Wirklich neu ist die Idee mit den Zwillingsschwestern, die sich erst Jahre oder gar Jahrzehnte nach ihrer Geburt wiedersehen, natürlich nicht gerade. Aber was Aglef Püschel (Buch) und Florian Froschmayer (Regie) aus der überschaubaren Grundidee gemacht haben, ist eine ausgenommen hübsche, kurzweilige und einfallsreiche romantische Komödie. Dafür sorgt die Hauptdarstellerin fast im Alleingang: Alissa Jung ist schlicht entzückend und verkörpert glaubwürdig zwei unterschiedliche Persönlichkeiten. Dass die Version vom doppelten Lottchen in technischer Perfektion erzählt wird, darf man heutzutage zwar erwarten, aber die Effekte sind dennoch immer wieder verblüffend.
Wenn die Liebe sich spürbar ändert
Wie alle guten Geschichten lässt sich die Handlung auf zwei Sätze reduzieren: Weil Designerin Sophie zwei Tage vor der Hochzeit noch eine offene Rechnung mit einem früheren französischen Freund (Pasquale Aleardi) klären muss, soll ihre gerade erst entdeckte Zwillingsschwester, die Polizistin Sina, kurz in ihre Rolle schlüpfen. Aber dann meldet sich Sophie nicht mehr, und Sina lernt nicht nur ihre Eltern, sondern auch Sophies Verlobten (David Rott) schneller und vor allem besser kennen, als ihr lieb ist.
Das Drehbuch beschert Alissa Jung eine Vielzahl wunderbarer Szenen, die sie weidlich nutzt. Die Schauspielerin, bekannt geworden durch die Sat.1-Telenovela "Schmetterlinge im Bauch", hat unter anderem schon in der Romanze "Griechische Komödie" bewiesen, dass sie einen Film tragen kann. Hier gelingt ihr das scheinbar spielend, zumal Püschels Drehbuch im Detail immer wieder unvorhersehbare Situationen bietet. Gerade die gemeinsamen Szenen mit David Rott wirken zudem besonders gelungen. Das müssen sie auch, denn hier kommt die wahre Liebe ins Spiel: David, ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen, stellt fest, dass sich seine Liebe zu der aus gutem Hause stammenden Sophie am Polterabend spürbar verändert; und das liegt nicht nur daran, dass Stellvertreterin Sina im Gegensatz zu ihrer Sushi-Schwester wie David eher auf Döner und Currywurst steht und sich in Sophies Cocktailkleidchen sichtlich unwohl fühlt.
Nicht richtig schlüssig sind allein die Begleitumstände der Familienzusammenführung. Sinas Ziehmutter hatte das Baby einst im Krankenhaus entführt. Nach ihrem Tod findet sie Hinweise auf Einbrecher Uwe (Tim Wilde), der ihre Mutter erpresst hat und sie in Hamburg auf die richtige Spur bringt. Uwe tarnt sich und seine Kumpane als Party-Service. Da Sina ihn in flagranti erwischt hat, ist kaum damit zu rechnen, dass er sich als nächstes Sophies Elternhaus vornimmt, denn er muss ja damit rechnen, dass Sina zur Hochzeit ihrer Schwester kommt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dass ausgerechnet der Ganove Sinas Maskerade sofort durchschaut, ist auch nicht schlüssig. Aber natürlich braucht die Geschichte einen Vorwand, um den Rollentausch am Ende vor allen Festgästen auffliegen zu lassen, bevor sich Sina ihren Eltern offenbar kann. Davon abgesehen jedoch gibt es an dieser vergnüglichen romantischen Komödie, die auch noch mit einem spektakulären Drehort auf dem Dach des Berliner Olympiastadions aufwartet, nichts auszusetzen.