mit der Kriegserklärung Österreichs an Serbien. Der vierjährige Militärkonflikt zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn auf der einen sowie Großbritannien, Frankreich und Russland auf der anderen Seite kostete rund 17 Millionen Menschen das Leben. Der Weltkrieg endete im November 1918 mit der deutsch-österreichischen Kapitulation.
Das vom GEKE-Rat beschlossene Papier erinnert an die Opfer dieser "Urkatastrophe". Millionen Menschen, Soldaten und Zivilpersonen seien dem Krieg zum Opfer gefallen. Zudem verweisen Europas Protestanten darauf, dass der Weltkrieg die politische Landkarte Europas grundlegend verändert habe. Bis heute seien die Folgen des Krieges präsent, einige Konflikte immer noch ungelöst. Genannt werden der Balkan und die Ukraine. "Mit Bestürzung sehen wir, dass europäische Länder nach wie vor in gewaltsame Konflikte verstrickt und an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt sind", heißt es in der Erklärung der Kirchen.
Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa setzt sich auch kritisch mit der Rolle der evangelischen Kirchen und Theologen 1914 auseinander. "Gott und Krieg wurden in einen positiven Zusammenhang gesetzt", heißt es in dem Papier. Die national gefärbten Kirchen hätten den Kriegsausbruch überwiegend begrüßt und seien bestrebt gewesen, die Beteiligung des eigenen Landes als "gerechten Krieg" theologisch zu legitimieren. Mahnungen zum Frieden, die es in den Kirchen ebenfalls gegeben habe, seien überhört worden. Diese bittere Erfahrung mahne bis heute zu kontinuierlicher Selbstkritik in Kirche und Theologie.
Das Erinnerungsjahr 2014 eröffne Kirchen und Gesellschaften die Möglichkeit, miteinander Wege des Erinnerns, Erzählens und Zuhörens einzuschlagen und damit zur Versöhnung beizutragen, schreibt der GEKE-Rat. Die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa umfasst 94 protestantische Kirchen, darunter lutherische, reformierte, unierte, methodistische und vorreformatorische Kirchen. Sie gewähren sich mit der Leuenberger Konkordie von 1973 Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Die GEKE vertritt rund 50 Millionen Christen.